Freitag, Dezember 19, 2008

Aesthetisches Spiel -Typisches

Im aesthetischen Spiel zielen Spielhandlungen darauf ab die Fiktion zu erweitern und zu verändern. Dementsprechend lassen sich Ihre Funktionsweisen nach anderen Gesichtspunkten unterschieden als im divergenten Spiel. Sich diese Unterscheidung vor Augen zu führen, kann helfen sowohl die Regeln eines Erzählspiels besser ins Spiel einzubinden als auch besser auf Probleme im Spiel zu reagieren.

Diese Auflistung ist jedoch keine Anleitung zum aesthetischen Spiel! Sie ist als Beschreibung gedacht, die das Verständnis fördern soll. Sie ist keine Blaupause für aesthetisches Spiel oder ein Modell, dass es zu befolgen gilt.

Ich denke, man kann von vier unterschiedlichen Funktionsweisen sprechen, die Spielhandlungen während des aesthetischen Spiels ausüben können.

1) Neues einbringen
2) Bestehendes steigern
3) Offenes abschließen
4) Bekanntes wieder einfügen

Neues einbringen beschreibt all die Spielhandlungen, die etwas in die Fiktion eingefügen, was jedoch nicht direkt aus der erspielten Fiktion folgt. Wenn ein Spieler also etwas einbringt, was am Tisch als getrennt vom bereits Erspielten wahrgenommen wird. Wenn der Spielleiter etwa den durch einen Wald reisenden Charakteren den Schauplatz eines wenige Tage alten Gefechtes vorsetzt. Der SL mag sich hierfür zwar auf ein komplexes Konstrukt aus Hintergrundinformationen, Ortskarten oder vielschichtige Beziehungen unterschiedlicher Gruppierungen stützen, aber was die konkrete Auseinandersetzung mit diesen Schauplatz angeht, so ist er keine direkte Folge des bereits Erspielten. Er folgt nicht aus der Reise durch den Wald. Selbst wenn wenn der SL durch Würfeln, Routenberechnungen und Abweichungen durch verpatzte Orientierungswürfe bestimmt, dass die Gruppe davon erfährt. Es ist immer noch das Einbringen von etwas Neuem in die Fiktion.

Bestehendes steigern bezieht sich auf Spielhandlungen, die die Fiktion verfeinern und vertiefen. Hierunter kann man das Ausschmücken der Fiktion mit Details verstehen, um dem Ganzen mehr Farbe zu schenken. Aber auch Handlungen, Kommentare und Fakten zum Hintergrund können so benutzt werden. Die ersten, geschauspielten Reaktionen auf den Fund aus dem vorherigen Beispiel wären so eine Steigerung. Auch das Nachfragen und Informationen sammeln mit dem fast alle Rollenspieler in solchen Fällen reagieren, führt in der Regel zu noch mehr Steigerung des Bestehenden. Meist durch detailliertere Beschreibungen des Schauplatzes, erste Andeutungen auf die Ursachen und ähnliches.

Offenes abschließen umschreibt alle Aktionen durch die etwas beendet wird bzw. an den Rand der Fiktion gedrängt werden. Die radikalste und oft frustrierendste Form ist das Blocken. Wenn die Spieler im Wald umkehren und das Weite suchen, haben sie den Beitrag des Spielleiters effektiv geblockt. Der Schauplatz wird in seiner Spielbedeutung herabgesetzt. Umgekehrt kann auch der SL blocken, indem er etwa offene Fragen endgültig beantwortet und so die Aufmerksamkeit der Spieler zu steuern versucht. Bsp.: "Ihr findet keine Spuren. Es gibt keine Überlebenden und keine Anzeichen wer hier miteinander gekämpft hat." Dabei ist der Abschluß von offen stehendem in der richtigen Dosis sehr spielfördernd und sogar notwendig. Mangelt es daran, hat die Spielrunde viel Leerlauf, offene Fragen und Interaktion, die als ziellos empfunden werden.

Bekanntes wieder einfügen umschreibt die wohl unauffälligste, aber dafür wirkungsvollste aller möglichen Spielhandlungen. Bereits bekannte Elemente der Fiktion werden erneut ins Spiel gebracht und so mit anderen in Verbindung gesetzt. Dadurch schafft man aus einer Kette von Ereignissen und Situationen ein Netz aus Zusammenhängen und Abhängigkeiten. Die Fiktion gewinnt so zunehmend an Komplexität und Kontinuität und erweckt mit der Zeit den Eindruck einer ganzen Welt, statt einer Liste an Dingen, die nacheinander abgearbeitet werden. Bekanntes wird eingefügt, wenn sich herausstellt, dass eine den Spielern bekannte Gruppierung oder einzelne Figur am Kampf beteiligt war. Wirkt diese Verknüpfung besonders glaubwürdig, so wird dieser Vorgang kaum als solcher wahrgenommen, sondern ist eine selbstversändliche Tatsache, die sich aus der Logik des Spiels ergibt. Ist diese Verknüpfung noch dazu besonders unerwartet, z.B. weil das wieder eingeführte Element fast vergessen war, so wird die Fiktion meist als noch attraktiver empfunden.

Diese grobe Kategorisierung sollte helfen deutlich zu machen, dass aesthetisches Spiel eine Sichtweise auf das Spiel zu Grunde legt, die sich merklich vom traditionellen Rollenspiel unterscheiden kann. Um Erzählrollenspiele zu verstehen, muss man zumindest begriffen haben, dass der Blick auf das Spiel ein anderer ist.

Montag, Dezember 15, 2008

Der Verlust der Verspieltheit

In letzter Zeit fiel mir immer wieder auf, dass sich unter vielen eine gewisse Abneigung gegen das Verspielte im Rollenspiel breit macht. Stattdessen herrscht eine Art von Ernsthaftigkeit, die dem Resultat des Spiels eine gleichwertige wenn nicht sogar höhere Bedeutung zuschreibt als dem Spielvorgang selbst. Die größtmögliche Unversehrtheit eines Ideals beim Spielende wird als Ziel verstanden nach dem man sein Spielverhalten orientiert. Etwas (z.B. Story, Spannungsbogen, Plot, Setting, Charakter; etc.) muss möglichst unverfälscht und rein bleiben, damit das Spiel richtig Spaß machen kann.

Diese Zielversessenheit ist vor allem unter Brettspielern, insbesondere denen der German Boardgames/Eurogames-Schule stark verbreitet und wird dort mit immer wieder neuen Handels-, Aufbau- und Elminationsspielen bedient. Es werden klare Siegbedingungen vorgegeben und man muss sein gesamtes taktisch-analytisches Können auffahren um diese zu erreichen. In diesem Rahmen betrachtet sind Spiele komplexe, abstrakte aber sorgfältig strukturierte Problemsituation, für die es eine äußerst effiziente oder zumindest erfolgreiche Strategie zu entwickeln gilt. Der Spielakt selbst ist nur die Praxis in der die Theorie (bzw. Strategie) geprüft wird. Natürlich steht es völlig außer Frage, dass es sehr viel Spaß macht wenn diese drei Schritte zeitlich zusammengelegt werden. Strategien parallel zu entwickeln, umzusetzen und zu verfeinern sind die grundlegenden Vorgänge, die Spiele wie Siedler von Catan oder Carcassone so erfolgreich gemacht haben.

Beim Rollenspiel äußert sich diese Herangehensweise an den unterschiedlichsten Stellen. Am bekanntesten und am weitesten verbreitet ist mit Sicherheit die zielgerichtete Charaktererschaffung, d.h. die Builds, die eine 1:1 Umsetzung dieses Brettspielgedanken darstellt. Das Spiel nach der Charaktererschaffung dient lediglich zum Prüfen und Verfeinern der Effizienz des Charakterbaus. Aber auch die Verlagerung dieser Sichtweise auf das Rollenspiel selbst, mündet oft in einer Zielbesessenheit bei der die Spieler versuchen das Spiel "zu knacken". Dabei kann es sich um das Folgen eines vorbereiteten Plots handeln (oder auch das Sabotieren des selbigen), die bestmögliche Kombination von Regelmechanismen (ich nenne so etwas gerne Regel Kung Fu) oder das Recht den Fortgang des Spiel zu bestimmen (was schnell in peinliches Dominanzgerangel münden kann). Dass diese Dinge in manchen Fällen Spaß machen können, steht außer Frage. Aber in jedem dieser Ansätze wird das Quirlig-Fantastische, das Amüsant-Unwirkliche als Störfaktor und Problemquelle gesehen. Als etwas, dass dem "eigentlichen" Spiel im Weg steht und es erschwert.

Diese sachlich-logische Vorgehensweise - egal wie sehr sie in Erlebnisrhetorik oder Team-metaphern verpackt ist- verdrängt den fantastischen, kreativen und verspielten Charakter des Rollenspiels. Der Teil des Spiels den einige mit "sense of wonder" zu beschreiben versuchen oder dem sie nostalgisch verklärt in ihren Jugendrunden zu sehen glauben oder den sie mit Immersions-voodoo wieder herbei zaubern wollen. Ich würde sogar so weit gehen zu sagen, dass sich einem Rollenspiele schlicht und ergreifend nicht erschließen können, solange man diese grundlegende Verspieltheit und Verrücktheit nicht als untrennbaren Teil des Rollenspiels akzeptiert hat.

Jenseits der Regeln, der Spielwerte und dem plausiblen und authentischen Spielens des Settings braucht jedes Rollenspiel einen Schuß "whimsy" - einen Teil, der unerklärt, unverstanden und unkommentiert bleiben kann. Es müssen Dinge um ihrer Selbst Willen oder zumindest um ihrer Wirkung Willen existieren dürfen. Einfach nur weil es Spaß macht und nicht weil es irgendetwas bringt. Nur so können Freiräume entstehen, in denen die Fantasie der Mitspieler sich austoben kann. Nur so kann man Rollenspiele als eigene Spielform nutzen, und nicht als dynamische Brettspiele oder unendliche Weltensimulatoren.

Diese Verspieltheit lässt sich mit Zufallstabellen zum Teil ankurbeln (WFRP macht das meiner Meinung sehr geschickt). Aber letztendlich benötigt es einen Spieler oder besser eine ganze Gruppe, die sich diese Freiräume sucht und aufbaut. Am einfachsten geht das mit Beschreibungen und Erzählungen (weshalb sogenannte Rules Light-Rollenspiele auf viele einen solchen Reiz ausüben), die sich nicht aus den Regeln ableiten sondern von der Gruppe/den Spielern eingeworfen werden.

Donnerstag, November 20, 2008

Traditionelle Rollenspiele / divergentes Spiel

Traditionelle Rollenspiele sind Spiele, die sich einer deutlichen und strikten Trennung zwischen Spielleiter und Spieler bedienen. Eine Trennung, die sich auf die Ursprünge des Rollenspielgenres beruft. Die Charaktere werden den Spielern zugeteilt, dem Spielleiter die Regeln und die Spielwelt. Damit sind unterschiedliche und von einander unabhängige Zielsetzungen verbunden, deren Verfolgung zu einem angenehmen Spannungsverhältnis am Tisch führt, aus dem sich das Spiel entwickelt. Der unvoreingenommene und neutrale Gebrauch der Regeln, die in sich schlüssige Darstellung der Spielwelt und die ehrgeizige Verfolgung der Charakterziele sind die drei großen Kräfte, die das divergente Spiel formen.

Es wurde häufig der Fehler gemacht (und dahingehend nehme ich mich nicht aus) das aus den von einander abweichenden Zielen entstandene Spannungsfeld als Wettbewerb zu umschreiben. Das halte ich für irreführend. Zwar kann man beim divergenten Spiel diese Konkurrenzhaltung zwischen SL und Spielern suchen (z.B. im Kampf), sie bildet jedoch nur eine von vielen Variationen, die im divergenten Spiel möglich sind. Der häufigere Zustand ist jedoch eine Interaktion mit der Spielwelt, die sich eher als Entdeckungsreise oder Erlebnisurlaub beschreiben lässt. Es wird weder gegen noch mit dem Spielleiter (d.h. kooperativ und mit vergleichbarer Zielsetzung) gespielt. Stattdessen findet das Spiel im Bereich zwischen den Spielteilnehmern statt. Aus dem Hin und Her der rollenspielerischen Interaktion entwickeln sich die Ereignisse und Situationen des Abenteuers.

