Montag, November 02, 2009

Odyssee 2009 - Nachbericht

Die Odyssee ist vorbei und es wurde wieder ausgiebig gespielt. Im Gegensatz zu den letzten 2 Jahren fiel der Termin nicht in den Sommer, sondern direkt zu Halloween, zur MMC und eine Woche nach der Spiel in Essen. Ich hatte den Eindruck, dass sich das auch auf die Besucherzahl ausgewirkt hat. Selbst während der Pause wirkte der grosse Saal nicht übermässig voll.

Das tat der Spielatmosphäre jedoch keinen Abbruch. Der mittlerweile zum dritten Mal angereiste Spielerenvoy aus Greifswald fuhr soweit ich erkennen konnte, zufrieden nach Hause. Die Runden waren von üblich hohem Unterhaltungswert, und das Online-Melde-System ist augenscheinlich die bisher beste organisatorische Neuerung seit langem. Allein einige Schönheitsfehler gilt es noch zu beseitigen. Denn durch Schwänzer und Mehrfachanmelder, kam es hier und da zu Verwirrung und zu enttäuschten Gesichtern, als man im Nachhinein hörte, dass die favorisierte Runde noch Platz gehabt hätte, auch wenn der Aushang anderes behauptete. Ich denke, das wird spätestens zur nächsten Odyssee ausgebessert sein.

Ich habe insgesamt 4 Runden angeboten, von denen 1 ausfiel und mir so erlaubte mich ein wenig mit Leuten zu unterhalten, die ich lange nicht mehr gesehen hatte. Dass ausgerechnet My Life with Master nicht stattfand, kam mir jedoch gelegen, da ich als ich am Freitag abend eintrudelte doch bemerkte, dass mir der Sinn nicht nach persönlichem Horror stand.

Meine beiden Runden am Samstag haben viel Spaß gemacht. Die Poison'd-Runde am Samstag vormittag, hatte nach anfänglichen Momenten der Grenzüberschreitung einen Tonfall gefunden, der uns allen gut gefiel. Es war laut und recht gewalttätig, aber das schien die Spieler nicht zu stören. Schnell nahmen sie den Kampf mit einem britischen Flagschiff auf. Der deutsche Gunnery Master konnte durch eine gelungene Geiselaktion das Schiff unter die Gewalt des Piratenkapitäns "Skinny Brute Sid" bringen. Aber als es zur Verteilung der Beute kam, machte sich Unmut breit und nach einigen wilden Reibereien zwischen den Figuren, kamen es zu einer kurzen und entscheidenden Schießerei. Am Ende hatte die Crew einen neuen Captain, und einen treu-loyalen Gunnery Master. Und Skinny Brute Sid wurde auf dem Wrack des alten Schiffs, der Dagger, zurückgelassen. Wie bei Einführungsrunden so häufig, habe ich ein klein wenig zu oft auf das Würfelsystem gegriffen um zu versuchen möglichst alle Facetten davon zu zeigen. Trotzdem denke ich, dass das Spiel zu unterhalten wusste.

Am Samstag abend wurde Cold City gespielt. Als internationaler Trupp machten sich vier Spieler auf den Weg (eigentlich 5, aber die oben erwähnten Doppelbeleger verhinderten erfolgreich, dass Yevgeny Chernyakovsky an dieser Mission teilnehmen konnte) um den etwas fragwürdigen Todesfall von Gunter Roth zu untersuchen. Das Abenteuer war stark auf Deduktion und ähnliches ausgelegt, dadurch trat das Regelsystem ein wenig in den Hintergrund. Stattdessen verbrachte man viel Zeit damit das Setting zu erforschen und ich bin immer wieder verblüfft, wie unglaublich viel Stil und Ambiente Berlin in den 50ern hat. Das Abenteuer endete mit einem Cliffhanger oder eher ohne eindeutige Lösung, in einem abgesperrten U-Bahn-Tunnel. Dort stellten die Spieler einen jungen, von etwas Unbekanntem besessenem Mann, der die um ihn herum verstreuten toten VoPos kontrollierte und gegen die Charaktere aufbrachte. Ein Charakter erleidete durch den auferstandenen Toten, der ihn anzugreifen versuchte einen Nervenzusammenbruch und Lt. Danvers war drauf und dran, das Ding voll Blei zu pumpen. Was danach geschah, wurde nicht mehr geklärt, aber ich denke das war auch nicht mehr von Bedeutung.

