Dienstag, September 22, 2009

Rollenspieltheorie

1. Rollenspieltheorie ist ein Überbegriff für jede reflektierte und geordnete Auseinandersetzung mit Rollenspielen.

2. Rollenspieltheorie hört nicht bei Regeln und Setting auf.

3. Die zwischenmenschliche Komponente, das Miteinander mit all seinen besonderen Ausprägungen beim Spiel muss früher oder später als Teil der Theorie erkannt und entsprechend angegangen werden.

4. Das bedeutet konkret, dass sich Rollenspieltheorie mit Fragen der sozialen Kompetenz, der emotionalen und kognitiven Fähigkeiten beschäftigen muss, mit denen man eine Spielatmosphäre erzielt, die genau die Dinge ermöglicht und unterstützt, die man in einer guten Rollenspielrunde sehen will.

5. Dabei ist es unverzichtbar auch eine Grenze zwischen akzeptablen und inakzeptablen Verhaltensmustern zu ziehen, mit denen der soziale Aspekt der Spielrunde beeinflusst wird. Eine emotionale oder gar psychologische Manipulation der Mitspieler darf unter keinen Umständen erfolgen und ist vollkommen abzulehnen.

6. Old McDonald hat 'ne Farm. I-ei, I-ei, Oh.

7. Sowohl der performative Teil des Spielens (also die Darstellung von Charakteren und die Beschreibung von Handlungen und Situationen), wie auch Umgangsformen, die vermeintlich nichts mit dem Spiel zu tun haben (d.h. out-of-game Interaktion), sollte näher betrachtet werden.

8. Ziel ist natürlich keine Vorgaben zum Spielverhalten zu machen, sondern den Blick dafür zu schärfen wie die Spielrunde durch bestimmte Verhaltensmuster beeinflusst wird.

Montag, September 21, 2009

Die Lügen über WFRP3

Es ist eine der traurigen Wahrheiten, dass Rollenspieler einer bestimmten Couleur zu Lügen und Verleumdungen greifen, wenn sie fürchten nicht mehr im Mittelpunkt der Rollenspielszene zu stehen. Über Dungeons & Dragons 4 wurden die zum Teil absurdesten Falschinformationen und Scheinargumente aufgefahren, um dem Unmut Luft zu machen, dass das Spiel es wagt nach Jahren (Jahrzehnten) Veränderungen einzuführen.

Ein ähnlicher Zickenterror scheint auch der Neuauflage von Warhammer Fantasy Roleplay von Fantasy Flight Games bevorzustehen. Da mich WFRP bei weitem mehr interessiert als D&D, will ich einige der absurdesten und dümmlichsten Lügen zur neuen Edition aufzeigen.

Lüge Nr. 1: Die Grundbox lässt sich nur mit 3 Spielern und 1 SL spielen.

In den ersten Infos zum Spiel wurde der Inhalt der Grundbox aufgelistet. Dort wurde auch erwähnt, dass es 3 Mappen für Würfel, Karten und ähnliches Gedöns der Spieler gibt. Daraus wurde geschlossen, dass man in der Spielerzahl begrenzt ist und in kopfloser Tradition von allen virtuellen Dächern geschrien. Die Wahrheit ist jedoch, dass man nicht weniger begrenzt ist als bei WFRP2 Runden, in denen es nur 1 Regelwerk gibt (und dementsprechend nur 1 Charakterblatt und jede Karriere nur ein Mal vorhanden ist) und nur 1 Satz Würfel. Man muss sich vielleicht mit links-radikalen Konzepten wie dem gemeinschaftlichen Teilen begrenzter Ressourcen arrangieren, aber die Zahl der Spieler ist in keiner anderen Weise begrenzt.

Lüge Nr. 2: Das ist kein Rollenspiel mehr, sondern ein Brettspiel/Hybrid.
Um die unnütze "Was ist Rollenspiel überhaupt?"-Diskussion zu umschiffen, frage man sich einfach was denn ein Brettspiel ausmacht. Vor allem natürlich, das Spielbrett, welches es bei WFRP3 im Gegensatz zu anderen "richtigen Rollenspielen" nicht ein mal in Form eines Lageplans oder einer Battlemap gibt. Auch grenzen die Regeln die erlaubten Spielaktionen nicht mehr ein, als es eine beliebige Fertigkeitenliste tut. Ja, einzelne Aktionen und Angriffe haben ihre betreffenden Regel auf Karten abgedruckt. Damit muss der SL diese Regeln nicht mehr im Kopf haben und der Spieler nicht im Regelwerk danach blättern. Für ein Brettspiel erfüllt WFRP3 verblüffend wenige Kriterien.

