Mittwoch, Februar 27, 2008

Wer lernen kann, ist klar im Vorteil

Im Story Games Forum gibt es eine Diskussion über Spiele, deren Spaßpotential man sich erst mit etwas Übung und Aufwand erschließen kann. Wer das für eine Besonderheit von solchen Story Games hält, der sollte daran denken, dass es viele Spiele gibt, die erst mit etwas Übung wirklich aufblühen.

Tennis wird um ein vielfaches interessanter, wenn man in der Lage ist den Ball zielsicher auf eine bestimmte Seite des Feldes zu schlagen. Es reicht bei einem Spiel wie Schach nicht aus die Regeln zu kennen; man muss auch seinen strategischen Blick auf das Brett schulen. Wer sich nicht damit beschäftigt, wie man effizient seine Mittel nutzt, oder seine Handlungsoptionen am besten kombiniert, der wird bei D&D nur an der Oberfläche dessen kratzen, was das Spiel zu bieten hat.

Das ist bei den so genannten Story Games (zu denen ich Primetime Adventures, Dust Devils, Shab-al-Hiri Roach und viele andere zähle) nicht anders. Was man hier lernen bzw. üben muss, ist nützliche und spaßfördernde Beiträge zum Spiel zu leisten: Beiträge die sowohl den Anforderungen des Regelwerks entsprechen als auch den Qualitätmaßstäben der Gruppe.

Was man bei solchen Spielen manchmal üben muss, ist die Fähigkeit durch Erzählung oder Schauspiel die Dinge zum Spiel beizutragen, die durch das Regelwerk erfasst werden können und zusätzlich dazu das Spiel bereichern und eine Atmosphäre zur Folge haben, die die Spieler anspricht. Ersteres sollte sich ohne Probleme aus dem Regelwerk ablesen lassen. In einem Spiel wie WFRP drückt sich das durch eine Formulierung wie, "Wenn ein Charakter etwas tun will, dann...." aus. Manchmal muss man ein wenig probieren und experimentieren, bis man verstanden hat wie in einem neuen Spiel ge-rollenspielt wird. Letzteres wird bei herkömmlichen Spielen durch ein für alle verbindliches Setting umgangen und in einigen Gruppen voll und ganz in die Hände des SLs gelegt. Aber viele Story Games, insbesondere die ohne klar gezeichnetes Setting oder engen Genrebindungen, überlassen es den Spielern selbst wo sie die Grenze ziehen zwischen einem Beitrag, der die Spielatmosphäre stärkt und einem, der sie stört.

Es gilt zu üben wie man einen solchen Standard entwickelt oder erkennt und wie man sich um dessen Einhaltung kümmert. Es geht um das Entwickeln einer spielgebundenen Sozialkompetenz.

Dienstag, Februar 26, 2008

Aus Spielen gezogene Erkenntnisse

Ich habe mal kurz Revue passieren lassen, was mir durch das Spielen in den letzten paar Monaten vor Augen geführt wurde.

Durch Warhammer Fantasy Role Play ist mir klar geworden, dass Zufallselemente kein Nachteil sind, den es zu minimieren gilt; sondern eine besondere Stärke des Rollenspiels. Zufällig ermittelte Details zwingen den Spieler außerhalb der gewohnten Bahnen zu denken, wenn es um das Formen des Charakters geht. Dank des einfachen Kampfsystems wird der unvorhersehbare Aspekt des Rollenspielens nach vorne gestellt. Bei jedem Kampf (und eigentlich jedem Würfelwurf) kann das Geschehen in eine unbeabsichtigte Richtung umschwenken. Dank solcher schwer kontrollierbaren Zufallselemente kann niemand am Tisch mit Sicherheit sagen, wohin das Abenteuer gehen wird.