Am Sonntag dann habe ich Paranoia geleitet. Oder besser gesagt es versucht. Me and My Shadow Mark 4 ist zwar ein fantastisches und sehr unterhaltsames Abenteuer, aber ich war zum einen noch sehr übermüdet und zum anderen, hatten die Spieler genug eigene Ideen und Impulse, um keines der Ereignisse aus dem Abenteuer nach sich ziehen zu müssen. Womöglich hätte ich das Abenteuer etwas straffer geleitet, wenn ich mich besser hätte konzentrieren können. So geschah zwar am Tisch sehr viel.. der Alpha Complex wurde am Ende durch einen EMP ausgeschaltet.. aber ausser der legendären "Something falls off"-episode, trat keines der Ereignisse des Abenteuers ein. Allerdings habe ich auch den Eindruck, dass Odyssee-Besucher nicht unbedingt die Herangehensweise ans Rollenspiel nutzen, die man unter klassischen Rollenspielen und damit auch unter Paranoia voraussetzt. Mehr Problemlösung und knallharter Überlebenstrieb und weniger Spielwelterforschung und amüsierende Charakterinteraktion hätten besser in das Abenteuer gepasst. Ich denke, auf dem Burg-Con wird das Abenteuer eher das richtige Publikum und ich vor allem vorher ausgiebig Schlaf finden.

Sonntag, November 01, 2009

Spiel 2009 - Flut an Spielen (Teil 2)

Im Gegensatz zu den Rollenspielen war die Auswahl an interessanten Brett- und Kartenspielen überwältigend. Von daher werde ich meine Eindrücke hier etwas kürzer fassen. Manche der Spiele waren Neuerscheinungen auf der Spiel, manche habe ich bei meinem Gastgeber und seiner Spielrunde probieren dürfen.

The Adventurers: Sehr schnelles, einfaches und schön aufgemachtes Wettlaufspiel mit Pulpthematik. Man läuft vor einem immer schneller werdenden Felsbrocken davon, sammelt soviele Schätze wie möglich ein (die einen jedoch verlangsamen) und versucht lebend den Tempel zu verlassen. Am ehesten mit Talisman vergleichbar, wenn Talisman schnell und bunt wäre und vom Spieler ununterbrochen risikoreiche Entscheidungen fordern würde.

Aargh!Tect: Ein Partyspiel in dem ein Urzeitarchitekt einem Urzeitbauarbeiter erklären muss, wie man sein geplantes Gebäude aus den bunten Holzbausteinen des Spiels zu bauen hat. Dabei muss man zu wilden Gesten greifen um Farben anzusagen und sich einer vorgegebenen Urmenschensprache bedienen, um zu vermitteln wo der Stein wie aufgebaut werden soll. Versteht der Baurbeiter die Anweisungen falsch, haut man ihm zwei mal mit der aufblasbaren Keule auf die Rübe. Macht er es richtig, zieht man ihm nur ein Mal eins über. Ein alberner Spaß, der viel Gelächter und Gehampel zu verursachen weiß, aber ein wenig überteuert.

Chaos in der Alten Welt:
Ein konfrontationsreiches Brettspiel für vier Spieler, die als Chaosgötter die Alte Welt Warhammers an sich zu reißen versuchen. Als wahlweise Khorne, Nurgle, Tzeentch oder Slaanesh versucht man Länder zu beherrschen, durch Chaoseinfluss zu zerstören und seine Gegenspieler an den gleichen Dingen zu hindern. Das Spiel verläuft schnell, konfliktorientiert und taktisch. Jeder Chaosgott spielt sich mit einer anderen Vorgehensweise am Besten. Hier muss man immer und andauernd auf der Hut sein, sonst verschenkt man womöglich den Sieg, der nicht allein auf dem Schlachtfeld, sondern auch auf anderem Wege erreicht werden kann. Jeder Chaosgott hat eine persönliche Siegbedingung, die nach individuellen Regeln erreicht wird. So kommt es nicht selten vor, dass einer der Chaosgötter durch sein persönliches Ziel gewinnt, während der Rest noch darum ringt Kislev dem Erdboden gleichzumachen. Dass es in dem Spiel Bauernmarker gibt, die so gut wie keine andere Funktion haben als von den Kriegern der Chaosmächte dahingestreckt zu werden, ist nur eins von vielen Warhammer-typischen Details. Das Spiel war so reizvoll, dass ich mir am Samstag gleich die deutsche Übersetzung zugelegt habe.

