Montag, Februar 22, 2010

Warum düster immer plump ist

Ich habe den Eindruck, dass zynische Charaktere auf viele Spieler einen besonderen Reiz ausüben. Aber auch Charaktere, die nicht ganz sauber sind und eine gewisse Unbequemlichkeit an sich haben, werden oft gerne gespielt. Ein Charakter, der viele Schattenseiten hat, ist interessanter und packender als ein Charakter, dessen formgebende Eigenschaft, sein unerschütterlicher Glaube an das Richtige und das Gute ist, und das dabei noch ohne offensichtliche Scheinheiligkeit und Widersprüche tut.

Im Prinzip neige ich dazu diesem Gedankengang mit Vorbehalt zuzustimmen. Aber in der Praxis, also am Spieltisch selbst, sehe ich etwas ganz anderes passieren. Dort drängt sich mir die Erkenntnis auf, dass solche zynischen, schattigen Charaktere lediglich eine andere Form von Powergaming sind. Sie sind eine Art der Allmachtsphantasie, die sich ihre Unantastbarkeit nicht über Punktewerte und ähnliches erarbeitet, sondern über den Charakter der Spielfigur.

Als zynischer, schattiger und häufig auch aufmüpfiger Charakter widersetzt man sich jeglichem Druck und jeglichen Zwängen, dem eine beliebige Figur in der Spielwelt ausgesetzt ist und kann sich so vor jeglicher Form der Verantwortung innerhalb des Settings drücken. Solche Charakter zu spielen ist ohne Frage sehr befreiend. Man muss sich nicht darauf einlassen die richtigen Umgangsformen zu wählen um mit einem NSC zu sprechen, sondern kann frei entscheiden wie sich der Charakter verhält. Man muss sich keine Gedanken machen wie der Charakter reagiert, wenn er mit Situationen konfrontiert wird, die einen normalen NSC mit seinen Überzeugungen in Konflikt bringen. Ein solcher Charakter kann immer jene Überzeugung haben, die ihm gerade passt oder hilft. Ein solcher Charakter hat auch selten Verpflichtungen, die er einhalten muss. Wer Zyniker ist und alles mokiert womit er konfrontiert wird, der ist niemandem etwas schuldig. Und wenn ein solcher Charakter dann doch etwas tut, was nicht für ihn von Vorteil ist, dann ist das bereits eine große Sache.

Solche Charaktere sind einfach zu spielen und benötigen so gut wie keine Anstrengung um gespielt zu werden. Man kann als Spieler tun und lassen was man will und muss sich recht wenig um die Spielwelt selbst kümmern. Es ist egal wie komplex, durchdacht oder vielschichtig die Spielwelt sein mag. Wenn sie mit einem solchen Charakter konfrontiert wird, wird sie automatisch vereinfacht und auf eine reine Kulisse reduziert. Damit kann man sich als Spieler bequem aus der Verantwortung stehlen sich mit der Spielwelt auseinanderzusetzen und ihr durch die eigene Interaktion Leben einzuhauchen. Eine Herangehensweise, die ich voll und ganz verstehen kann, wenn man aus welchen Gründen auch immer, eine Rollenspielrunde spielt um etwas Zerstreuung zu suchen ohne sich dabei übermäßig anzustrengen. Solche Charaktere machen das Spiel eben nicht interessanter und packender. Sie machen das Spiel auf der inhaltlichen und thematischen Ebene einfacher. Als Spieler kann man das gesamte Geschehen auf Armlänge halten und aus sicherer Distanz darin herumstochern, ohne Gefahr zu laufen, dass irgendetwas passiert was einen tatsächlich packt. An Stelle von thematischer und inhalticher Komplexität nudelt man altbekanntes und uninteressantes ab.

Interessanterweise habe ich das gleiche Phänomen auch auf Spielleiterseite schon gesehen. Schattige, düstere und harte Setting (am weitesten verbreitet ist das sicherlich bei Post-apokalyptischen Settings) die jegliche Komplexität abwürgen, weil am Ende alles auf den reinen Überlebenskampf reduziert werden kann (und oft wird). Wenn das Setting darauf ausgelegt ist uneingeschränkten Pragmatismus zu fördern, dann werden damit sämtliche anderen Überlegungen an den Rand gedrängt und allein auf ihre Funktionalität heruntergebrochen. Ein Vorgehen, dass ich verstehen kann, wenn man der Komplexität einer Spielwelt aus dem Weg gehen will - wofür es oft gute Gründe gibt. Aber es ist ein Vorgehen, das den Anspruch an Komplexität und gehobenem Rollenspiel deutlich zuwiderläuft.

Ich denke ein Rollenspiel, in dem man Helden spielt; in dem man Charaktere spielt, die auch Dinge jenseits des pragmatischen Eigeninteresses verfolgen und in dem man es mit einem Setting zu tun hat, dass nicht immer nur das Überleben der Charaktere aufs Spiel setzt... ist für ein anspruchsvolles, komplexes, immersives und überhaupt befriedigendes Rollenspielerlebnis weit besser geeignet.

Heldenhafte Charaktere und auch ungefährlichere (nicht unbedingt harmlose) Spielwelten, ermöglichen weit interessanteres und packenderes Rollenspiel, als ihnen oft zugebilligt wird. Vorausgesetzt sowohl SL als auch Spieler sind gewillt, sich mit mehr darin auseinanderzusetzen ausser der Frage was einen gerade umbringen kann.

Dienstag, Februar 09, 2010

Angeignete und übertragene Zitate - die David Simon Ära

"Weißt du was du bist, wenn du kein Ende für deine [Spielrunde] anpeilst? Ein Stümper. Du bist kein [Spielleiter]. Du magst vielleicht nicht die Unfähigkeit eines Stümpers haben. Vielleicht bist du ein fantastischer [Spielleiter], aber du machst das was Stümper tun. Du bist auf dem besten Weg in die Stümperei and es wird dich nichts davon abhalten, denn [Rollenspiele] haben einen Anfang, eine Mitte und einen Schluß."

Zur Frage warum ich keine Kampagnen mit offenem Ende mag.