Paranoia hat mir aufgezeigt, dass ein SL immer deutlich machen sollte wann er als Schiedsrichter, als NSC oder als Spieler mit eigenen Interessen handelt. Zum einen wird so bei unliebsamen Situationen nicht immer wieder das Vertrauen der Spieler in den SL auf die Probe gestellt; zum anderen hilft es dem SL ebenfalls klar zwischen seinen unterschiedlichen Aufgaben zu trennen.

Mit Dogs in the Vineyard habe ich bemerkt, dass die Trennung zwischen Würfeln und Ausspielen/Beschreiben zwar schön überschaubar ist, aber auch den Spielfluß stört. Diese zwei Dinge immer in Verbindung zu halten, ist zwar manchmal etwas aufwändig; aber führt zu einer weit interessanteren Spielwelt. Würfellastige Stellen (wie z.B. Kämpfe) sind dann nicht nur eigenständige Minispiele, sondern tragen genausoviel zum Rollenspielerlebnis bei, wie die Interaktionen und Beschreibungen. Umgekehrt gilt das selbstverständlich auch.

Primetime Adventures
hat mich davon überzeugt, dass man in manchen Spielen zwischen Charakter und Spieler nicht nur trennen kann, sondern muss; damit das Spiel überhaupt flüssig laufen kann. Den Charakter als nach eigenen Richtlinien handelnd zu verstehen, ist bei weitem nichts neues und führt bei manchen herkömmlichen Rollenspielen schonmal zu Frust und Konflikten (stichwort: "Der Charakter würde das niemals tun."). In vielen Spielen müssen sich Spieler, die so an ihren Charakter gehen im Zweifelsfall dem Druck der Gruppe beugen oder als Spielverderber dastehen. Es gibt jedoch auch Spiele, in denen die innere Logik des Charakters im Mittelpunkt steht und der Fortgang des Spiels vorallem daraus resultiert. In solchen Spielen muss man sich davor zurückhalten den Charakter nur als Ausdruck der Interessen des Spielers zu behandeln.

Freitag, Februar 08, 2008

Wie Fiktionsstile entstehen

Mit Fiktionsstil ist das Gesamtbild der Beschreibungen gemeint: die Stimmung der Rollenspielrunde oder die Art der kreativen Inhalte des Spiels. Wie jeder weiß ist ein schlüssiges und konsistentes Gesamtbild ansprechender als ein wildes Durcheinander voller Widersprüche und stilistischer Unstimmigkeiten. Eine Spielrunde in der die Beschreibungen, die Charaktere und die Ereignisse schlüssig und stimmig sind, ist einfach interessanter als etwas das willkürlich, zufällig und lieblos zusammengeschustert wirkt.

In Rollenspielrunden sind mir bisher drei unterschiedliche Vorgehensweisen begegnet, wie Gruppen sich daran machen ihrer Spielwelt einen klare stilstische Linie zu geben. Diese lassen sich wie folgt umreißen:

1) Der Auteur

Hier nimmt sich ein einzelner Spieler (häufig der SL) der Aufgabe an, die verschiedenen Beiträge und Handlungen der anderen Spieler stilistisch unter einen Hut zu bringen. Das hat zur Folge, dass dieser "Auteur" z.B. die Beiträge der anderen Spieler anpasst, bevor sie Teil der Spielwelt werden oder sie gänzlich ablehnt, sollten sie mit seiner Vorstellung nicht vereinbar sein. Solange die Authorität des "Auteurs" nicht angezweifelt wird, können sich die restlichen Spieler zurücklehnen und die konsistente Spielwelt und damit ihren Spaß an einer stringenten Fiktion dem "Auteur" anvertrauen. Da hier so gut wie nichts von den anderen Spielern gefordert wird, hat diese Herangehensweise viele Anhänger.

