Donnerstag, Februar 15, 2007

Immersion

Oft hört man von Spielern, dass sie beim Rollenspiel das Ziel haben völlig in ihren Charakter einzutauchen; die Welt hinter sich zu lassen und sich in der Gedankenwelt des Charakters verlieren oder eine Vielzahl von Variationen der gleichen Idee, deren Formulierung zwischen nachvollziehbar und spannend bis hin zu beunruhigend psychotisch schwingen kann.

Das es so etwas tatsächlich gibt, beweisen die Spieler, die sich genau das zum Ziel gemacht haben. Nun kann man natürlich diesen Spielern allen böswillig unterstellen, sie wären einem großen Schwindel zum Opfer gefallen. Das denke ich jedoch nicht. Ich bin der Meinung, dass dieses völlige Eintauchen in die Spielwelt eine in der Regel positive Erfahrung am Spieltisch ist. Auch bin ich der Meinung, dass sie in einer Vielzahl von gut laufenden Spielrunde zu finden ist. Mit der Einschränkung, dass die Grenze zwischen Immersion im Rollenspiel und fokussiertem und konzentriertem Spiel von jeder Gruppe anders gezogen wird.

Genau hier findet man auch die Wurzel des Problems, das entsteht wenn man Immersion als Ziel des Spiels setzt. Immersion ist – wie vieles wenn man über tatsächliches Spielen spricht – ein Begriff dessen Bedeutung immer nur einzelne Spielrunden bzw. Spielgruppen gelten kann. Es ist ein Konzept, das sich aus den Vorstellungen der Spieler und den Möglichkeiten des Spiels zusammensetzt und von den Spielern ausgehandelt werden muss. Die Immersionserfahrung bei Dust Devils in meiner Spielrunde ist nicht vergleichbar mit der Immersionserfahrung einer Kölner Dungeons & Dragons-Runde. Sowohl die Interaktion mit dem Spiel als auch das Verhältnis zwischen den Spielern formt diese Erfahrung maßgeblich. Weshalb es so gut wie unmöglich ist über Immersion mit Rollenspielern zu reden, die nicht die gleiche Spielerfahrung haben wie man selbst.

Hieraus entwickelt sich auch das zweite Problem: Immersion zum Spielziel eines Spiels machen, mit dem man eine derartige Immersionserfahrung noch nicht gemacht hat. Anders gesagt Immersion wie man sie aus z.B. Warhammer kennt auch bei einem Spiel wie Primetime Adventures anzustreben. Beide Spiele können eine Immersionserfahrung liefern, welche jedoch an den Eigenschaften der jeweiligen Spiele gebunden sind und nicht an einem “objektiven” Immersions-standard.

Wenn man die Eigenheiten eines Spiels akzeptiert; wenn man sich auf das Spiel einlässt; dann kann es auch zur Immersionserfahrung kommen. Es ist keine Frage der Meta-regeln oder der Stimmigkeit des Settings oder der “falschen Würfelart”. Es liegt immer am Spieler sich auf eine Immersionserfahrung einzulassen. Sicherlich können gewisse Regeln oder Aufgabenverteilungen am Spieltisch dies erleichtern; aber Immersion steht und fällt beim Spieler.

Wie auch bei Filmzuschauern, Theaterbesuchern oder Lesern gehobener Literatur kann es von Vorteil sein, sich von den eigenen festgefahrenen Vorstellungen und Erwartungen zu trennen und an der eigenen Unvoreingenommenheit zu arbeiten. Immersion lässt sich damit um ein Vielfaches einfacher erreichen.

Donnerstag, Februar 08, 2007

Spielkultur gegen Subkultur

Ich bin ein Verfechter der Ansicht das Rollenspiele vor allem und unterm Strich Spiele sind. Spiele, die ein Ziel haben und die man zwar oft mit verschiedenen Inhalten füllen und an den eigenen Spielgeschmack anpassen kann, aber die trotzdem Spiele bleiben. Genauso wie etwa Firefox sich mit Themes und Extensions an die eigenen Vorlieben anpassen lässt, aber doch nur ein Browser ist, dessen Zweck darin besteht Internet-Seiten darzustellen.

Ein Gegenstandpunkt zu meinem ist, dass man Rollenspiele als Spielzeuge verstehen muss. Als Hilfsmittel mit denen man sich selbst oder gegenseitig unterhalten kann und die keine Anleitung oder Zielsetzung benötigen. Genauso wie man keine Anleitung für einen Fußball braucht, oder wie Lego ohne Anleitung ja so viel cooler und cleverer ist als Lego mit. Mit diesem Standpunkt konnte ich mich nie richtig anfreunden. Irgendetwas daran hat mich immer stutzig gemacht. Nach der letzten sehr aufschlussreichen Unterhaltung mit meiner Rollenspielgruppe, weiß ich auch warum. Weil sie falsch ist. Weil sie schlicht und ergreifend die Tatsachen falsch darstellt und irreführend betitelt.

So hat einer meiner Mitspieler von seinen frühen Rollenspielerfahrungen erzählt und dem Spaß den er daraus ziehen konnte sich in die DSA-Welt einzulesen und sich mit anderen über die Einzelheiten auszulassen. Mittlerweile hat er nicht mehr die Zeit und Muße um dieser Art des Hobbies nachzugehen. Da sich dieses Eintauchen eben weit über die paar Stunden, die er tatsächlich spielte, erstreckt hat. Die von einigen so hoch gelobte Spielkontinuität zwischen den Runden, die nur in langen Kampagnen möglich ist; wenn man sich selbst dann noch mit seinem Rondra-geweihten und den Entwicklungen in anderen Orten beschäftigen kann, wenn man nicht zusammensitzt und Würfel rollt.

Das hat nichts mehr mit Spielen zu tun. Ein Spiel hat – wie gesagt ein Ziel und damit auch ein Ende – vielmehr geht es hier um eine eigene kleine Subkultur, die sich die Spieler zusammensetzen und die durch die Fiktion am Tisch angetrieben wird. Durch das Spielen des Rollenspiels tritt man in diese Subkultur ein und kann nun mit den bekannten aber auch mit fremden Mitgliedern interagieren. Das ein Interesse an so etwas besteht und auch als ein Phänomen betrachtet werden muss, das eindeutig vom gewöhnlichen Spielen zu trennen ist, wird durch die Beliebtheit und den Erfolg solcher Online-Angebote wie World of Warcraft gezeigt.

Die Langlebigkeit und der Reiz von WoW ist keine Folge seiner Qualität als Spiel, sondern weil es als Einstieg in eine Subkultur dient. Hätte man nicht seine Clans oder Banden oder wie man sie auch immer nennen will, dann wäre die Luft schon nach einigen Stunden raus. Durch diese Komponente der Gruppenidentität, der Identifizierung des Selbst als Teil einer Subkultur bekommt man etwas geliefert, was man allein aus dem Spielen eines Spiels nicht bekommen kann.

Man spielt WoW, weil man WoW-Spieler ist. Man spielt Rollenspiele, weil man Rollenspieler ist. Auch wenn es macnhmal nur ein Einziges ist.

Unabhängig davon, welchen Wert man diesem Vorgehen zuspricht, so denke ich, dass diese Unterscheidung hilfreich ist, um einige wiederholt auftauchende Missverständnisse über das Spielen und dem Reden über das Spielen zu erklären.