Dabei gilt es als Zeichen eines besonders gelungenen Spiels wenn man die Beeinflußung der Ereignisse nicht mehr genau einem Spieler zuordnen kann. Dies gilt insbesonders für den Spielleiter, aber auch manche Spieler streben das an. Ein SL, der die Spielwelt lediglich ausführt, sie jedoch nicht steuert oder nach persönlichen Vorlieben beeinflußt und lenkt ist im divergenten Spiel hoch angesehen. Aber auch Spieler, die so stark in ihren Charakteren versinken, dass sie nicht selbst sondern nur der Charakter das Handeln lenkt (bzw. zu lenken scheint), haben einen hohen Stellenwert für das divergente Spiel. Wenn man sich als Spielender völlig aus dem Spielvorgang herausnehmen kann - sich sozusagen im Spiel verliert - ist das platonische Ideal im traditionellen Rollenspiel erreicht. Befürworter nennen das Immersion.

Ein wichtiger Punkt für flüssiges und stabiles divergentes Spiel ist eine deutliche Zielsetzung für jeden Spielteilnehmer, die gewissenhaft eingehalten wird. Sind die Zielsetzungen der einzelnen Spieler ungenau und vage, führt das zu einem Spielablauf, der nur langsam und träge vorankommt. Es gibt verschiedene Mittel diese Zielsetzungen zumindest für Spieler fest zu legen. So kann der SL einzelne oder eine Auswahl von Zielen vorgeben. Manchmal wird dafür der Begriff "railroading" benutzt, was ich nicht nur für ungerechtfertigt, sondern für völlig falsch halte. Aber auch das Grundkonzept des Spiels selbst kann diese Ziele umreißen und verdeutlichen. Hier sprechen manche abfällig von einer Verbrettspielung oder ungebührendem Tabletopeinfluß. Ein Vorwurf für den ich nicht viel übrig habe, da er verfehlt ist und lediglich ein ohnehin unnötig aufgeladenes Thema noch weiter polemisiert. Als letzte Möglichkeit bleibt die vermeintlich höchste, da fehleranfälligste Form der Zielfindung. Die Spieler wählen sich ihre Ziele - häufig im Spiel - selbst aus. In diesem Fall müssen diese Ziele in irgendeiner Form artikuliert oder vermittelt werden (z.B. durch "Flags") um ein flüssiges Spiel zu ermöglichen.

Wenn die Ziele des SLs und die der Spieler sich aber zu stark entgegenkommen, so gibt es keine Spannung am Tisch und divergentes Spiel ist nicht mehr möglich. Hier lässt sich eine der Problemzonen festmachen, wenn man versucht aesthetisches Spiel und divergentes Spiel zu kombinieren. Zielt aesthetisches Spiel auf eine Koordination und Synthese der Ziele ab, wird divergentes Spiel genau dadurch geschwächt. Mit diesen Gegensätzen so umzugehen, dass ein gelungenes Spiel entsteht, braucht viel gemeinsame Erfahrung und Übung. Das ist auch der Grund, das man "eine gut eingespielte Gruppe" braucht um eine enger gefasste Kampagnenidee (d.h. eine Kampagne deren Fiktion bestimmte Merkmale aufweisen soll) in einem traditionellen Rollenspiel umzusetzen.

Mittwoch, November 12, 2008

Erzählrollenspiele & aesthetisches Spiel

Erzählrollenspiele sind Rollenspiele, die vor allem auf aesthetisches Spiel ausgelegt sind. Das macht die beiden Begriffe zu Genreunterteilungen im Bereich des Rollenspiels. So wie Strategiespiele und Partyspiele Genres im Brettspielbereich sind und die übliche Weise diese Spiele zu spielen als Genres (bzw. Spielstile) betrachtet werden kann. Sicherlich kann man diese Dinge mischen. Man könnte etwa Twister wie ein Strategiespiel spielen. Oder Axis & Allies wie ein Partyspiel, aber letztendlich gibt es in beiden Fällen eine vorgesehene Spielweise, die dem Spiel und seinen Regeldesign am ehesten entgegenkommt.

Was ist mit aesthetischem Spiel nun gemeint? Was ist die Spielweise, die diese Erzählrollenspiele fördern und worauf sie ausgelegt sind? Zuerst sollte man sich klar machen, dass die Regelideen mancher Erzählrollenspiele vielleicht innovativ sind, das aesthetische Spiel jedoch keineswegs erst mit Sorcerer, Vampire, Champions oder sonst einem Rollenspiel erfunden wurde. Der historische Ansatz ist weder hilfreich noch sinnvoll, um aesthetisches Spiel zu verstehen. Auch lässt sich über Techniken oder Vorgehensweisen nur bedingt festmachen, was das besondere bzw. eigenständige daran ist. Weder führt der Gebrauch von Bangs zwingend zu aesthetischem Rollenspiel, noch wird es durch eine "traditionelle" Spielleiterrolle unmöglich gemacht.

Aesthetisches Spiel lässt sich gut erklären, wenn man sich eine Trennung zwischen dem Erspielen/Erschaffen der Fiktion und dem Erforschen/Wahrnehmen der Fiktion vorstellt. So als würde jede Spielhandlung ein aktives und passives Element besitzen. Von Interesse ist hier vor allem letzteres und eine solche Rollenspielrunde ist nur dann zufriedenstellend oder begeisternd, wenn die Fiktion bestimmte Eigenschaften aufweisen kann, welche man durch das Spielen wahrnimmt und genießt. Es hängt dabei vom aesthetischen Empfinden (oder einfach Geschmack) der Spielenden ab, welche das sind. Ein erkennbarer Spannungsbogen kann eine solche Eigenschaft sein, oder eine besonders glaubwürdig wirkende Spielwelt. Aber auch Charaktere mit plausiblem und durchdachtem Verhalten können für den aesthetischen Genuss der Rollenspielrunde von hoher Wichtigkeit sein. Letztendlich gibt es so viele mögliche Eigenschaften wie ein jeder Spieler erkennen und benennen kann. Um aesthetisches Spiel zu verstehen, muss man keine erschöpfende Kenntnis dieser möglichen Eigenschaften haben.

Man muss nur wissen, dass die Fiktion sich durch etwas auszeichnen kann und man im aesthetischen Spiel genau das erschaffen und wahrnehmen will..

Interessant ist hier, dass unterschiedliche Vorlieben für die eine oder andere Eigenschaft nicht zu Spannungen am Tisch führen müssen. Je unterschiedlicher die Vorlieben der einzelnen Spieler jedoch sind, desto schwieriger ist es eine Fiktion zu schaffen, die gefällt. Ein Spiel in dem die Fiktion nur eine Eigenschaft besitzen muss, ist einfacher als eines in dem die Fiktion fünf oder sechs Eigenschaften aufweisen muss, um die Spielenden zufrieden zu stellen. Wenn man diesen Punkt noch mit unflexiblen und konsensscheuenden Spielern kombiniert, landet man unweigerlich bei einer Runde, die aufgrund "zu unterschiedlicher Spielstile" nicht gemeinsam spielen kann.

Aber selbst eine eingespielte, traditionelle Gruppe, die mit Begeisterung aesthetisches Spiel betreibt, kann mit manchen Erzählrollenspielen Schwierigkeiten haben. Ein Regelwerk welches darauf ausgelegt ist bestimmte Eigenschaften untrennbar mit dem Spiel zu verbinden, andere vernachlässigt und wieder andere völlig unberührt lässt, kann oft zu unbefriedigenden oder frustrierenden Spielrunden führen. Aesthetisches Spiel lebt vor allem davon, dass man sich sowohl auf die Eigenschaften einlässt, die das Regelwerk zur Fiktion beiträgt, als auch die bevorzugten Eigenschaften der Mitspieler erkennt und Konflikte damit vermeidet.

Montag, November 10, 2008

Vom Tod des Erzählrollenspiels

Angeregt von einem kurzen Plausch mit Tim Struck auf der Spiel in Essen, habe ich mir Gedanken über Erzählrollenspiele gemacht. Tim meinte, dass Erzählrollenspiele (in Deutschland) tot seien. Eine Feststellung, der mir stark überdramatisiert erscheint. Allerdings stimme ich voll und ganz zu, dass der Glanz des Neuen, des Anderen und Innovativen mittlerweile nachgelassen hat. Ein Rollenspiel, das Erzählungen und Beschreibungen nach vorne stellt, lockt niemanden mehr hinter dem Ofen hervor. Mit "weniger würfeln, mehr Rollenspiel" werden nur noch die angelockt, die die Zahl an ihnen bekannten Rollenspielen an einer Hand ablesen können.

Es steht ausser Zweifel, dass Viele wieder in die vertraute Umgebung der traditionellen Rollenspiels mit ihren enzyklopädischen Regelwerken und klaren, griffigen Grundlagen laufen. "Die Spieler kontrollieren die Charaktere, der SL spielt die Welt" und "Würfele, ob deine Aktion gelingt" sind Konzepte, die so ausgiebig beschrieben, umschrieben, erweitert und variiert wurden, dass man sich auch als Neuling schnell und problemlos dazu schlau machen kann. Die Themen sind sicherlich nicht erschöpft, aber man steht auch nicht alleine da, wenn man nicht weiter weiß.

Das ist beim Erzählrollenspiel nicht der Fall. Es fehlt ein lebhafter Diskurs über die Spielweisen und Vorgehensweisen. Es gibt kaum Austausch darüber was man vom Erzählrollenspiel zu erwarten hat, was es bietet und was nicht. Welcher Techniken man sich bedienen kann, sollte oder muss. Oder einfache Erfahrungsberichte, die das Spielerlebnis und nicht das Spielresultat beleuchten. Es scheint beinahe so als ob Erzählrollenspiel lediglich als nicht-traditionelles Rollenspiel abgehakt wird. Als wären diese Rollenspiele nur das was traditionelle Rollenspiele nicht sind.

Das halte ich für einen großen Fehler. Erzählrollenspiele zielen auf ein gänzlich anderes Spielerlebnis ab. Ein Spielerlebnis, welches über die Fiktion erreicht wird, d.h. über die erspielten Ereignisse, die vorgestellten Charaktere und die erforschte Spielwelt. Das Erfreuen an der gemeinsam erschafften Fiktion steht im Vordergrund. Der Genuß, der sich daraus ziehen lässt, dass die Fiktion gefällt, ist ein aesthetischer. Daher nenne ich dieses Spielerlkonzept aesthetisches Spiel.

Man sollte nicht den Fehler machen, aesthetisches Spiel als direkt entgegengesetzt zu dem zu sehen was man in "traditionellen Rollenspielen" betreibt. (In einem vorherigen Blogeintrag habe ich das als divergentes Spiel bezeichnet, ich werde das in einem späteren Eintragt noch etwas ausbauen). Das sind zwei unterschiedliche Dinge, die sich überschneiden können, nicht müssen und eigentlich nichts miteinander zu tun haben. Sie sind unter gewissen Voraussetzungen sehr gut kombinierbar, aber das Spiel gewinnt nichts dadurch, dass man gleichzeitig divergentes als auch aesthetisches Spiel betreibt. Sowohl das eine als auch das andere kann alleine für viel Spielspaß sorgen. Das alles sind Punkte, die beinahe selbstverständlich sein könnten, wenn man so unbefangen über Erzählrollenspiele reden könnte und würde, wie man es über "traditionelle Rollenspiele" tut.

Erzählrollenspiele sind nicht tot, sie haben nur ihre Geburt hinter sich gebracht. Interessant ist jetzt was man mit den Erfahrungen und Ideen, die mit Erzählspielen angekündigt wurden, macht und wie sich das auf Spielgewohnheiten und neue Rollenspiele auswirken wird.

Sonntag, Oktober 19, 2008

Vergessene Künste der Spielleitung

Im Zuge der Wiederentdeckung alter Spiele und alter Spielweisen, fällt auch immer wieder auf dass es einige Seiten des Spielleitens gibt, die zwar wichtig aber in Vergessenheit geraten sind.