Descent:
Böse Zungen setzen Descent gerne mit D&D4 gleich, aber ich finde das stimmt nicht. D&D4 ist weit weniger friemelig und erschlägt einen nicht mit Markern, Zählern und Figuren. Ein Overlord steuert Horden von Monstern durch ein Szenario, d.h. einen Dungeon, den sie zu erforschen und zu überleben haben. Ich bevorzuge weiterhin Doom, sowohl vom Schwierigkeitsgrad wie auch von der Regelkomplexität. Und wenn mir der Sinn nach zeitintensiven Fantasyschlachten steht (was so etwa alle 8-10 Monate der Fall ist), kann ich immer noch zu D&D greifen. Nett, aber mir nicht die Zeit und Mühe wert, die eine Spielsitzung von einem abverlangt.

A Game of Thrones: Das Brettspiel zur ewig verschobenen und vermutlich niemals vollendeten Fantasyreihe. Ich hatte den Nachteil, dass ich ein nicht gerade einfaches Strategiespiel mit Leuten spielen durfte, die sich damit schon ausgiebig Schlachten geliefert haben und zu jedem Haus, dass man spielen kann, eine mehr oder minder qualifizierte Meinung hatten. So dauerte es gut drei Züge bis ich ansatzweise verstanden hatte, wie das Spiel ablief und noch mal drei bis ich mir zutraute die Absichten der Spieler einschätzen zu können. Das Spiel war im 7. Zug beendet. Ich habe den Eindruck, dass ein komplexes (aber nicht umständliches) Strategiespiel dahinter steckt, das man jedoch nur mit Leuten spielen sollte, die einem in Sachen strategisches/taktisches Können nicht haushoch über- oder unterlegen sind. Das Aufbauen von Truppen, das Verteidigen von Ländereien, das Ressourcenmanagement zum Unterhalt der Truppen, die unterschiedlichen Ereignisse, die auf das Spielfeld jede Runde wirken und die Abstimmungen über die beste Kampfeskraft und den höchsten politischen Einflluss und ähnliches, ergänzen sich und lassen ein spannendes, komplexes und sehr buchgerechtes Spiel entstehen, in dem dennoch viel allein von der Kunst der Verhandlung abhängt. Ich würde es sicherlich noch mal probieren wollen, aber wenn möglich mit Leuten, die das Spiel ebenso schlecht kennen, wie ich.

Hystericoach:
Am einfachsten zu umschreiben als das Trappatoni-Brettspiel. Ein Spieler muss durch wildes Gestikulieren und umständliche Anweisungen seinem Teamkollegen vermitteln, wie die Mannschaft sich aufzustellen hat. Der Clou ist, dass man die einzelnen Spieler nur mit ihrem umständlichen Namen aufrufen darf und Worte wie "vorne", "zurück", "rechts" und "links" nicht benutzen darf. Alles während die Gegenmannschaft ähnlich hektisch und laut das Gleiche tut. Das Spiel ist ähnlich komplex wie Aargh!Tect, aber sowohl preiswerter als auch aufgrund der Thematik mit ein klein wenig mehr Stil gesegnet.

Infinite City: Ein Kartenlegespiel der Carcassone-schule, das uns von den Supportern des AEG-Standes sehr empfohlen wurde. Ähnlich wie Carcassone ist das Spiel trocken, zufällig und wenig unterhaltsam, da man sich nur von Runde zu Runde Punkte weg nimmt. Infinite City kann zumindest Sonderaktionen mit jeder Karte aufweisen. Carcassone ist dagegen schön bunt. Sehr langweilig und bestenfalls an Leute verschenken, die Siedler von Catan für einen Geniestreich halten.

Mr Jack in New York: Die Fortsetzung von Mr Jack, dem überraschend lohnenswerten 2-Spieler-Spiel mit der freundlichen Aufmachung und der schaurigen Thematik. Jack the Ripper versucht immer noch der Polizei zu entkommen, und der Sergeant hat alle Hände voll zu tun ihn zu entlarven und dingfest zu machen. Durch sorgfältiges Manövrieren der Figuren, dem geschickten Einsatz ihrer Sonderfertigkeiten und der Eigenheiten der besonderen Spielfelder, versuchen Sergeant und Mr Jack ihre jeweiligen Ziele zu erreichen. Diesmal gibt es 8 fast ganz neue Rollen und das Spielbrett ist weniger statisch als beim Vorgänger, da es erst im Laufe des Spiels bebaut wird. Das Spiel setzt dadurch weniger auf Deduktion und mehr darauf kontrollierenden Einfluss auf die Spielflächen auszuüben. Wenn man nicht darauf achtet Jack den Fluchtweg abzuschneiden, ist das Spiel schnell gelaufen. Nur für Leute, die sich am Original bereits satt gespielt haben.