Lüge Nr. 3: Wegen der neuen Edition wurde WFRP2 eingestellt.
WFRP2 wurde aus dem gleichen Grund eingestellt, weshalb jedes andere Rollenspiel eingestellt wurde. Es hat sich finanziell nicht rentiert. Fantasy Flight Games zahlt Games Workshop Geld, um deren Setting, Begriffe und dazugehörigen Namen zu benutzen. Lizenzkosten, die die Weiterführung von WFRP2 mit Sourcebooks und ähnlichem einfach nicht zugelassen hätte, wenn man nicht sinnlos Geld verpulvern will. Eine Neuauflage war aus finanzieller Sicht unvermeidbar.

Lüge Nr. 4: Das ist so ein high-power, hack'n'slay Tapletop und nicht mehr WFRP.

Führt man die Antwort auf Lüge Nr.2 ein wenig weiter, wird deutlich, dass diese Behauptung sogar noch weniger Substanz und Rechtfertigung besitzt. Das Clevere an dieser Lüge ist ohne Zweifel dass es zur Zeit noch unmöglich ist irgendeine Einschätzung zu beweisen oder zu widerlegen. Ganz einfach weil das Regelwerk noch nirgendwo der Öffentlichkeit vorgestellt wurde. Es ist sicherlich noch möglich, dass WFRP3 sich als verkapptes Tabletop entpuppt, aber das ist ebenso wahrscheinlich wie ein Bundeskanzler der 2009 von der Piratenpartei gestellt wird.

Lüge Nr.6: Die Charaktererschaffung läuft nach einem Deckbuilding-prinzip und wird nicht mehr ausgewürfelt.

Diese Unwahrheit ist beinahe schon überzeugend, weil hier etwas Falschinformation, Fehlschluss und Angstschürerei zu einem potenten Cocktail gemixt wird. Die Wahrheit lautet, dass die Karrieren bei WFRP3 auf Karten abgedruckt werden und nun zufällig gezogen werden und nicht mehr zufällig erwürfelt. Sie sind damit genauso zufällig wie zu WFRP2-Zeiten, aber nun lassen sich die möglichen Karrieren besser auf die Wünsche und Vorlieben der Gruppe ausrichten. Wenn man also keine Barber-Surgeons in der Gruppe haben will (warum auch immer), dann kann man diese Karriere einfach entfernen und durch andere Karrieren ersetzen, aus denen man eher zufällig wählen möchte. Gerade in Hinblick auf die Einbindung neuer Karrieren durch Erweiterungsbände und -boxen, ist diese Umstellung auf bedruckte Karten ein Gewinn für WFRP-Spieler.

Wer weitere Lügen zu WFRP3 widerlegt haben will, soll sie mir per Kommentarfunktion mitteilen.

Mittwoch, September 09, 2009

Warum Storyteller keine Ahnung haben

Definition - Storyteller: Jemand, der Rollenspiele spielt, um am Ende ein Abenteuer gespielt zu haben, dass sich rückblickend als gut geformte Geschichte präsentieren lässt.

Storyteller (oder auch Narrativisten, Erzählonkel, etc.) haben sich in letzter Zeit ziemlich viel anhören müssen, was ihre Spielweisen, Vorlieben und ihr Rollenspielverständnis angeht. Nicht alles davon war ungerechtfertigt. Schließlich vergessen Storyteller eine simple Wahrheit übers Rollenspielen:

Niemand spielt Rollenspiele, um eine Geschichte zu erleben.

Eine durchaus komplexe Aussage, weshalb ich sie gerne wiederhole.

Niemand.
Spielt Rollenspiele.
Um eine Geschichte.
Zu erleben.

Rollenspiele wegen ihrer Geschichte zu spielen, ist wie Filme wegen der Special Effects zu schauen. Oder Videospiele wegen ihrer Grafik zu spielen. Oder Musik wegen ihrer großen Beliebtheit zu hören. Das ist etwas für Leute, die einfach grundlegend nicht verstanden haben wofür die Sache da ist, mit der sie sich da beschäftigen.