Spielweltvorbereitung

Das Vorbereiten von Werteblöcken für NSCs, Gefahren in der Umgebung oder ähnlichen regelbezogenen Inhalten ist eine Aufgabe, die kaum ein SL vergisst oder übersieht. Zu offensichtlich sind die Auswirkungen während des Spiels, wenn diese Werte nicht vorliegen. Aber die Vorbereitung endet nicht nur mit der Errechnung bzw. Bestimmung solcher Werte. Als SL muss man auch die Spielwelt vorbereiten und auch diese Dinge greifbar halten, die sich nicht in Regelbegriffen ausdrücken lassen. Diese Hilfe kommt jedoch nicht primär den Spielern, sondern dem SL zu Gute. Durch die Vorbereitung der Spielwelt, also der Bestimmung von (für das Regelwerk) irrelevanten Details, legt der SL sich die Mittel zurecht an Hand derer er Fragen schnell und spielweltgerecht entscheiden kann. Das bedeutet nicht die Spielwelt in allen ihren Dimensionen in und auswendig zu kennen oder Hunderte oder Tausende Seiten Hintergrundinformationen zu lesen oder gar selbst zu schreiben. Das braucht kein Mensch. Wenn man Spaß daran hat, dann ist natürlich jede Minute damit sinnvoll investiert. Aber wirklich notwendig ist nur ein Bruchteil dieses Aufwands. Nur so viel, wie man braucht um auf die Spieler reagieren zu können ohne sich in den Zufall oder die Beliebigkeit flüchten zu müssen.

freies Sprechen

Obwohl Rollenspiele fast ausschließlich über gesprochene Sprache stattfinden, machen sich kaum SLs Gedanken darüber wie sie sprechen. Noch weniger üben an ihrem Wortschatz, ihren Formulierungen oder auch nur an einer flüssigen und klaren Artikulation. Es fällt mir immer wieder auf wie sehr meine eigenen Spielrunden darunter leiden, wenn ich mich nicht konzentrieren kann und deshalb meine sprachlichen Fähigkeiten darunter leiden. Es ist für den Spielfluß sehr abträglich, wenn man stammelnd nach Worten suchen muss, sich in langen Bandwurmsätzen verliert oder durch seine eigene Sprechweise für Ablenkung sorgt. Schönes und angenehmes Sprechen ist eine Kunst, derer sich mehr SLs wieder annehmen sollten. Die richtigen Worte zur richtigen Zeit zu kennen und diese dann auf verständliche, wenn nicht sogar wohlklingende Weise vorzutragen, trägt weit mehr zu einem guten Rollenspiel bei als regelkonformes Spiel und spannende Gefechte.

souveränes Auftreten

Eine der bedauernswerten Folgen der Benennung bestimmter Vorgehensweisen als "railroading" oder SL-Tyrannei ist die zunehmende Zahl der Spielleiter, die sich aus dem Spiel zurückziehen und einzelne Fragen auf die Spieler zurückwerfen, statt mit der gleichen Selbstverständlichkeit das Spiel zu leiten wie die Spieler ihre Charaktere spielen. Regelauslegungen werden zur Abstimmung frei gegeben, Hintergrundinformationen zu NSCs oder Orten werden an die Wünsche der Spieler angepasst und der Spielfluß wird gemäß der Vorlieben der Spieler gesteuert. An sich sind diese Vorgehensweisen alles andere als schlecht, aber wenn sie dazu führen, dass der SL als Spielteilnehmer kaum noch wahrgenommen wird, läuft etwas verkehrt. Die Spielwelt und die Regeln sind häufig fest mit der Person des SLs verknüpft. Wenn dieser nun wie ein Fähnchen im Wind zu hängen scheint und ohne eigene (von den Spielern unabhängige) Zielsetzung teilnimmt, dann fällt das auch auf die Spielwelt und die Regeln zurück. Das Fundament, das Spielwelt und/oder Regeln liefern, wirkt dann beliebig und belanglos. Jedes Spiel, das darauf aufzubauen versucht, wird als leer und bedeutungslos empfunden.

entspannende Wirkung

Viele Spielleiter vergessen, dass ihnen eine besondere Position am Tisch zukommt. Oft ist ihr Verhalten ausschlaggebend dafür, wie locker oder angespannt das Spiel ablaufen wird. Komplizierte Regelwerke, ernste Inhalte oder komplexe Zusammenhänge benötigen einen Spielleiter, der diese so in das Spiel einbringen kann, dass die Runde weder zu verkopft und verkrampft, noch albern und niveaulos endet. Eine Rollenspielrunde muss Spiel bleiben. Gerade wenn die eigene Rollenspielrunde auch erzählerische Inhalte und Formen jenseits des Kinderfilms aufgreift, ist es die Aufgabe des SLs das Spiel nicht in verkrampftes Entrüstungskaraoke oder Betroffenheitsmeditation abgleiten zu lassen. (Dass die gezielte Reduzierung von allem und jedem auf dümmliche Karikaturen oder plumpe Schock- oder Ekelmomente, das Spiel nach unten zieht und ein SL deshalb auch auf eine gewisse Form der Ernsthaftigkeit pochen muss, scheint hingegen kaum jemand vergessen zu haben.) Eine entspannte und gelassene Herangehensweise an die Rollenspielrunde ist ein großer Gewinn für jede Gruppe.

Realismus & Drama

Es ist in vielen Kreisen üblich von einem SL zu fordern, die Spielwelt nach einem einzelnen Prinzip zu leiten. Die einen preisen den Realismus, die anderen das Drama. Einige besonders Spitzfindige versuchen über den Begriff Plausibilität die Unterschiede zwischen den beiden zu nivellieren. Dabei ist die Unterscheidung an sich sehr sinnvoll. Lediglich das dogmatische Klammern an einen Standpunkt und das Verachten der jeweils anderen Idee ist eine Unsitte, die immer stärker um sich greift. Realismus ohne Drama ist langweilig. Aufnahmen von Überwachungskameras sind schrecklich öde, es sei denn sie liefern einen Einblick in etwas Drama oder gar in eine kleine Geschichte. Aber Drama ohne Realismus ist hohl. Eine Spielwelt, die allein nach dramaturgischen Prinzipien funktioniert, ist in etwa so interessant und ansprechend wie eine Folge Tom & Jerry oder die Star Wars Prequels. Einen guten SL erkennt man daran, dass er sich beider Prinzipien zu bedienen weiß und so die richtige Mischung aus Bodenständigkeit und Erzähllogik trifft.

Mittwoch, Oktober 01, 2008

Zusatz zur Goldenen Regel

Wenn man die Goldene Regel versteht als: "Wenn irgendeine Regel dem Spielspaß im Weg steht, dann ignoriere sie."

Dann sollte auch gelten:
"Wenn du den Zweck irgendeiner Regel nicht durchschaust, dann ignoriere sie."

In letzter Zeit festigt sich bei mir der Eindruck, dass ein Rollenspiel egal wie komplex oder klassisch es ist, nur dann wirklich reibungslos verläuft, wenn die Teilnehmer wissen was sie tun. Insbesondere einige der durchaus ausgeklügelten und cleveren Spieldesign-kniffe kommen erst dann zum tragen, wenn die Spielgruppe sich der Dinge bewusst ist, die dort aufgegriffen werden.

Ich erinnere mich zum Beispiel an Primetime Adventures Spielrunden auf Conventions, die nur sehr schwer in Gang kamen, weil zu viele Spieler am Tisch nicht auf Anhieb Spannung und Dramatik als plot-treibendes Element (im Gegensatz zu Einzelhandlungen deren Gelingen durch Würfel bestimmt wird) verstanden haben. Der große Aha-effekt kam dann erst gegen Ende der Spielrunde, nachdem man sich mit leichter Verwirrung durch das zähe Spiel geschleppt hatte. Ähnliches gab es auch bei Dogs in the Vineyard, in dem die Vorstellung als Spieler ein Urteil über die Geschehnisse des Abenteuers zu fällen und anschließend ein Urteil zu wählen, dass für den Charakter einen Sinn ergeben würde, dermassen fremd war, dass es zwar zu stetiger Eskalation aber zu keiner Auflösung kam. Die Spieler, die jedoch mit dieser Urteilshandlung auf Spielerebene und danach auf Charakterebene zurecht kamen, trieben das Spiel anschließend mit Schmackes vorwärts.

In beiden Fällen wäre die Spielrunde flüssiger und auch einfacher verlaufen, wenn ich einige Regeln ausgelassen hätte und an diesen Stellen auf offenes Erzählen ausgewichen wäre, statt auf eine praktische Anwendung von Regeln zu bestehen, deren Zweck sich den Spielern in dem Moment noch nicht erschloss. Dieses Zurückfallen auf schlichtes Erzählen ist ein sehr gutes und nützliches Hilfsmittel um sich gerade ungewöhnlichen oder auch nur sehr komplexen Rollenspielen zu nähern und vielleicht beim nächsten Mal schon sicher im Griff zu haben.

Samstag, September 27, 2008

Manche Rollenspiele spielt man anders

Jeder kennt die Grundpfeiler des so genannten klassischen Rollenspiel: "Die Spieler spielen ihre Charaktere. Der SL kontrolliert die Welt. Wenn ein Charakter etwas tun will, wird gewürfelt um zu sehen ob es gelingt."

Das sind die Grundpfeiler von D&D und damit auch die Grundpfeiler des klassischen Rollenspiels. Nun muss man bedenken, dass D&D aus dem Umfeld des Wargamings entstanden ist, welches einen weiteren impliziten Grundpfeiler mit sich brachte: "Wenn alle am Tisch das Gleiche wollen, gibt es kein Spiel." Bei D&D wurde dieser Gedanke mit der Trennung von SL/Welt und Spieler/Charakter übernommen. Die Spielwelt (und damit auch der SL) würde niemals in Gefahr geraten das selbe Ziel wie die Charaktere zu verfolgen. Eine Spielwelt hat schließlich kein Ziel. Diese fehlende Angleichung zwischen den Spielzielen verleiht dem klassischen Rollenspiel seine Dynamik und seine Energie. Im klassischen Rollenspiel spielt der SL seine Welt nicht gegen die Charaktere; er spielt sie ihnen aber auch ausdrücklich nicht in die Hände. Nur so entsteht das Spannungsverhältnis in dem ein Sieg der Charaktere wirklich erkämpft und verdient ist.
Wenn man sich das vor Augen hält, wird auch deutlich warum manche Regelkonzepte oder SL-Techniken überzeugten "old school" Spielleitern zuwider sind.

Es ist aber nunmal so, dass es neben diesen klassischen Spielleitern auch immer eine Spielweise gab, welche genau dieses Spannungsverhältnis aufzuheben suchte, da es dieser "anderen" Spielweise direkt entgegenwirkte. Hier spielte man nicht um mit seinem Charakter einer Welt einen Erfolg abzuringen, die kein Deut an einem interessiert ist. Stattdessen setzt der spielerische Akt vorher an und zwar bei der gemeinsamen Erschaffung der Spielwelt bzw. Spielebene. Damit sei alles gemeint was man sich im Rahmen des Rollenspiels vorstellt. Angefangen mit den Charakteren, ihren Persönlichkeiten, ihren Geschichten, den sozialen Verhältnissen in denen sie leben, die Dinge die sie tun, usw, usf. Es gibt kein Ende an Dingen, um die man die gemeinsame Vorstellung erweitern könnte. Die Grenzen setzt allein die eigene Phantasie. Das Spiel besteht darin diese Dinge untereinander zu vermitteln, sie zu entwickeln und im Konsens die Vorstellungswelt zu erweitern. Der Spielspaß bzw. Spielgenuss ist jedoch keine Folge dieser kooperativen Interaktion, sondern ergibt sich daraus ob die gemeinsam erschaffene Spielwelt den aesthetischen Ansprüchen der Spielenden nahe kommt. Einfach gesagt: ist das was wir uns erspielt haben "gut"? Selbstverständlich sind diese Maßstäbe von Gruppe zu Gruppe (zum Teil radikal) und von Spieler (meist nur geringfügig) verschieden. Die eine Gruppe misst das womöglich daran ob die erspielten Ereignisse einer typischen Geschichte eines bestimmten Genres entsprechen. Eine andere wünscht sich ähnliche emotionale Reaktionen wie beim Lesen eines Buchs oder eines Films. Wieder anderen ist das Interagieren mit einer möglichst detaillierten und damit glaubwürdigen Spielwelt wichtig. Je nachdem welche Dinge die Gruppe gemeinsam erschafft, können andere Maßstäbe gelten und angelegt werden.

Verblüffend ist daran eigentlich nur, dass es nicht wenige Leute gibt, die dermassen fest in einem der zwei Lager stecken, dass sie nicht in der Lage sind sich die jeweils andere Spielweise auch nur vorzustellen. Spieler, die schlicht und ergreifend nicht anders können, als ausschließlich in Begriffen von Konfrontation und Sieg/Niederlage zu denken. Der Gegenpart dazu findet sich bei Leuten wieder, die Schwierigkeiten damit haben einen gemeinsamen Zeitvertreib mit den Ansprüchen typischer Spielkonzepte ("Nur einer kann gewinnen.") zu vereinbaren. Aus naheliegenden Gründen hören viele dieser Leute mit Brettspielen oder (klassischen) Rollenspielen nach einer Weile auf. Ich vermute es ist auch diese oft übersehene Gruppe der Spielenden, die The Sims zum meistverkauften Spiel aller Zeiten machen oder die stille Masse bei WoW sind, welche die meiste Zeit damit zubringen rumzulaufen, fremde Charakere anzuquatschen und an Gilden und Raids wenig Interesse haben.