Donnerstag, Oktober 29, 2009

Spiel 2009 - Eindrücke, Meinungen, Sensationen (Teil 1)

2 Tage Spiel und 4 Tage Heinsberger Spielregion liegen hinter mir und damit auch einige neue Spielerfahrungen.

An Rollenspielrunden habe ich nur 3 Stück mitnehmen können. Zwei davon Demo-runden auf der Messe. Das erste Rollenspiel war 3:16, in einer lustigen 4-Spielerrunde. Sgt. Sex Machine, Corporal Psycho und Trooper Tigerclaw brachen auf um Terra präventiv vor einer Bedrohung durch die Aliens zu schützen. Dass die Aliens sich allein mit Katapulten und Suizidangriffen verteidigen konnten, tat der taktischen Mission keinen Abbruch. Selbst als es darum ging den zivilen Stützpunkt zu säubern, wussten die Marines effizient zu handeln. ("Der Feind hat seine Stützpunkte mit seinem Leben verteidigt. Ob er wollte oder nicht.") Nach mittlerweile 2 Runden habe ich den Eindruck, dass 3:16 ein Spiel ist, das mit viel Gelächter und Albernheit beginnt und im Laufe der Mission(en) immer bitterer und unangenehmer wird. Zumindest liefen beide Runden in diese Richtung. Die anfänglich lächerliche Überzeichnung eines hypermilitaristischen Settings wird zunehmend erdrückender und beklemmender. Es beeindruckt mich zwar wie präzise das Regelwerk als Spiel funktioniert, das Setting und all die Grausamkeit und Mordlust darin macht aus einem Starship-Troopers-Actioner im Verhoeven-stil für mich ein Horrorszenario. Ein fantastisches Spiel, das ich nie wieder spielen möchte.

Auf der Spielemesse selbst konnte ich am Samstag eine Demorunde Barbaren! spielen. Ähnlich wie schon bei 3:16 hatte ich was das Setting und Genre des Spiels angeht im Vorfeld meine Bedenken. Anders als bei 3:16 wurden diese vom Spiel jedoch nicht bestätigt. Barbaren! war für mich leider die größte Enttäuschung der Spielmesse. Hinter dem "Barbaren sind doof und brutal"-Aufhänger schien das Spiel nichts weiter zu bieten. Zumindest weckte der SL bei mir den Eindruck, dass das Buch seine gesamte Spieltiefe mit dem Buchklappentext ausgeschöpft hatte. Für eine lustige Dreiviertel-stunde mit den Kumpels reicht das, für mehr jedoch nicht. Aber hinter der sehr plumpen und flachen Fassade sprangen mir doch zwei Punkte ins Auge. Zum einen eine Regelmechanik die effektiv die Barbaren durch Mord sexuelle Erregung verspüren lässt und umgekehrt durch Sex mehr Aggression und Blutlust verursacht. Eine durchaus verstörende Verknüpfung, die sicherlich nicht ungewollt ist. Aber ob sie in das Genre passt und dort hinein gehört, kann ich nicht beurteilen. Viel interessanter hingegen, und hier kann ich nur spekulieren, wie beabsichtigt dieser Effekt am Spieltisch ist, war der Umgang mit den andersgeschlechtlichen NSCs im Spiel. Die barbarische Beute der Frauen, besser gesagt der Weiber, hat mich sehr amüsiert. Hier wurde, absichtlich oder nicht, die unter Rollenspielern so weit verbreitete Unfähigkeit und Ahnungslosigkeit mit dem anderen Geschlecht vorgeführt. Es war beeindruckend mitanzusehen wie der SL damit rang den "Weibern" mehr Unterscheidbarkeit als ihre Haarfarben zu geben und kläglich scheiterte. Vielleicht spornt dieser Moment der schamerfüllten Ahnungslosigkeit den einen oder andern an, mal ein wenig darüber nachzudenken was es mit dem Mysterium "Frau" denn wirklich auf sich hat. Vielleicht jedoch und das ist meine größte Befürchtung und der Grund weshalb ich von dem Spiel so enttäuscht bin, ist Barbaren! lediglich das Mario-Barth-Fantasy-Rollenspiel.