Das ist jedoch nicht gleichbedeutend mit der Behauptung, dass diese "Geschichte" fürs Rollenspiel unwichtig ist. Ganz im Gegenteil. Sie ist sogar unverzichtbar, um aus einem netten Zeitvertreib eine erfüllende Freizeitbeschäftigung zu machen. Erst durch eine Geschichte ist es möglich dem Spiel eine (inhaltliche und emotionale) Komplexität zu verleihen, die einen selbst dann noch zu unterhalten weiß, wenn man sich nicht in die geistige Pubertät versetzt.

Eine Geschichte hat im Rollenspiel einen großen Einfluss auf die Qualität des Spielabends. Sie ist gewissermassen die wichtige Zutat, die aus einem abstrakten Konfliktspiel eine gemeinschaftliche Aktivität macht, die einen emotional vielfältig ansprechen kann. Nun ist eine emotionale Reaktion während einer Freizeitbeschäftigung weder ungewöhnlich noch ungewollt. Im Gegenteil: gute Spiele zeichnen sich sogar dadurch aus, dass die Spieler mitfiebern und um den Sieg bangen. Man sucht und genießt das Auf und Ab wenn der Sieg mal dem einen und mal dem anderen Spieler sicher ist. Ohne diese emotionale Komponente wären sämtliche Spiele nur ein dröges Durchexerzieren irgendwelcher Regeln.

Rollenspiele zeichnen sich nun dadurch aus, dass sie durch eine Geschichte die Bandbreite an emotionalen Reaktionen um ein Vielfaches erweitern können. Es ist nicht mehr allein die Frage nach Sieg oder Niederlage, die den Motor für den Spielgenuss liefert. Man kann mit dem Schicksal von Charakteren mitfiebern, ohne dass man um sich selbst bangt. Man kann sich an der Komplexität der Spielwelt erfreuen und all den Situationen, die für diese Spielwelt typisch sind. (Hier werden den ersten vielleicht schon Begriffe wie Immersion oder gar Simulationismus im Kopf herumschwirren. Aber das sind begriffliche Irrlichter.)

Hier sollte einem auffallen, dass diese Bandbreite an emotionalen Reaktionen für viele Leute der Grund ist zu einem Roman zu greifen, sich einen Film anzuschauen, Musik zu hören usw. usf. Es ist diese Bandbreite an Erfahrungen (und in einigen Fällen auch der persönliche Wissensgewinn der darauf aufbaut), die viele Leute dazu bringt sich mit erzählenden Medien auseinanderzusetzen. Es ist genau diese Parallele, die den oben erwähnten Storyteller, auf die falsche Fährte lockt und glauben lässt, dass das Rollenspiel ebenfalls ein Erzählmedium ist und noch dazu ähnliche und vergleichbare Erzählstrukturen nutzt. Sei es nun Plotaufbau, Genreabgrenzung oder ähnliches.

Das ist jedoch ein Irrtum. Geschichten sind im Rollenspiel das Mittel mit dem man Spielgenuss erreicht, sie sind jedoch nicht das Ziel des Spiels.

Wenn Storyteller sich nun darauf versteifen, dass sie ein ganz anderes, ganz eigenes Hobby spielen, dann zeigen sie damit nur, dass sie die Mittel des Spiels für das Ziel halten. Auch und gerade, wenn die Regeln eines Rollenspiels abdecken sollen welcher Spieler was erzählen darf oder wenn die Regeln abdecken sollen, welche typischen Elemente einer Geschichte ins Spiel wie und wann eingeflochten werden. Gerade in diesen Spielen wird der Gruppe/dem SL lediglich ein feineres Werkzeug in die Hand gelegt, mit dem die Geschichte feiner und differenzierter in das Rollenspiel eingebracht werden kann. Aber zu keinem Zeitpunkt geht es darum eine Geschichte zu formen oder sie zu erleben. Es geht weiterhin allein um das Rollenspiel wie man es kennt und schätzt. Es gibt keine zwei Klassen. Es gibt keine zwei unterschiedlichen Hobbies.

Wer sich als Storyteller ganz der Dramaturgie, dem Genre oder dem Plotaufbau einer Geschichte verschreibt, der verwechselt einfach nur das Gewürz mit der Mahlzeit und muss sich den Vorwurf gefallen lassen, dass er nicht weiß wie man kocht.