Dieses Spielverständnis ist bei weitem kein neues Phänomen. So wird nicht erst gespielt seit dem "Forge-spiel" ein im Internet geläufiger Begriff ist. Sowohl Vampire als auch Call of Cthulhu waren vor allem deshalb so weit verbreitet, weil genau diese Neigung zum gemeinsamen Erschaffen und Genießen angesprochen wurde. Selbst unter den old school D&D-Spielern stand für viele (wenn nicht sogar die meisten) die Erforschung und Vorstellung im Vordergrund und nicht das Hin und Her, das im Konfrontationsspiel ausschlaggebend ist. Auch sind die Re-interpretation von OD&D in Deutschland (d.h. Das Schwarze Auge) und die Richtungsänderung, die Cthulhu im deutschen Markt durchlief, so recht einfach zu erklären. Es ist der (nicht immer völlig geglückte) Versuch diesen "anderen" Spielansatz zu unterstützen.

Unter diesem Vorzeichen sind auch viele Spiele zu verstehen, in denen die klassische SL-Rolle aufgebrochen wird. Spiele, bei denen mit verteilten Erzählrechten gearbeitet wird oder in denen ein Spielelement nur so wirksam ist, wie es die Spielenden/Schaffenden für wichtig oder formgebend empfinden. Denn in einem solchen Spiel dienen die Regeln nicht dem Formen eines Spannungsverhältnisses zwischen den Spielenden. Es geht in solchen Spielen nicht um die Verknappung wichtiger Spielressourcen oder das Ringen um einen Spielgegenstand. Stattdessen werden die Regeln angewandt um die gemeinsame Vorstellung, die Spielwelt so zu formen und zu verändern, dass sie gefällt; dass sie gut genug ist.

Das ist ein nicht zu unterschätzender Punkt in dieser Herangehensweise. Der Spielgenuss bzw. der Spielspaß ist eng damit verknüpft wie streng die eigenen Maßstäbe angesetzt werden, die man an die erspielte Vorstellungswelt hegt. So wie im "klassischen Rollenspiel" geschenkte oder erschummelte Siege wenig Spaß bereiten, trübt es den Spielspaß merklich wenn man es mit der Qualität der Spielrunde (gemessen an dem was die Spieler eben in der Spielwelt für wichtig halten) nicht ganz so ernst nimmt.

(Am Rande: die Begriffe "klassisches Rollenspiel" und "anderes Rollenspiel" sind natürlich beim genaueren Hinschauen eher sinn-verfälschend und ich habe sie nur der Lesbarkeit wegen übernommen. Ich halte Bezeichnungen wie "divergentes Spiel" und "aesthetisches Spiel" für treffender.)

Dienstag, September 23, 2008

D&D4: Erfahrungen eines Spielleiters

Am Wochenende hatte ich die Gelegenheit D&D4 für eine vollkommen neue Gruppe zu leiten. Eine Spielvorstellung die vom Nexus e.V. organisiert wurde.

Die Spieler kannten sich untereinander nicht. So war es auch unvermeidbar, dass die Hälfte der Gruppe zu Beginn der "Ich schtups es an und schau was passiert"-Schule des Rollenspiels folgte, was das Spiel zwar voranbrachte, aber aufgrund der wohlüberlegten Handlungsweise der Charaktere, nicht so flott und schnell voranging wie ich es sonst gewohnt bin.

Mir fiel auf, dass ich die Kämpfe bei D&D4 merklich anders leiten muss als ich es von anderen Spielen (vor allem WFRP) gewohnt bin. Die Kämpfe sind stärker und fester strukturiert. Dies liegt vor allem daran, dass die Powers und ähnliches darauf angelegt sind im koordinierten Zusammenspiel zwischen den Charakteren angewandt zu werden. Etwas was gegen Ende der Spielrunde, als sich die Spieler stärker an die Gruppe und ihre Charaktere gewöhnt hatten, den Spielern deutlich wurde. Das bedeutet leider auch, dass man als SL sehr sicher in seinem Verständnis der Regelkonzepte sein muss, um die Kampfregeln fair, flüssig und fiktionsfördernd auf das Spiel anzuwenden. Die Richtlinien für einen guten Kampf (Teil 1, Teil 2 und Teil 3), lassen sich bei D&D4 nicht allein über die Fiktion ausüben. Wer sich als D&D4 SL nicht diese nötigen Regelkompetenzen erarbeitet hat, der wird – wie ich – einen eher kahlen und trockenen Kampf spielen. Ich war es recht schnell leid, die unterschiedlichen Saves, NSC-Angriffe und ähnliches nachzuschlagen und habe dann lieber eine vereinfachte Version genommen. Damit erschließt sich einem natürlich nicht der gesamte Facettenreichtum der durchaus komplexen Kampfregeln, aber ich konnte so zumindest zeitraubende Blättereien verkürzen.

Aber das Herzstück von D&D ist seit jeher alles was außerhalb des Kampfes passiert. Das gerade hier 4E mit den Skill Challenges anscheinend Regelballast einbringt, hat für so einige erhitzte Gemüter gesorgt. Im tatsächlichen Spiel hingegen entpuppen sich die Skill Challenges als etwas was zu 80% der Spielvorbereitung des Sls dient und die rollenspielerische Interaktion sehr dezent einrahmt. Die Skill Challenge in Kombination mit den Treasure Parcels entpuppte sich als sehr flexible und hilfreiche Ressource um die Situation regelsicher und flüssig ablaufen zu lassen.

Es wäre eine Überlegung wert, eine Liste der Regeln zu erstellen, die man während der ersten paar Spielrunden D&D4 ausblenden sollte, um sich in das neue Spiel erstmal einzufinden. Es gibt so einige Regelkniffe, die mit Sicherheit auf höheren Levels und in hoch komplexen Kämpfen eine Rolle spielen, aber die zu Beginn eher unnötiger Ballast sind. Die unterschiedlichen Arten an Würfelboni etwa oder die genaue Trennung zwischen Shift und Movement, wenn man auf weiten und offenen Gelände kämpft.

Sonntag, September 14, 2008

D&D4: Nur die Regeln funktioniert nicht

Es ist ein faszinierendes Phänomen, dass viele Leute neue oder irgendwie andersartige Rollenspiele als zu regellastig oder immersionsbrechend wahrnehmen. Von einigen wird dieser Vorwurf auch umgehend mit „das ist gar kein richtiges Rollenspiel mehr“ gepaart. Aber ist das wirklich so? Ich denke, dass beim ersten Zusammentreffen zwischen Rollenspielern mit einer eigenen Spieltradition und Rollenspielen, die diese Traditionen an einzelnen Punkten gezielt aufbrechen etwas sehr bemerkenswertes passiert.

Bisher habe ich solche Situationen immer in eine von zwei Varianten ausspielen gesehen, wenn ein neues, abgefahrenes Rollenspiel eine Regel oder ein Regelkonzept beinhaltet, dass nicht dem entspricht was die Gruppe bereits kennt.

Variante 1: Das neue Konzept wird nahtlos in den bekannten Spielverlauf eingefügt. Die bekannte und übliche Spieltradition der Gruppe wird leicht verändert. Das Spielerlebnis ist merklich anders und erfrischend, aber weist all die gleichen Merkmale einer typischen Spielrunde auf. Das Spiel ist gleich, der Weg ist nur ein anderer. Diese Variante tritt häufig bei Gruppen oder Spielern auf, die die Funktionsweise des ersetzten Regelkonzepts verstehen. Wenn die Gruppe also weiß warum sie das Aussehen ihrer Charaktere selbst bestimmt sollten, dann kann man diese Dinge auch mal zufällig bestimmen oder von seinen Mitspielern. Wenn die Gruppe also weiß warum sie Details oder „Color“ beschreiben soll, dann kann sie auch gut damit umgehen wenn diese Color nicht von ihnen kommt, sondern zufällig ermittelt oder irgendwie vorgegeben wird.

Variante 2:
Sobald man auf eine andersartige oder fremde Regel trifft, bricht man sofort mit sämtlichen Annahmen über eine Rollenspielrunde und betrachtet das neue Regelwerk als wäre es ein in sich geschlossenes Spiel, welches selbsterklärend und aus sich selbst heraus spielbar ist. Anders gesagt, man reduziert seine eigene Beteiligung am Spiel allein auf die Interaktion mit den Regeln, statt sich der Freiräume zu bemächtigen, welche durch diese anderen Regeln entstehen. Das bekannteste Beispiel dafür sind Rollenspielrunden in denen „traditionelle“ Rollenspieler zum ersten Mal mit verteilten Erzählrechten spielen. Statt sich an die Dinge zu halten, die man sonst von Beschreibungen des SLs erwarten würde (z.B. realistisch, stimmungsvoll, Informationen liefernd und sich nahtlos in das Geschehen einfügen, etc.) kommt es manchmal zu den absurdesten, irrsinnigsten und alles andere als spielfördernden Aktionen. Allein der Regeltext selbst wird als verbindlich akzeptiert.

Aber diese Variante kann sich auch anders äußern. So kann diese völlige Reduzierung des Spiels auf die Regeln auch dazu führen, dass die Spielrunde trocken und farblos wird und nur noch ein abstraktes Würfelspiel übrig zu bleiben scheint. So geschehen in meiner ersten Poison'd-runde in der wir den Fehler gemacht hatten, der Fiktion nicht die Aufmerksamkeit zu geben, die wir ihr vermutlich in jedem anderen Spiel gegeben hätten. Die Folge war, dass das Spiel praktisch in sich zusammenbrach. Die Regelanwendungen ergaben keinen Sinn, die Fiktion wirkte zerfahren und zusammenhangslos. Die Charaktere liessen sich nicht mehr vernünftig spielen. Alles nur, weil wir das Spiel nicht wie ein Rollenspiel gespielt haben, sondern wie einen abstrakten Regelkreislauf, den wir zu durchlaufen hatten. Eine Herangehensweise, die bei Siedler von Catan oder ähnlichen „german boardgames“ durchaus angemessen gewesen wäre.

Meine Vermutung ist, dass es so einige Spielrunden gibt, die mit D&D4 ähnlich verfahren sind. Während Poison'd jedoch ohne die Fiktion praktisch unspielbar wird, ist D&D4 so geschrieben und womöglich auch entworfen, dass es auch dann noch spielbar ist, wenn man nur die Regeln durchläuft und nichts zur Fiktion beiträgt. Das Spiel ist dann zwar kahl und uninspiriert, aber wird dadurch nicht nennenswert gebremst oder gerät ins Stocken. Paradoxerweise ist genau dass der Grund für viele Vorwürfe gegenüber D&D4. Es lässt sich spielen ohne dass man gezwungen wird sich mit der Fiktion auseinander zu setzen. Während bei 3.x der Regelgebrauch nahezu identisch war mit einer Auseinandersetzung mit der Fiktion und man so als Spieler gar nicht anders konnte, als die beiden in Kombination zu benutzen; lässt D&D4 einem die freie Wahl wie und wie stark man die Fiktion mit den Regeln verknüpfen will. Der Irrtum der von diesen Kritikern begangen wird (sowohl von den „klassischen Rollenspielern“ wie auch den neugierigen „new school“-Spielern) ist, die durch die Regeln erzwungene Qualität der Fiktion gleichzusetzen mit der angestrebten und beabsichtigtem Qualität der Fiktion. Nur weil die Regeln einen nicht dazu zwingen mit der Fiktion zu spielen, heißt das noch lange nicht dass man es weder soll, darf oder kann.

Im Gegenteil, es ist eine der Stärken von D&D4, dass man nur noch so stark in die Charakterebene und den Spielwelthintergrund eintauchen muss wie es gefällt, um das Spiel zu spielen.

Donnerstag, September 11, 2008

Poison'd - ein verdammt gutes Piratenrollenspiel

Poison'd ist ein Rollenspiel bei dem die Spieler Piraten an Bord der schicksalhaften "The Dagger" unter dem Kommando von Capt. Brimstone Jack spielen. Zu Beginn des Spiels wurde der Kapitän von seinem Koch verraten und ermordet; ein Schiff der königlichen Marine ist unterwegs um der Crew im Kampf zu begegnen und das Schiff ist sowohl vom letzten Kampf angeschlagen als auch, aufgrund der verräterischen Aktionen des Koches Tom Reed, ohne Proviant. Was vielleicht nach einem sehr eintönigen Mini-szenario klingt, ist ein sehr cleveres und sorgfältig geschriebenes Rollenspiel. Immer wieder hört man von Rollenspielern, dass sie gerne mehr Charakterrollenspiel betreiben, immersiver spielen wollen und möglichst wenig metagaming suchen. Poison'd ist das perfekte Spiel um bei diesen Sätzen die Spreu vom Weizen zu trennen.