Wie bereits im letzten Eintrag erwähnt, hatte ich auch die Möglichkeit das neue Warhammer Rollenspiel auszuprobieren. Die wichtigsten Eindrücke stehen dort. Kurz und knapp: die Vorwürfe der Verbrettspielung sind vollkommen falsch und einfach nicht zutreffend. WFRP3 ist nicht mehr Brettspiel als jedes andere Rollenspiel mit Würfelpoolsystem. Die Unterschiede zur vorherigen Edition finden sich allein in den Überlebenschancen der Helden (sie sind jetzt höher) und der Verlagerung der taktischen Kampfentscheidung (Einteilung der Ausdauer statt Positionierung der Figur) statt. Ansonsten sind die Veränderungen rein kosmetischer Natur. Selbst der Umschwung von einer rein zufallsbasierten Charaktererschaffung zu einem schlichten Point-Buy-Charakterbau ist zwar wie ich finde saudumm und nutzlos, aber dank der noch immer sehr grossen Varianz im Würfelsystem, nur eine oberflächliche Veränderung des Spielgefühls.

In Teil 2 werde ich über einige Brettspiele schreiben, die ich gespielt habe.

Sonntag, Oktober 25, 2009

WFRP3 - Die (halb)nackte Wahrheit

Die vermutlich einzige Überraschung im Rollenspielbereich auf der Spiel, war die Möglichkeit eine Demorunde von FFGs neuem Warhammer-spiel mitzunehmen.

Diese Chance liessen sich Saint of Killers und ich nicht nehmen, und warum um Punkt 15 Uhr am Tisch um am eigenen Leibe mitzuerleben, was FFG meinem liebgewonnenen WFRP angetan hatte. Die Wahrheit, soweit man diese nach einem kurzen (aber offiziellen) Demoszenario erkennen kann, lautet: WFRP ist ein Spiel, das die 90er übersprungen hat und mit viel Stil und Elan um neue Rollenspieler wirbt.

Wer sich über die Details der neuen Edition informieren will, der kann auf die FFG-Seite gehen oder eine "Rezension" abwarten. Ich gebe eine Bewertung ab und die ist, wer dem vollständigen Lesen von Texten eher skeptisch gegenübersteht, durchweg gut mit kleineren Makeln.

Vorneweg, die durchaus offensichtlichste Änderung ist das Würfelsystem, welches den Gebrauch eines Würfelbechers fast unverzichtbar macht, aber schon nach kurzer Zeit flink von der Hand geht. Besonders die kleineren Symbole, die vorteilhafte und nachteilhafte Nebeneffekte ausdrücken, animieren dazu Beschreibungen auszuschmücken. Auch wenn ich mir vorstelle kann, dass der eine oder andere SL diese Fähigkeit erst noch studieren werden muss. Sympathischerweise werden diese Nebeneffekte nicht erzwungen, sondern durch die Würfel nur ermöglicht. Aber warum man das nicht immer als Aufforderung nehmen sollte ein klein wenig mehr geschehen zulassen als reinen Erfolg/Misserfolg kann ich mir nicht vorstellen.

Der zweite offensichtliche Punkt sind die Karten. Sowohl die der Fähigkeiten, Traits, Karrieren wie auch die Aktionen. Diese sind am ehesten als Regelhilfen zu verstehen. Anstatt in einer Tabelle nachzuschlagen was für regeltechnische Boni ein besonders gelungener Angriffswurf bringt, kann man hier diese Dinge auf der Aktionskarte nachlesen. Schnell und bequem. Das gemeinsame Nutzen der Karten durch mehrere Spieler ist gar kein Problem, da keiner der Spieler auf eine spezielle Karte angewiesen ist, sondern nur den Text darauf braucht um ggf. die zusätzlichen Effekte seines Würfelwurfs abzulesen.

Das Powerniveau wurde leicht angehoben. Tiefe Abstürze durch einen Kritischen Treffer, der weit übers Ziel hinausgeht, ist nicht mehr möglich. Aufgrund der hohen Würfelvarianz eines Pools, ist das Spiel aber weiterhin sehr unvorhersehbar. So wie man es von WFRP kennt. Mein erster Eindruck ist, dass die Crits keine langfristigen oder unwiderrufbaren Schäden anrichten. Spielerisch macht das keinen gewaltigen Unterschied; die Atmosphäre wird dadurch aber eine merklich andere. Man hat immer noch keine Superhelden, die sich mit unbeschreiblicher Macht durch Gegnerhorden schlachten. Aber drei Tiermenschen (eine Henchmentruppe, also vereinfachte Regeln) oder ein Gor sind nun kein Grund mehr zur Panik. Auch wenn sie noch lange kein Zuckerschlecken sind.