2) Die Textauslegung

Hier geht die Gruppe von einem (unausgesprochenen) platonischen Ideal der Spielwelt aus, dem man sich durch das Spiel annähert. Dieses Ideal wird vor allem in Hintergrundtexten (sog. Fluff) ausgedrückt und es liegt an der Gruppe diese richtig und vollständig umzusetzen. Manche greifen hierbei nicht nur auf Hintergrundtexte des Rollenspiels zu, sondern auch zu Sachbüchern und anwendbarem Fachwissen des Spielers. Hier ist es nicht die Vorstellung eines Einzelnen, die formgebend für die Fiktion ist, sondern die "harten Fakten der (gewählten) Realität". Diese Herangehensweise ist vor allem bei den Spielern beliebt, für die eine objektive Spielrealität wichtig ist und die einen unüberwindbares Hindernis darin sehen, von einem anderen Spieler Objektivität zu erwarten.

3) Die Basisdemokraten

Hier wird der Fiktionsstil durch alle Teilnehmer geformt. Im Laufe des Spiels wird ausgehandelt was für ein Stil und was für eine Stimmung die Fiktion besitzt. Damit diese Vorgehensweise gelingt, müssen die Spieler sich neben dem Inhalt der Fiktion auch mit ihrer Form befassen. Sie müssen kritikfähig und entscheidungsstark sein. Vor allem aber müssen sie in der Lage sein, sich dem Konsens zu beugen statt sich den Konsens gefügig machen. Wenn das gelingt, entsteht eine sehr dynamische Fiktion, die trotz ihrer Unvorhersehbarkeit schlüssig wirkt. So als hätte sie ein Eigenleben. Misslingt es, so landet man häufig in einem offen oder verdeckt ausgetragenen Machtkampf zwischen den Spielern, in dem einzelne nach der von der Gruppe legitimierten Rolle des "Auteurs" buhlen.

Jede der Vorgehensweisen hat ihre Stärken und Schwächen. Es hilft jedoch wenn jeder am Tisch sich im Klaren darüber ist, wie man diese Dinge zu handhaben gedenkt. Das erspart einem unnötig Frust und Konflikte.

Donnerstag, Februar 07, 2008

Spieltipp III

Vermeide Spielbeiträge, die Erklärungen oder Rechtfertigungen benötigen.

Eine flüssige Spielrunde zeichnet sich durch eine rege Spielerinteraktion aus. Das heißt, dass die Spieler unentwegt spielrelevante Informationen austauschen bzw. zum Spiel beitragen. Im herkömmlichen Rollenspiel fallen darunter sowohl Handlungsansagen ('Mein Charakter will die Tür aufstemmen.' oder 'Ich ziehe mein Schwert.') als auch Beschreibendes ('Das Gemälde ist sehr lebensnah und beeindruckend.' oder jede Form von Schauspiel am Spieltisch). Alles was das Spiel vorantreibt gilt als spielrelevant. Erklärungen und Rechtfertigungen für etwas das passiert oder gesagt wurde ('Drurog kauft sich kein Brot, weil...' oder 'Die Wache wird nicht kommen, weil...'), hemmen hingegen den Spielfluß. Anstatt das Spiel voranzutreiben, muss man dafür sorgen, dass die Spielhandlung in das laufende Spiel passt. Es müssen erst Widersprueche aufgelöst und Zusammenhänge etabliert werden, bevor es weitergehen kann.

Wenn man die Spielhandlung erst noch erklären oder rechtfertigen muss, sollte man sofort aufhorchen. Irgendetwas läuft nicht so wie es sollte. Es gilt also zu versuchen Charaktere Dinge tun zu lassen bzw. Beschreibungen zu liefern, die für die anderen Spieler ohne Nachdenken nachvollziehbar sind. Diese Zielsetzung wird umso einfacher, je mehr man auf das zugreift was bereits etabliert wurde. Je stärker man ein Auge auf die bestehende Fiktion hält, umso einfacher ist es diese flüssig fortzuführen. Eigentlich ganz selbstverständlich, aber ich treffe immer wieder auf Leute, die gerade hier ins Stolpern kommen. Leute, die erst noch ausholen müssen bevor sie geradeheraus sagen, was sie tun. Oder bei denen jede Spielhandlung, noch einen Kurzmonolog nach sich zieht.