Kein anderes Spiel (mit Ausnahme vielleicht von OD&D) ist so stark in der Charakterebene verankert und gibt einem dabei so viele Werkzeuge in die Hand, um ein konkretes und greifbares Spiel zu bilden. Das ist insbesondere deshalb bemerkenswert, da das Spielelement weiterhin direkt in die Charakterebene mündet und so unweigerlich einen Schwerpunkt auf Charakterisierung, Storyentwicklung und Plot legt. Das beginnt bereits bei den Charakteren, welche ihre Eigenschaften/Attribute direkt aus ihrer Hintergrundgeschichte ableiten. An Hand der Ziele, die der Pirat verfolgt; der Sünden, die er begangen hat und der Dinge, die er erleiden musste ermitteln sich die maßgeblichen Eigenschaften des Charakters. Aufgrund seines Auftretens und Aussehens leitet sich seine Kampfbereitschaft ab.

Während des Spiels treten diese Eigenschaften immer in Gegensatzpaaren auf, und werden gewürfelt um zu ermitteln ob der Pirat seine Handlung ausführt bzw. ob sie ihm einen Vorteil verschafft. Gerade dieser Punkt ist der vielleicht kontroverseste des Designs; schließlich muss der Spieler hier die oft als selbstverständlich geltende Entscheidungfreiheit über die Handlungen seiner Figur aufs Spiel setzen. So kann es schon mal vorkommen, dass der eigene Charakter sich nicht dazu bringen kann das zu tun was der Spieler entschieden hat, weil der Würfelwurf so gänzlich in die Hose ging. Oder dass der Charakter zwar tut, was der Spieler entschieden hat, aber es ihm überhaupt keinen Vorteil bringt und ihn stattdessen sogar in einen Kampf befördert. Immer wieder hat der Spieler mit den guten bzw. schlechten Seiten des Charakters zu ringen, um die Ziele umzusetzen, die er sich zu Beginn des Spiels gesetzt hat.

Aber auch auf Spielleiterseite muss man mit einigen unerwarteten Änderungen rechnen. Zum einen gibt es so gut wie keine Form der Abenteuervorbereitung. Alles passiert aus dem Moment heraus und sämtliche NSCs, Situationen und Hindernisse, die sich den Piraten in den Weg stellen, werden während des Spiels entwickelt. Auch hier greift der direkte Bezug auf der Charakterebene wieder ein. So werden die Spielwerte von gegnerischen Schiffen, Figuren oder Festungen angepasst je nachdem ob sie besonders bedrohlich sind, mit vielen Waffen ausgestattet oder etwa unterbesetzt und verzweifelt. Ein kurzes Einschätzen der Situation, ein paar Überlegungen was den Hintergrund angeht und schon ist das nächste Spielelement entwickelt. Die Geschwindigkeit mit der man hier die Welt und das Abenteuer entwickelt ist famos. All das setzt natürlich voraus, dass man als SL schnell und souverän diese Dinge aus der Charakterebene bauen kann. Ich muss zugeben, dass ich die ersten zwei Male auf dem kalten Fuss erwischt wurde und ich erst wieder hinein kommen musste in ein Rollenspiel, das so wenig auf der abstrakten Regelebene abhandelt.

Aber die eigentliche Glanzleistung ist die Art und Weise, wie die Charaktere unweigerlich die treibende und formende Kraft des Spiels sind. Der gesamte Plot, die gesamte Story entwickelt sich daraus welche Ziele die rauhbeinigen Schurken verfolgen; wie sie mit den Gefahren auf hoher See (auf sie kann von Stürmen, Wahnsinn, Krankheit und Meuterei alles auf sie lauern) und den Verlockungen an Land (Spione des Königs, ein ungestümes Lotterleben und sogar der Teufel selbst versuchen sie von ihrem Weg abzubringen) fertig werden. Wenn die Piraten sich nicht vorher in den Rücken fallen. All diese Dinge sind elegant durch die Regeln abgedeckt und laden das Spiel atmosphärisch stark auf.

Wäre dies ein 400 Seitenklopper mit endlosen Tabellen, Werten und Kampfoptionen, dann würde ich es nur begrenzt weiterempfehlen. Aber Poison'd ist ein Spiel, dass so knackig, spieltreibend und mitreißend ist wie kein zweites. Und für 7$ kann man sich per Paypal ein Rollenspiel zulegen, dass jedem Rollenspieler die Freudestränen in die Augen treiben wird, der sich beim Rollenspiel vor allem für die Charaktere, die Story oder die Atmosphäre interessiert.

(NACHTRAG: Zu haben ist das Spiel übrigens hier. Allerdings sind die Informationen zum Spiel auf der Seite mehr als dürftig.)

Montag, August 18, 2008

Bollywood RPG - Spieltestfassung online

Es ist vollbracht. Die erste Spieltestfassung ist nun online. Bollywood RPG ist ein Rollenspiel, in dem es um Bollywoodmusicals geht und das das Ziel hat, den Spaß und Energie eines solchen Films in ein Rollenspiel zu verfrachten.

Die Spieltestfassung ist noch sehr rudimentär. Die Beschreibungen sind grob und die Erklärungen knapp. Daher würde ich mich über jede Frage, Kommentar und Leseeindruck freuen. Zur Zeit gibt es die Datei nur als yudu dokument. Falls jemand andere oder bessere Möglichkeiten kennt um eine PDF-Datei schnell und einfach öffentlich zugänglich zu machen, dann sagt Bescheid.

Der Link zu der PDF-Datei ist in den Kommentaren zu finden.

Samstag, August 16, 2008

Rollenspielblogs: Die Sammlung

Karsten gebührt großes Lob und Anerkennung dafür eine Seite eingerichtet zu haben, die sich ausschließlich mit deutschen Rollenspielblogs beschäftigt und diese überschaubar darstellt.

Ich freue mich nun ebenfalls auf rsp-blogs.de gelistet zu sein.

Dienstag, August 12, 2008

Ankündigung

Die Odyssee hat nicht nur altbekannte und unbekannte Gesichter zusammengebracht. Es ist auch die Geburtsstunde eines noch nie dagewesenen Rollenspiels gewesen.

Bollywood - Das RPG (Arbeitstitel)

In einigen Tagen lässt sich hier das erste Playtest-Dokument herunterladen. Ja, es ist wirklich wahr. Bald werdet auch ihr ShahRukh Khan sein können.

Freitag, August 08, 2008

The Art of Fighting 3 - jetzt erst recht

Im letzten Teil der Art of Fighting Reihe will ich Richtlinien und Herangehensweisen anschauen, die sowohl für Spieler als auch Spielleiter von Interesse sind.

1) Was würden die Charaktere sagen?

Gerade in Kämpfen neigen viele Rollenspieler dazu ihren Charakter nicht mehr als erdachte Figur mit Fähigkeiten und Verhaltensweisen anzusehen, die sich von den eigenen unterscheiden. Im Kampf ist der Charakter nur noch eine Ansammlung von Werten, welche es geschickt zu benutzen gilt. Es kann das Rollenspiel im Kampf um einiges dichter und interessanter gestalten, wenn man die Charakterzüge, die man außerhalb des Kampfes so gerne ausspielt auch im Kampf einzubinden versucht. Ein mutiger und ehrenhafter Charakter würde sich in einem Kampf nicht zu unlauteren Mitteln oder defensivem Taktiken greifen, wenn es auch anders ginge. Sobald man beginnt den Charakterzügen auch im Kampf Rechnung zu tragen, kann man Kämpfe auch für Charakterspiel nutzen. Ein ängstlicher oder egoistischer Charakter kann im Kampf plötzlich zum selbstlosem Teamspieler werden, der sich für andere in die Bresche wirft.

Aber wenn sonst niemand sich um die Einhaltung des Charakters kümmert, dann ist so etwas natürlich vollkommen vergeudet und in manchen Fällen sogar spielstörend. Man sollte deshalb vorher klären ob die Persönlichkeit im Kampf eine Rolle spielt oder nicht.

2) Der beste Qualitätsmesser ist deine eigene Begeisterung


Es kommt immer wieder vor, dass das Spiel stockt, weil Unsicherheit darüber herrscht, ob eine bestimmte Handlungsweise ''richtig'' ist. Oder weil man sich Sorgen macht, dass etwas vielleicht nicht passt oder später zu Widersprüchen führt. Natürlich ist es immer von Vorteil dem Rollenspiel nicht vollkommen gleichgültig gegenüber zu treten. Ein klein wenig Sorgfalt und Weitsicht können einen großen Unterschied machen. Dabei sollte aber niemals aus den Augen verlieren, dass man keinem anderen Maßstab gerecht werden als dem eigenen. Eine realistische Spielwelt, glaubwürdige Charaktere oder nachvollziehbare Ereignisse sind zwar unverzichtbarer Grundbaustein einer jeden guten Spielrunde, aber werden nicht von irgendwelchen Experten oder Spielautoren festgelegt. Es sind die Leute am Spieltisch, die die höchste und einzige Authorität darin sind was realistisch, glaubwürdig oder nachvollziehbar in ihrer Spielrunde ist. Denn letzten Endes geht es ja allein darum, dass die Integrität der Spielwelt gewahrt bleibt und jeder Lust und Spaß daran hat sich diese Welt vorzustellen und in ihr zu spielen.

Deshalb sind Fragen des Realismus, des Dramas oder Glaubwürdigkeit immer nur Ausdruck einer grundlegenderen Frage: was macht eine Spielwelt aus in der und mit der ich spielen will? Genau darauf kann niemand eine Antwort finden, außer der Spieler selbst. Das Verhalten eines Charakters, die Auswirkungen einer Handlung oder Angemessenheit einer Situation lässt sich nur daran erkennen, ob die Spielwelt dadurch spielenswerter gemacht wurde. Solange etwas die Begeisterung für die Spielwelt entfacht oder aufrechterhält, ist es "richtig".

3) Die vergessene Kunst der Umschreibung

Es ist kein Zufall, dass die frühen Dungeons & Dragons Regelwerke mit einer überschäumenden Prosa und einem obskuren Wortschatz auffuhren. Die SprachGewandtheit des Spielleiters und der Spieler ist ein formgebender Bestandteil einer guten Rollenspielrunde. Ein Rollenspiel spielt sich nicht durch Figuren, Karten oder Würfel, sondern vor allem durch Worten. Es sind die Beschreibungen, die eine Welt entstehen lassen und die die Charaktere zu Helden, Tölpel oder Abenteuerer machen. Wer einem NSC nur eine wahllos und lieblos dahin gesagte Beschreibung verpasst, dessen Spieler werden mit dem NSC genauso sorgfältig umgehen. Ein Charakter dessen Taten nur in Regelbegriffen erklärt werden oder der außer small-talk Dialogen nicht in Erscheinung tritt, wird auch vom Rest der Gruppe nicht wahrgenommen. Etwas ist erst für das Rollenspiel wichtig, wenn man es sich gemeinsam vorstellt. Aber das geht nur wenn man es den anderen mitteilt. Wer seine Vorstellung der Situation nicht an Hand seines Charakters (bzw. der Spielwelt wenn vom SL die Rede ist) mit den anderen am Tisch teilt, der braucht gar kein Rollenspiel zu spielen. Ohne ein Austauschen über die gemeinsam vorgestellte Spielsituation fehlt jedem Rollenspiel der Kern.

Deshalb reicht es nicht viel zu beschreiben oder möglichst lange Dialoge zu führen. Eine Beschreibung ist wie ein Absatz in einem Buch. Unwichtiges und Langweiliges gehört gekürzt. Alles was man beschreibt muss entweder informieren oder unterhalten. Im Idealfall tut es beides und bringt so jemand anderen am Tisch auf eine tolle Idee was als nächstes passiert.

Dienstag, Juli 29, 2008

The Art of Fighting 2: Electric Boogaloo

Im ersten Teil meiner Art of Fighting-Reihe habe ich mich vor allem damit beschäftigt, wie man als Spieler einen Rollenspielkampf hochwertig aufbereiten kann. Doch auch für den SL gibt es einige Richtlinien mit deren Hilfe aus einem Kampf mehr als eine reine Regelanwendungsübung wird.

1) Weniger ist in Wirklichkeit mehr

Gerade wenn man Hilfsmittel wie Karten und Figuren beim Spielen zu Hilfe nimmt, vergisst man schnell dass die Vorstellungskraft und nicht die Regeln oder Utensilien das Spiel formen. Schließlich verwandelt sich ein unterirdischer Höhlenkomplex nicht plötzlich in einen eigenschaftslosen Raum mit senkrechten Wänden und ebenen Böden, nur weil man auf der Karte diese Dinge nicht verzeichnet hat. Die Dinge auf dem Tisch sind immer nur ein Bruchteil dessen, was die Charaktere vor sich haben. Als SL sollte man das immer wieder aufgreifen und nutzen. Höhenunterschiede sind dabei die einfachste und offensichtlichste Erweiterung. Charaktere auf abschüssigen Flächen oder Vertiefungen können den Kampf um einiges dynamischer gestalten. Vorausgesetzt, dass sie für mehr als nur einen kurzfristigen Bonus genutzt werden. Statt einem kahlen, eigenschaftslosen Raum könnten sich die Abenteurer in einem von der Zeit gezeichneten Ort wiederfinden in dem Wände, Decke und Boden zum Beispiel Risse, Löcher oder ausgeprägte Vertiefungen aufweisen. Diese Dinge können und sollten sich auf den Kampf auswirken und sich dafür anbieten von den Spielern genutzt zu werden.