Positiv aufgefallen sind mir auch die Stances. Eine sehr nette Ergänzung zum typsichen Rollenspiel, die einem sowohl Einfluss auf die eigenen Chancen beim Würfeln gibt, wie auch die Darstellung des Charakters färben kann. Nachdem Birgitta Tageslicht erst wütend in den Kampf ging, konnte sie sich fassen und mit einer Zen-artigen Ruhe einige Chaosschergen einschüchtern und verjagen. Stance-marker sind aber auch ein tolles mittel für den SL um Initative und Handlungsreihenfolge besser zu verwalten kann. Auch kann man so den Fortschritt in einer komplexen Aufgabe oder Zeitverlauf anschaulich darstellen. Zwingend ist es nicht, aber bequem und elegant.

Die Gruppenkarte ist sehr nett und bringt ein paar hübsche Kooperationselemente ins Spiel. So werden Fortune Points verteilt, wenn das Limit des Group Pools erreicht wird. Die vorschnellen jungen Narren bekamen so immer wieder Fortune zurück um noch besser aufs Maul zu hauen.
Die Karten geben eine sehr grobe Art der Gruppeninteraktion und der Zusammenhalts an. Die Hysterie und Panik, dass man in seinem Rollenspiel durch die Gruppenkarte eingeengt wird, ist so falsch wie absurd. Die Karten sind vage genug um viel eigenes zu erlauben, aber nicht so beliebig, dass man ihre Wirkung nicht spürt. Allein die Regel, dass der SL den Tension-meter nach oben schiebt, wenn die Gruppe zu viel rumzickt, gefällt mir immer noch nicht. Ich glaube gern, dass manche Gruppen davon profitieren, wenn der SL mit einer in-game-Mechanik die Aufmerksamkeit auf das Spiel zurückbringt. Gerade bei Runden, die nicht weit genug denken, um Asozialität ihrer Charaktere genug zu zügeln, um die Gruppe nicht zu sprengen, ist das nützlich. Ich finde sie dennoch eher unnötig und würde sie eher selten nutzen wollen.

Problematischer hingegen ist die Fatigue/Stress-mechanik. Diese begrenzt die Aktionsmöglichkeiten der Figur während der Runde und zeigt ihre Erschöpfung an. Die Idee sagt mir sehr zu. Man kann an seine Grenzen gehen um mehr zu erreichen, aber ist anschließend aus der Puste. Anfangs hab ich mich an der Umsetzung etwas gestört. Das Abzählen von Erschöpfungspunkten und das Überlegen ob und wie man sich diese Runde verhalten will, fand ich zuerst etwas befremdlich. Diese abstrahierte Ressourcenzählerei ist meist störend. Allerdings fällt durch die mangelnde Battlemap auch die eher brettspielige Manövrierungs-phase aus WFR2 weg. Im direkten Vergleich finde ich das eher einen Gewinn statt eines Verlustes.

Der Preis macht eine Anschaffung für mich leider nicht lohnenswert. Aber sollte sich der Preis oder mein Hobbybudget sich ändern, würde ich mehr oder weniger bedenkenlos zuschlagen.

WFRP3 ist anders, interessant und enorm spielbar. Also alles was man sich von einer neuen Edition wünscht.

Montag, Oktober 19, 2009

Komplexität

Komplexität ist eine tolle Sache. Komplexität ist das was einen an ein Jugendhobby bindet, selbst wenn man das Jugendalter hinter sich gelassen hat. Wären Rollenspiele nicht in der Lage Komplexität zu bieten, würde ich mich nicht weiter damit beschäftigen, sondern hätte mir längst ein anderes Hobby gesucht.

Nun ist es aber so, dass diese Komplexität sich auf sehr unterschiedliche Art und Weise in einer Rollenspielrunde ausdrücken kann. Die Zwei für mich interessantesten und über die man vermutlich am ehesten im Internet reden kann, sind eng mit der Spielwelt gekoppelt.

Wobei man hier deutlich zwischen Komplexität und schierer Masse unterscheiden sollte. Eine Spielwelt kann gigantisch sein, eine ausführliche Geschichte besitzen und mit einer Wucht an Details glänzen. Komplexität erringt sie jedoch erst, wenn es innerhalb dieser Spielwelt Zusammenhänge gibt, die sich gegenseitig bedingen und beeinflussen. Komplexität hat ein Spiel erst, wenn es eine Wechselwirkung zwischen verschiedenen spielrelevanten Inhalten gibt. Das ist reizvoll. Die Auseinandersetzung mit diesen komplexen Wechselwirkungen, die Interaktion damit und die Weiterentwicklung davon empfinde ich als sehr spannend.