2) Alles bewegt sich, alles verändert sich

Kämpfe sind häufig dann eine langweilige Angelegenheit, wenn sie über einen längeren Zeitraum hin statisch und unverändert bleiben. Wenn eine Runde nach der anderen nur daraus besteht, dass man ewig gleiche Würfe wiederholt ohne irgend eine nennenswerte Veränderung zu bewirken, dann langweilt das. Darum sollte man sich unbedingt von der Vorstellung lösen, dass nur ein erfolgreicher Würfelwurf eine Veränderung der Spielsituation nach sich ziehen kann. Die Situation verändert sich immer dann, wenn etwas passiert was augenscheinlich Einfluß auf die Situation hat. Aber dass muss kein erfolgreicher Angriff oder Einsatz einer Fertigkeit sein. Ein Würfelwurf entscheidet nicht ob man die Situation beeinflusst, sondern ob man das erreicht, was man sich vorgenommen hat. Die Auswirkungen auf die Spielsituation wird in den meisten Fällen vom SL abgeschätzt und umgesetzt. Diese Aufgabe sollte man als SL nicht aus den Augen verlieren und schon gar nicht auf Würfelergebnisse abwälzen.

Es ist lediglich eine Frage der persönlichen Vorliebe ob man nun jede Aktion mit deutlichen Konsequenzen versieht und so einen ungestümen und wilden Kampf erspielt oder sehr sorgsam Veränderungen eintreten lässt um einen sehr authentischen oder realistischen Kampfverlauf zu erzielen.

3) Behalte das letzte Wort, gib den anderen das Erste.


In einem Rollenspielkampf ist es fast immer so, dass der SL die NSCs lenkt, die sich den Charakteren der Spieler in den Weg stellen oder ihnen nach dem Leben trachten. Der SL füllt in diesen Situationen die Rolle des Gegners. Oft kann das aber auch dazu führen, dass sich dieses Gegeneinander auf andere Bereiche des Spiels auswirkt - zum Beispiel wenn es um Beschreibungen und Umschreibungen geht. Aber gerade das Rollenspiel lebt von solchen Dingen und wenn nur einer am Tisch Inhalte einbringt, geht sehr viel verloren. Deshalb ist es wichtig auch bei den Beschreibungen der Spielwelt die Ideen und Erklärungen der Spieler einzubinden. Dabei muss man selbst entscheiden, ob man die Spieler wichtige Dinge frei erzählen lässt und mit der eigenen Beschreibung ihrem Vorgaben folgt oder ob man den Spielern konkrete Vorgaben gibt aus denen sie dann Einzelheiten ableiten können. Beides sind eher Extrembeispiele und die meisten Gruppen sind mit einem gesunden Mittelweg (d.h. einem ausgeglichenen Geben und Nehmen) am Besten beraten.

Wenn man diesen Mittelweg wählt, sollte man aber auch nicht vergessen, dass man als SL verpflichtet ist für eine in sich schlüssige und nachvollziehbare Spielwelt zu sorgen. Das heißt manchmal die Idee eines Spielers verändern oder sogar ablehnen, wenn sie partout nicht mit der Spielwelt vereinbar ist. Hier muss man sowohl als Vermittler (zwischen den Vorstellungen aller Beteiligten) wie auch als Bewahrer des Spielweltcharakters agieren.

Dienstag, Juli 22, 2008

The Art of Fighting

Kämpfe gehören zum Standardrepertoire einer jeden Rollenspielrunde. Eine Rollenspielrunde, in der es keine Kämpfe gibt, gilt als außergewöhnlich und wird oft als Beweis für besonders hohe oder besonders niedrige Spielqualität angesehen. Aber auch gute Kämpfe wollen im Rollenspiel gelernt sein. Man kann es zu Recht eine kleine Kunst oder zumindest ein eigenes Handwerk nennen Kämpfe in einem Rollenspiel gekonnt umzusetzen.

Hier nun Teil 1 meiner Art of Fighting Reihe in der genau dieses Handwerk beleuchtet werden soll. Zuerst für den typischen Spieler:

1) Sehen was der Charakter sieht

Gerade bei Rollenspielen mit etwas komplexeren Regeln oder einfach nur einer Vielzahl an durch Regeln differenzierten Handlungsmöglichkeiten verliert man als Spieler oft den Aspekt aus den Augen, der für viele Dreh- und Angelpunkt des ganzen Spiels ist: die Welt aus der Sicht des Charakters zu sehen. Dabei ist das der wichtigste Schritt um einen guten Kampf zu haben: die Situation mit den Augen des Charakters zu sehen. Das heißt sich vorzustellen welche Sinneseindrücke der Charakter hat. Nur weil der SL keine Geräusche oder Gerüche beschreibt, wird der Charakter diese Sinne nicht verloren haben. Die leeren Stellen in der Beschreibung des SLs sind gerade dafür da um vom Spieler aufgefüllt zu werden. Wenn man so die Welt für den Charakter bereichert, kann dieser sich umso differenzierter, glaubwürdiger und einfach ''echter'' verhalten.

2) Alles benutzen was sich irgendwie anbietet

Wenn man als Spieler angefangen hat die Welt um den Charakter zu verdichten und vertiefen, gilt es ebenso facettenreich mit ihr zu interagieren. Das Besondere am Rollenspiel ist, dass man den Charakter tun lassen kann was man selbst will und nicht was das Regelwerk einem anbietet. Auch in Kämpfen und vor allem da, lebt das Spiel von den Ideen und den Einfällen, die die Spieler durch ihre Charaktere ausleben. Gerade wenn man den Kampf aus den Augen des Charakters sieht und sich nicht allein auf die Eindrücke der Battlemap und der SL-Beschreibung beschränkt, lassen sich Aktionen finden, die in keinem anderen Spiel möglich wären.

3) Beschreiben wie etwas ge- oder misslingt

Nun hat man es geschafft sich in den Blickwinkel seines Charakters hinein zu versetzen. Man beginnt sogar sich der Dinge zu bedienen, die der Charakter wahrnimmt, um seine Entscheidungen zu fällen. All das trägt jedoch nur bedingt zur Steigerung der Spielqualität bei, wenn man es nicht nutzt um sich mit den anderen Spielern auszutauschen. Die Handlung seines Charakters in eigenen Worten zu beschreiben, ist eines der stärksten Werkzeuge um einen Kampf noch mitreissender zu machen. Dabei ist das Ziel nicht möglichst viel zu reden oder einen einfachen Schwertschlag möglichst ausschmückend und literarisch wertvoll zu umschreiben. Aber sobald die Würfel gelandet sind, hat man die Möglichkeit die anderen Spieler für einen Moment an der Welt des eigenen Charakters teilhaben zu lassen.

Diese Dinge muss man nicht zwingend dem SL überlassen. Solange man darauf achtet nicht zu weit zu gehen, ist es ein Gewinn für jede Spielrunde wenn jeder ein Stück seiner Vorstellung zum Spiel beiträgt.

Montag, Juli 14, 2008

Beobachtungen

In letzter Zeit habe ich vermehrt den Eindruck, dass manche Rollenspieler "Story" sagen aber eigentlich nur eine vorgestellte Situation meinen, deren Regeln und Eigenschaften nicht beliebig veränderbar sind.

Also kurz: jede Situation die nicht aus einer Laune heraus verändert und umgebaut werden kann, sondern gewissen Ansprüchen der Logik, Glaubwürdigkeit und einem bestimmten "Realismus" entspricht.

Das wird ein Problem, wenn jemand hinzustösst, der mit "Story" das meint, was einer Ereigniskette irgendeine Form von Bedeutung und Aussage zuspricht. Eine Rollenspielrunde braucht zwingend die obere "Rollenspieler-Story" und vielen Leuten sagt die normale "Story" ebenfalls zu. Leider stellen diese beiden Dinge unterschiedliche Anforderungen an SL und Gruppe, weshalb man sehr sorgfältig sein sollte welche Tipps, Techniken und Spielhandlungen welcher Art von "Story" dienlich sind.

....oder auch nicht. ;)

Sonntag, Juli 06, 2008

Und ewig lockt die Hausregel

Es gibt Situationen, die treten bei so ziemlich jedem Spiel früher oder später auf. Irgendeine Regel führt dazu, dass man nicht das machen kann, was man vor hatte oder der Gebrauch einer bestimmten Regel hat zur Folge, dass man weit weniger Einfluss auf den Fortgang des Spiels hat, als man sich wünscht. Insbesondere bei Spielen, die stark auf Würfeln aufbauen, ergibt sich dieses „Würfel mal, ob das was du tust vollkommen wertlos ist“-Problem. Das sorgt für Frust. Sei es bei Spielen wie Doom: The Boardgame, bei Warhammer FRP oder (wie ich vor kurzem am eigenen Leib feststellen musste) bei Dungeons & Dragons 4E.

Wie nun mit solch einer Frustquelle umgehen? Die einfachste, aber auch radikalste Vorgehensweise wäre natürlich das Spiel einfach nicht mehr zu spielen. Sobald man jedoch den Kindergarten hinter sich gelassen hat, ist diese schmollende Spielverweigerung weder süss noch effektiv. Denn ausser nicht zu spielen, verändert sich nichts.

Bei Brettspielen werden solche Situationen mit Hausregeln behandelt. Die Zahl der Spiele, die sich Familien oder Freunde zurecht geschnitzt haben ist endlos. Gerade Spiele wie Zombies!!!, Fluxx oder Battle of the Bands eignen sich für solche Unterfangen perfekt und können so sehr viel Spaß bieten. (Wem diese Spiele nichts sagen der kann auch Monopoly, Scrabble oder Stadt, Land, Fluß dafür einsetzen.) Diese Vorgehensweise ist bei Brett- und Kartenspielen bewährt, aber lässt sie sich auch problemlos auf Rollenspiele übertragen?

Eine der Besonderheiten des Rollenspiel und in manchen Fällen sogar ein essentieller Bestandteil des Spiels, besteht darin, dass man die Spielsituation (bzw. die Fiktion) verändern und beeinflussen kann, bevor man die im Buch niedergeschriebenen Regeln darauf anwendet. Bei WFRP etwa ist es ein offenes Geheimnis, dass Charaktere zu Beginn des Spiels herzlich wenig Chancen haben in einem Zweikampf als Sieger hervor zu gehen. Die Chancen für einen solchen Charakter beim Gegner einen Treffer zu landen, sind oft sehr schlecht. Eine der ersten und wichtigsten Lektionen, die man bei WFRP lernt, ist sich niemals auf einen fairen Kampf einzulassen. Man sollte jede noch so kleine Chance nutzen, um sich in einem Kampf einen Vorteil zu verschaffen. In der Old World gilt, dass drei gegen einen nur unfair ist, wenn man alleine ist. Kein Trick ist zu dreckig, keine Aktion zu feige. Am Ende zählt immer nur, dass man nicht der Tropf ist, der am falschen Ende eines Krummsäbels hängt. Es hängt am Einfallsreichtum der Spieler, wie sie sich in jeder Situation verhalten um einen Vorteil für sich herauszukitzeln. Es ist diese Art der kreativen Auseinandersetzung mit der Spielsituation, die das Kernelement aller „traditionellen“ oder besser gesagt „old school“ Rollenspiele darstellt.

Jedoch ist genau das eine Herausforderung, die oft Gefahr läuft unbemerkt entwertet zu werden, wenn der SL freigiebig zu Hausregeln greift. Der vollkommen vernünftige und begrüssenswerte Versuch ein Spiel frustfrei zu machen, kann schnell darin enden, dass es keine Notwendigkeit mehr für die Spieler gibt sich mit der Spielwelt auseinander zu setzen. Anstatt das man versucht sich durch das Verhalten des Charakters Vorteile in Konflikten zu sichern, werden kurzerhand die Spielregeln umgeschrieben. Man umgeht die Spielwelt und verlässt sich auf die "auf Erfolg hin geschriebenen" Hausregeln. Gerade da das so einfach und schnell geht, verlockt es mal eben das Spiel mit einer "Hausregelung" weiterzutreiben, statt es seinen manchmal störrigen Weg gehen zu lassen. Anstatt dass die Spieler nach Wegen suchen, wie sie die Trefferwahrscheinlichkeit ihrer „Power“ steigern könnten, fällt man auf Hausregeln zurück, die das für einen erledigen.