Nun gibt es, wie eben erwähnt, zwei grobe Stränge in der man Komplexität ausüben kann und über die man irgendwie sinnvoll reden kann. Die erste Richtung wäre die Komplexität der Ressourcen. Damit meine ich die Abbildung verschiedener, häufig an Ressourcen gekoppelter Zusammenhänge in das Spielgeschehen. Damit meine ich Zusammenhänge, die sich über zählbare und auswertbare Inhalte äussern, wie etwa Truppenstärken, Dauer eines militärischen Zugs, Kampfleistung, Versorgung, Geld, etc. Etabliert man diese in einem Spiel als beeinflussbare Grössen, die sich gegenseitig bedingen können. Wenn also die Truppe zu groß ist, damit die Versorgung reicht bis sie ans Ziel gelant, könnte die Kampfleistung darunter leiden und man muss mehr Geld dafür ausgeben, dass die Truppen stark genug sind um das Ziel des Zugs zu erreichen.... etc.... wenn man das also im Spiel etabliert und die Spieler durch ihre Charaktere darauf Einfluss nehmen können, so entfaltet das Rollenspiel automatisch eine Komplexität, die jeden anspricht der irgendwo an einem RTS-Computerspiel Gefallen finden kann. Dies ist eine Komplexitätslinie, deren Reiz ich zwar nachvollziehen kann, aber nicht nachempfinden. Es fehlt mir die Begeisterung mich mit diesen Dingen lange genug zu beschäftigen, um sie zu überschauen und auch dann fehlt mir die Motivation eine solche Richtung des Spiels weiter zu verfolgen.

Die Komplexität, die mir jedoch sehr viel mehr liegt und die mich auch stärker an Rollenspiele zu fesseln weiss, selbst wenn es mehr Zeit und Aufwand bedeutet, findet sich auf der Ebene wieder, die ich als Story bezeichnen würde. Auf der Ebene in der die Handlungen und Entscheidungen eines Charakters nicht deshalb etwas bedeuten weil sie für mich als Spieler so nützlich und gewinnbringend sind, sondern weil sie den Figuren und damit auch der Welt in der sie sich bewegen Tiefe verleihen. Ein Charakter, der seine facettenreiche Umwelt zu manipulieren weiß, um sein klar umrissenes Ziel zu erreichen, reizt mich nicht. Weder als Spieler, noch als Mitspieler. Aber ein Spiel in dem die Vielschichtigkeit oder Widersprüchlichkeit von Beweggründen eine Rolle spielt, ein Spiel in dem Handlungen Konsequenzen tragen, die nicht nur den Besitz des Charakters betreffen, sondern auch sein Wesen. Ein Spiel bei dem der Charakter Tragik und auch Komik durchlebt, weil das Leben nun mal eben nicht nach engen Genrekonventionen funktioniert, das finde ich spannend. Ein Spiel bei dem die Komplexität des menschlichen Verhaltens und des menschlichen Zusammenlebens sich entfalten kann, so glaubwürdig und authentisch wie man es sich nur vorstellen kann - egal wie fantastisch die Welt sein mag - so etwas finde ich spannend. Das ist die Art von Komplexität, die ich beim Rollenspiel geniesse.

Diese beiden Stränge sind natürlich nicht unvereinbar. Aber ich weiß, dass meine Vorliebe sehr stark in eine bestimmte Richtung neigt und ich mit Komplexität an Ressourcen nur wenig Spielgenuss verbinde. Selbstverständlich heißt das nicht, dass ich die eine Art von Komplexität ausschliesse. Wohl aber, dass ich sie weniger stark beachte als die andere. Ich vereinfache sie mir - dort wo ich es für vertretbar halte - um mich stärker mit der Komplexität zu beschäftigen, die mir zusagt. Jeder SL und jeder Spieler sollte das tun.

Sonntag, Oktober 11, 2009

Spiel 2009 in Essen

Dieses Jahr werde ich entgegen Erwarten in Essen sein. Geplant ist am Donnerstag und am Samstag die Hallen unsicher zu machen.

Montag abend geht's dann wieder zurück nach Hause.

Mal schauen was es interessantes zu Brettspielen und Rollenspielen gibt. Ich freue mich ja besonders auf Chaos in the Old World.