Aber ein gutes Rollenspiel basiert nicht auf ad-hoc Regeln des Spielleiters, sondern auf die unparteiische Beurteilung durch den SL, welcher die bereits bestehenden Regeln anwendet. Ein Richter schreibt schließlich auch nicht mit jedem Urteil ein neues Gesetz; sondern muss gemäß der geltenden Gesetzen und nach eigenem Gewissen eine Entscheidung fällen, die für das Gemeinwohl am Besten ist. Der SL ist in dieser Hinsicht in einer identischen Position. Er spricht Urteile, aber sollte wenn möglich keine Gesetze schreiben. Goldene Regel hin oder her.

Hausregeln sind die Notbremse, die man erst im letzten Moment ziehen sollte. Sie sind nicht der Normalfall um zu einem guten Rollenspiel zu führen, sondern können schnell die Krücke für eine einfallslose und Brettspiel-belastete Spielergruppe werden.

Sonntag, Juni 01, 2008

Link

Nur ein kurzer Link zu einem Wizards-of-the-Coast Podcast, in dem Scott Kurtz (PvP-Webcomic), Tycho und Gabe (Penny Arcade) D&D4 spielen. Wer sich von der ganzen Hysterie, die im Rahmen der neuen Edition losgetreten wurde, genervt fühlt; kann sich hier den wohl besten und echtesten Eindruck einer D&D4 Runde verschaffen.

Podcast 1 of 8
Podcast 2 of 8

Podcast 3 of 8
Podcast 4 of 8
Podcast 5 of 8
Podcast 6 of 8

Podcast 7 of 8
Podcast 8 of 8

Vorsicht: hier haben Leute "Spaß". Wer der Meinung ist, dass die 4. Edition eine bestimmte Form von Autoren-bestimmten Spaß erzwingt und die Vorstellungskraft der Spieler entwertet, sollte nicht reinhören um seine Wahnvorstellungen aufrechterhalten zu können.

Freitag, Mai 02, 2008

Anspruchsvolles Rollenspiel

Es gibt einige Begriffe, deren Missbrauch unter Rollenspielern nahezu kriminelle Ausmaße genommen hat. Begriffe wie Railroading, Realismus, Theorie oder auch "anspruchsvolles Rollenspiel" werden unter Rollenspielern meist ohne nachzudenken in ein Gespräch geworfen und werden früher oder später zu wertlosen Worthülsen die alles, nichts, oder (!) bedeuten.

Das ist schade. Denn es gibt anspruchsvolles Rollenspiel und es macht Sinn diesen Begriff mit Inhalt zu füllen, der in Rollenspielkreisen auch etwas aussagt. Zur Zeit ist "anspruchsvolles Rollenspiel" nämlich inhaltsleer und nutzlos. Das liegt vor allem daran, dass sich keiner deutlich macht, was Anspruch im Rollenspiel eigentlich bedeutet.

Anspruchsvoll bedeutet fordernd. Ein Rollenspiel, das anspruchsvoll ist, ist ein Rollenspiel, dass den Spieler fordert.

Anspruch ist nicht Humorlosigkeit. Auch wenn jeder kleingeistige Schwätzer sich nicht vorstellen kann Lachen mit Anspruch zu verbinden.

Anspruchsvoll heißt nicht, dass man sich wichtig nimmt; wie es etwa Neider gernen denen vorwerfen, die sich mit weniger nicht abgeben wollen.

Anspruch bedeutet auch nicht, dass eine Runde Unwohlsein hervorrufen und die Spieler verstören muss. Wer das für Anspruch hält, legt nur seine eigene Niveaulosigkeit offen.

Vor allem aber ist Anspruch nicht gleichbedeutend mit Qualität; eine derart elitäre Einstellung greift leider stark um sich und kann einem so manche Spielrunde vermiesen.

Anspruch in einem Rollenspiel drückt sich allein dadurch aus, dass man etwas leisten muss um etwas zu bekommen. Bei Büchern muss man sich mit der Sprache und der Erzählart auseinandersetzen und etwas Arbeit bzw. Hirnschmalz investieren, um etwas von dem Buch zu haben.

Das ist beim Rollenspiel nicht anders. Nur dass man sich hier mit den Dingen auseinandersetzen muss bzw. in die Dinge Arbeit und Hirnschmalz investiert, die das Rollenspiel ausmachen. Anspruch hängt allein davon ab, wie viel Aufwand der Spieler investieren muss, um das Spiel zu spielen. Wobei Aufwand nicht gleich unfreiwillige Arbeit heißen muss. Es kann auch sehr viel Spaß machen sich in einem Spiel anzustrengen. Leistung macht Spaß!

Anspruchsvolles Rollenspiel ist der Gegenpol zum casual Rollenspiel. Anspruchsvolles Rollenspiel unterscheidet zwischen den Leuten, die zum Zeitvertreib spielen und denen die spielen, um Spaß zu haben und dafür was tun wollen.

Dass man unterschiedliche Dinge betonen kann und damit unterschiedliche Aspekte des Spiels Anforderungen an den Spieler stellen, sollte niemanden überraschen. So wird auch deutlich, dass ein anspruchsvolles Rollenspiel viele Ausprägungen haben kann. Eine sehr taktische und Konflikt-basierte Spielrunde könnte genauso als anspruchsvoll beschrieben werden, wie eine Spielrunde in der die Spieler eine sehr intensive Atmosphäre aufbauen oder es um Charaktere geht mit denen man stark mitfiebert, usw. usf.

Anspruchsvolles Rollenspiel ist (arbeits-)intensives Rollenspiel. Das wird in vielen Runden betrieben und so lässt sich auch wieder darüber reden.

Dienstag, April 01, 2008

[Internetwörterbuch] Rollenspieler - Deutsch

In Zeiten neuer Medien macht die sprachliche Entwicklung oft Riesenschritte, denen man kaum hinterherkommen kann. Als kleine Einstiegshilfe für die Rollenspielerkommunikation hier ein kleiner Auszug aus meinem ersten Sachbuch: "Rollenspieler <-> Deutsch - Ein Internetwörterbuch", ab Mai 2008 bei zweitausendundeins erhältlich.


immersives Rollenspiel - eine Spielrunde bei der man sich nicht wünscht, an einem anderen Ort zu sein.

tatsächlich gespielte Rollenspiele - Spiele, die ich gut kenne

Forge Spiele - Rollenspiele, die man zu Ende spielen kann

leidenschaftlich diskutieren - sich wie ein Riesenarschloch verhalten

harte Diskussion - wenn mehrere Leute sich wie Riesenarschlöcher verhalten

flamewar - wenn ein Arschloch zu weit geht

Rollenspieltheoretiker - in Rollenspielgesprächen ein Vokabular benutzen, dass ein Grundschüler nicht mehr versteht

Internetpersona - Ausflucht einer Person, die nicht zugeben will, dass sie ein Arschloch ist.

elitär - den kleinsten gemeinsamen Nenner ablehnen

Ironie - der Schutzmantel der Möchtegernarschlöcher

pseudo-intellektuell - seine Gedankengänge artikuleren können und es auch noch tun

Phrasen

"Ich habe damit beruflich zu tun" - Wenn ich mal Recht habe, gleicht das meine charakterlichen Defizite aus, oder?

"Ich stimme ihm nicht bei allem zu und er geht schon mal zu weit, aber wenigstens ist er lustig zu lesen" - Solange die Züge pünktlich fahren, verzeihe ich alles.

"ARS / GNS / D&D / DSA / etc. ist Scheiße" - Eigenständiges Denken ist mir zu schwer.

"Ron Edwards / RPGPundit / Gary Gygax / etc. hat mal gesagt..." - Ich habe keine eigene Meinung und die muss Gehör finden!

"Uns ist der Spaß wichtiger als irgendwelche Regeln" - Ich habe keine Ahnung worum es bei Rollenspielen geht.

"Mir geht es um's Charakterspiel und nicht um's Würfeln" - Ich habe überhaupt keine Ahnung worum es bei Rollenspielen geht.

"Es ist erst ein Rollenspiel, wenn der Charakter sterben kannl" - Ich kann Rollenspiele nur als plüschigere Kriegsspiele verstehen.

"Das ist halt meine Meinung" - Ich habe keine Ahnung wovon ich rede.

Montag, März 10, 2008

Beobachtungen nach einem Spielwochenende.

Ich mag es wenn etwas an einem Würfelwurf hängt. Das soll nicht heißen, dass jedesmal wenn zu den Würfel gegriffen wird der Spieler viel aufs Spiel setzen muss, damit mir die Situation Spaß macht. Aber ich möchte dass wenn die Würfel gefallen sind, sich die Lage eindeutig verändert hat. Egal ob der Wurf gelungen oder misslungen ist. Wiederholtes Würfeln, das lediglich zu kleinen Veränderungen führt, langweilen mich sehr schnell.

Es scheint mir zu Problemen zu führen, wenn man als Spieler auf Gründe wartet um etwas Bestimmtes zu tun. Die Spielwelt bzw. der SL kann Ziele anbieten oder Anreize zum Handeln liefern; aber Gründe, im Sinne von Motivation oder Rechtfertigung für eine Aktion des Charakters, erschafft der Spieler immer selbst. Diese Tatsache scheinen manche Spieler im Eifer des Spiels zu übersehen, was dazu führen kann, dass sich die Spielrunde in einer Pattsituation wiederfindet, in welcher der Spieldialog zwischen SL und Spielern (Aktion-Reaktion) nicht flüssig abläuft.

Der in vielen Regelwerken vorhandene Satz "Beim Rollenspiel geht es nicht ums Gewinnen." scheint eine sehr gängige Fehlinterpretation nach sich gezogen zu haben: "man kann beim Rollenspiel nicht gewinnen, weshalb es nicht so wichtig ist wie zielstrebig man die Charakterziele verfolgt". Dem ist nicht so. Zielstrebiges Spielen ist enorm hilfreich und stärkt das Spiel ungemein. Die wichtige Kernaussage des Satzes stellt lediglich den Stellenwert dar, den das Erreichen des Ziels für den Spielgenuss hat bzw. haben sollte. "Man spielt auf Sieg; aber es ist nicht das Gewinnen, das Spaß macht."

Dienstag, März 04, 2008

Gary Gygax verstorben

Der Konrad Zuse des Rollenspiels ist gestorben. Ich habe Gary Gygax niemals getroffen, und auch nicht seine Spiele (D&D 3.0 ist wohl ein Streitfall) gespielt. Aber ohne ihn gäbe es dieses Hobby nicht, das mir so viel Spaß und Beschäftigung gebracht hat.

Darum bin ich ihm zu großem Dank verpflichtet.

Ludito ergo cognoscum

(Dieser Eintrag wurde mit der Energie von sich im Grabe drehenden Lateinlehrern geschrieben.)

Drei Beispiele für das Auftreten von Lernvorgängen beim Spielen und wie sie in das Spiel eingebunden werden.

1) Warhammer Fantasy Role Play

Das Spiel soll als stellvertretend für herkömmliche, nicht-Story Games Rollenspiele stehen. Bei WFRP findet während des Spielens ein Lernprozess beim Erforschen der Welt statt. Man lernt wie das Leben im Imperium abläuft; welche NSCs einem wohl gesonnen sind; wie sich das Chaos ausbreitet usw. usf. Man lernt daraus wie man seinen Charakter zu (schau)spielen hat, um im Spiel das zu erreichen was man will. Dieser Vorgang wird durch das schauspielerische Element so verinnerlicht, dass man schnell vergessen kann, dass man beim Spielen lernt.

2) Paranoia
Die namensgebende Paranoia in diesem Spiel wird vor allem daraus gewonnen, dass man als Spieler sich niemals sicher sein kann 'ausgelernt' zu haben. Bei Paranoia ist der Unterschied in der Spieltiefe (und damit dem Interesse der Gruppe das Spiel über längere Zeit zu spielen) sehr auffällig, wenn SL und Spieler nicht auf die Fiktion achten und nicht versuchen sie zu 'lernen'. Ein SL der Alpha Complex als willkürlichen, zufälligen, ungerechten und tödlichen Ort spielt, dessen Spieler werden ähnlich agieren und bei der kleinsten Provokation die Charaktere ihrer Mitspieler zu terminieren versuchen. In der neusten Paranoia-Edition wird diese Spielweise 'Zap' genannt. Da bei Paranoia das gesamte Spiel ausdrücklich in den Händen des SLs liegt und liegen soll, erlernt man durch das Spiel nicht die Eigenschaften des Settings, sondern die Vorlieben des SLs kennen.

3) Primetime Adventures

Der Lernvorgang in diesem Spiel findet nicht im Rahmen der Erforschung der Spielwelt statt. Zumindest nicht in gleichem Maße wie bei Paranoia oder WFRP. Über die Spielwelt selbst lernt man bei PTA nichts und auch hilft sie einem nicht dabei die Vorlieben des SLs (Producers) zu verstehen. Stattdessen trägt man zur Erschaffung einzelner Szenen bei und lernt mit Hilfe des Feedbacks der Spieler am Tisch (angetrieben oder unterstützt durch die Fan Mail-Regel) wie man den Spielspaß der Gruppe bei PTA steigert.

In jedem der genannten Spiele findet ein Lernvorgang statt. Bei WFRP lernt man wie das Setting funktioniert. Bei Paranoia lernt man wie der SL tickt. Bei PTA lernt man was der Gruppe Spaß macht. Obwohl man in jedem dieser Spiele seine Aufmerksamkeit auf die Fiktion richtet, muss man in jedem dieser Spiele anderes von ihr 'lernen'. Welche Herangehensweise in der jeweiligen Spielrunde am förderlichsten ist, können viele Spieler während des Spielens erkennen. Es wäre interessant zu sammeln, wie und woran man das festmachen kann.

Mittwoch, Februar 27, 2008

Wer lernen kann, ist klar im Vorteil

Im Story Games Forum gibt es eine Diskussion über Spiele, deren Spaßpotential man sich erst mit etwas Übung und Aufwand erschließen kann. Wer das für eine Besonderheit von solchen Story Games hält, der sollte daran denken, dass es viele Spiele gibt, die erst mit etwas Übung wirklich aufblühen.

Tennis wird um ein vielfaches interessanter, wenn man in der Lage ist den Ball zielsicher auf eine bestimmte Seite des Feldes zu schlagen. Es reicht bei einem Spiel wie Schach nicht aus die Regeln zu kennen; man muss auch seinen strategischen Blick auf das Brett schulen. Wer sich nicht damit beschäftigt, wie man effizient seine Mittel nutzt, oder seine Handlungsoptionen am besten kombiniert, der wird bei D&D nur an der Oberfläche dessen kratzen, was das Spiel zu bieten hat.

Das ist bei den so genannten Story Games (zu denen ich Primetime Adventures, Dust Devils, Shab-al-Hiri Roach und viele andere zähle) nicht anders. Was man hier lernen bzw. üben muss, ist nützliche und spaßfördernde Beiträge zum Spiel zu leisten: Beiträge die sowohl den Anforderungen des Regelwerks entsprechen als auch den Qualitätmaßstäben der Gruppe.

Was man bei solchen Spielen manchmal üben muss, ist die Fähigkeit durch Erzählung oder Schauspiel die Dinge zum Spiel beizutragen, die durch das Regelwerk erfasst werden können und zusätzlich dazu das Spiel bereichern und eine Atmosphäre zur Folge haben, die die Spieler anspricht. Ersteres sollte sich ohne Probleme aus dem Regelwerk ablesen lassen. In einem Spiel wie WFRP drückt sich das durch eine Formulierung wie, "Wenn ein Charakter etwas tun will, dann...." aus. Manchmal muss man ein wenig probieren und experimentieren, bis man verstanden hat wie in einem neuen Spiel ge-rollenspielt wird. Letzteres wird bei herkömmlichen Spielen durch ein für alle verbindliches Setting umgangen und in einigen Gruppen voll und ganz in die Hände des SLs gelegt. Aber viele Story Games, insbesondere die ohne klar gezeichnetes Setting oder engen Genrebindungen, überlassen es den Spielern selbst wo sie die Grenze ziehen zwischen einem Beitrag, der die Spielatmosphäre stärkt und einem, der sie stört.

Es gilt zu üben wie man einen solchen Standard entwickelt oder erkennt und wie man sich um dessen Einhaltung kümmert. Es geht um das Entwickeln einer spielgebundenen Sozialkompetenz.

Dienstag, Februar 26, 2008

Aus Spielen gezogene Erkenntnisse

Ich habe mal kurz Revue passieren lassen, was mir durch das Spielen in den letzten paar Monaten vor Augen geführt wurde.

Durch Warhammer Fantasy Role Play ist mir klar geworden, dass Zufallselemente kein Nachteil sind, den es zu minimieren gilt; sondern eine besondere Stärke des Rollenspiels. Zufällig ermittelte Details zwingen den Spieler außerhalb der gewohnten Bahnen zu denken, wenn es um das Formen des Charakters geht. Dank des einfachen Kampfsystems wird der unvorhersehbare Aspekt des Rollenspielens nach vorne gestellt. Bei jedem Kampf (und eigentlich jedem Würfelwurf) kann das Geschehen in eine unbeabsichtigte Richtung umschwenken. Dank solcher schwer kontrollierbaren Zufallselemente kann niemand am Tisch mit Sicherheit sagen, wohin das Abenteuer gehen wird.

Paranoia hat mir aufgezeigt, dass ein SL immer deutlich machen sollte wann er als Schiedsrichter, als NSC oder als Spieler mit eigenen Interessen handelt. Zum einen wird so bei unliebsamen Situationen nicht immer wieder das Vertrauen der Spieler in den SL auf die Probe gestellt; zum anderen hilft es dem SL ebenfalls klar zwischen seinen unterschiedlichen Aufgaben zu trennen.

Mit Dogs in the Vineyard habe ich bemerkt, dass die Trennung zwischen Würfeln und Ausspielen/Beschreiben zwar schön überschaubar ist, aber auch den Spielfluß stört. Diese zwei Dinge immer in Verbindung zu halten, ist zwar manchmal etwas aufwändig; aber führt zu einer weit interessanteren Spielwelt. Würfellastige Stellen (wie z.B. Kämpfe) sind dann nicht nur eigenständige Minispiele, sondern tragen genausoviel zum Rollenspielerlebnis bei, wie die Interaktionen und Beschreibungen. Umgekehrt gilt das selbstverständlich auch.

Primetime Adventures
hat mich davon überzeugt, dass man in manchen Spielen zwischen Charakter und Spieler nicht nur trennen kann, sondern muss; damit das Spiel überhaupt flüssig laufen kann. Den Charakter als nach eigenen Richtlinien handelnd zu verstehen, ist bei weitem nichts neues und führt bei manchen herkömmlichen Rollenspielen schonmal zu Frust und Konflikten (stichwort: "Der Charakter würde das niemals tun."). In vielen Spielen müssen sich Spieler, die so an ihren Charakter gehen im Zweifelsfall dem Druck der Gruppe beugen oder als Spielverderber dastehen. Es gibt jedoch auch Spiele, in denen die innere Logik des Charakters im Mittelpunkt steht und der Fortgang des Spiels vorallem daraus resultiert. In solchen Spielen muss man sich davor zurückhalten den Charakter nur als Ausdruck der Interessen des Spielers zu behandeln.

Freitag, Februar 08, 2008

Wie Fiktionsstile entstehen

Mit Fiktionsstil ist das Gesamtbild der Beschreibungen gemeint: die Stimmung der Rollenspielrunde oder die Art der kreativen Inhalte des Spiels. Wie jeder weiß ist ein schlüssiges und konsistentes Gesamtbild ansprechender als ein wildes Durcheinander voller Widersprüche und stilistischer Unstimmigkeiten. Eine Spielrunde in der die Beschreibungen, die Charaktere und die Ereignisse schlüssig und stimmig sind, ist einfach interessanter als etwas das willkürlich, zufällig und lieblos zusammengeschustert wirkt.

In Rollenspielrunden sind mir bisher drei unterschiedliche Vorgehensweisen begegnet, wie Gruppen sich daran machen ihrer Spielwelt einen klare stilstische Linie zu geben. Diese lassen sich wie folgt umreißen:

1) Der Auteur

Hier nimmt sich ein einzelner Spieler (häufig der SL) der Aufgabe an, die verschiedenen Beiträge und Handlungen der anderen Spieler stilistisch unter einen Hut zu bringen. Das hat zur Folge, dass dieser "Auteur" z.B. die Beiträge der anderen Spieler anpasst, bevor sie Teil der Spielwelt werden oder sie gänzlich ablehnt, sollten sie mit seiner Vorstellung nicht vereinbar sein. Solange die Authorität des "Auteurs" nicht angezweifelt wird, können sich die restlichen Spieler zurücklehnen und die konsistente Spielwelt und damit ihren Spaß an einer stringenten Fiktion dem "Auteur" anvertrauen. Da hier so gut wie nichts von den anderen Spielern gefordert wird, hat diese Herangehensweise viele Anhänger.

2) Die Textauslegung

Hier geht die Gruppe von einem (unausgesprochenen) platonischen Ideal der Spielwelt aus, dem man sich durch das Spiel annähert. Dieses Ideal wird vor allem in Hintergrundtexten (sog. Fluff) ausgedrückt und es liegt an der Gruppe diese richtig und vollständig umzusetzen. Manche greifen hierbei nicht nur auf Hintergrundtexte des Rollenspiels zu, sondern auch zu Sachbüchern und anwendbarem Fachwissen des Spielers. Hier ist es nicht die Vorstellung eines Einzelnen, die formgebend für die Fiktion ist, sondern die "harten Fakten der (gewählten) Realität". Diese Herangehensweise ist vor allem bei den Spielern beliebt, für die eine objektive Spielrealität wichtig ist und die einen unüberwindbares Hindernis darin sehen, von einem anderen Spieler Objektivität zu erwarten.

3) Die Basisdemokraten

Hier wird der Fiktionsstil durch alle Teilnehmer geformt. Im Laufe des Spiels wird ausgehandelt was für ein Stil und was für eine Stimmung die Fiktion besitzt. Damit diese Vorgehensweise gelingt, müssen die Spieler sich neben dem Inhalt der Fiktion auch mit ihrer Form befassen. Sie müssen kritikfähig und entscheidungsstark sein. Vor allem aber müssen sie in der Lage sein, sich dem Konsens zu beugen statt sich den Konsens gefügig machen. Wenn das gelingt, entsteht eine sehr dynamische Fiktion, die trotz ihrer Unvorhersehbarkeit schlüssig wirkt. So als hätte sie ein Eigenleben. Misslingt es, so landet man häufig in einem offen oder verdeckt ausgetragenen Machtkampf zwischen den Spielern, in dem einzelne nach der von der Gruppe legitimierten Rolle des "Auteurs" buhlen.

Jede der Vorgehensweisen hat ihre Stärken und Schwächen. Es hilft jedoch wenn jeder am Tisch sich im Klaren darüber ist, wie man diese Dinge zu handhaben gedenkt. Das erspart einem unnötig Frust und Konflikte.

Donnerstag, Februar 07, 2008

Spieltipp III

Vermeide Spielbeiträge, die Erklärungen oder Rechtfertigungen benötigen.

Eine flüssige Spielrunde zeichnet sich durch eine rege Spielerinteraktion aus. Das heißt, dass die Spieler unentwegt spielrelevante Informationen austauschen bzw. zum Spiel beitragen. Im herkömmlichen Rollenspiel fallen darunter sowohl Handlungsansagen ('Mein Charakter will die Tür aufstemmen.' oder 'Ich ziehe mein Schwert.') als auch Beschreibendes ('Das Gemälde ist sehr lebensnah und beeindruckend.' oder jede Form von Schauspiel am Spieltisch). Alles was das Spiel vorantreibt gilt als spielrelevant. Erklärungen und Rechtfertigungen für etwas das passiert oder gesagt wurde ('Drurog kauft sich kein Brot, weil...' oder 'Die Wache wird nicht kommen, weil...'), hemmen hingegen den Spielfluß. Anstatt das Spiel voranzutreiben, muss man dafür sorgen, dass die Spielhandlung in das laufende Spiel passt. Es müssen erst Widersprueche aufgelöst und Zusammenhänge etabliert werden, bevor es weitergehen kann.

Wenn man die Spielhandlung erst noch erklären oder rechtfertigen muss, sollte man sofort aufhorchen. Irgendetwas läuft nicht so wie es sollte. Es gilt also zu versuchen Charaktere Dinge tun zu lassen bzw. Beschreibungen zu liefern, die für die anderen Spieler ohne Nachdenken nachvollziehbar sind. Diese Zielsetzung wird umso einfacher, je mehr man auf das zugreift was bereits etabliert wurde. Je stärker man ein Auge auf die bestehende Fiktion hält, umso einfacher ist es diese flüssig fortzuführen. Eigentlich ganz selbstverständlich, aber ich treffe immer wieder auf Leute, die gerade hier ins Stolpern kommen. Leute, die erst noch ausholen müssen bevor sie geradeheraus sagen, was sie tun. Oder bei denen jede Spielhandlung, noch einen Kurzmonolog nach sich zieht.