Dienstag, September 22, 2009

Rollenspieltheorie

1. Rollenspieltheorie ist ein Überbegriff für jede reflektierte und geordnete Auseinandersetzung mit Rollenspielen.

2. Rollenspieltheorie hört nicht bei Regeln und Setting auf.

3. Die zwischenmenschliche Komponente, das Miteinander mit all seinen besonderen Ausprägungen beim Spiel muss früher oder später als Teil der Theorie erkannt und entsprechend angegangen werden.

4. Das bedeutet konkret, dass sich Rollenspieltheorie mit Fragen der sozialen Kompetenz, der emotionalen und kognitiven Fähigkeiten beschäftigen muss, mit denen man eine Spielatmosphäre erzielt, die genau die Dinge ermöglicht und unterstützt, die man in einer guten Rollenspielrunde sehen will.

5. Dabei ist es unverzichtbar auch eine Grenze zwischen akzeptablen und inakzeptablen Verhaltensmustern zu ziehen, mit denen der soziale Aspekt der Spielrunde beeinflusst wird. Eine emotionale oder gar psychologische Manipulation der Mitspieler darf unter keinen Umständen erfolgen und ist vollkommen abzulehnen.

6. Old McDonald hat 'ne Farm. I-ei, I-ei, Oh.

7. Sowohl der performative Teil des Spielens (also die Darstellung von Charakteren und die Beschreibung von Handlungen und Situationen), wie auch Umgangsformen, die vermeintlich nichts mit dem Spiel zu tun haben (d.h. out-of-game Interaktion), sollte näher betrachtet werden.

8. Ziel ist natürlich keine Vorgaben zum Spielverhalten zu machen, sondern den Blick dafür zu schärfen wie die Spielrunde durch bestimmte Verhaltensmuster beeinflusst wird.

Montag, September 21, 2009

Die Lügen über WFRP3

Es ist eine der traurigen Wahrheiten, dass Rollenspieler einer bestimmten Couleur zu Lügen und Verleumdungen greifen, wenn sie fürchten nicht mehr im Mittelpunkt der Rollenspielszene zu stehen. Über Dungeons & Dragons 4 wurden die zum Teil absurdesten Falschinformationen und Scheinargumente aufgefahren, um dem Unmut Luft zu machen, dass das Spiel es wagt nach Jahren (Jahrzehnten) Veränderungen einzuführen.

Ein ähnlicher Zickenterror scheint auch der Neuauflage von Warhammer Fantasy Roleplay von Fantasy Flight Games bevorzustehen. Da mich WFRP bei weitem mehr interessiert als D&D, will ich einige der absurdesten und dümmlichsten Lügen zur neuen Edition aufzeigen.

Lüge Nr. 1: Die Grundbox lässt sich nur mit 3 Spielern und 1 SL spielen.

In den ersten Infos zum Spiel wurde der Inhalt der Grundbox aufgelistet. Dort wurde auch erwähnt, dass es 3 Mappen für Würfel, Karten und ähnliches Gedöns der Spieler gibt. Daraus wurde geschlossen, dass man in der Spielerzahl begrenzt ist und in kopfloser Tradition von allen virtuellen Dächern geschrien. Die Wahrheit ist jedoch, dass man nicht weniger begrenzt ist als bei WFRP2 Runden, in denen es nur 1 Regelwerk gibt (und dementsprechend nur 1 Charakterblatt und jede Karriere nur ein Mal vorhanden ist) und nur 1 Satz Würfel. Man muss sich vielleicht mit links-radikalen Konzepten wie dem gemeinschaftlichen Teilen begrenzter Ressourcen arrangieren, aber die Zahl der Spieler ist in keiner anderen Weise begrenzt.

Lüge Nr. 2: Das ist kein Rollenspiel mehr, sondern ein Brettspiel/Hybrid.
Um die unnütze "Was ist Rollenspiel überhaupt?"-Diskussion zu umschiffen, frage man sich einfach was denn ein Brettspiel ausmacht. Vor allem natürlich, das Spielbrett, welches es bei WFRP3 im Gegensatz zu anderen "richtigen Rollenspielen" nicht ein mal in Form eines Lageplans oder einer Battlemap gibt. Auch grenzen die Regeln die erlaubten Spielaktionen nicht mehr ein, als es eine beliebige Fertigkeitenliste tut. Ja, einzelne Aktionen und Angriffe haben ihre betreffenden Regel auf Karten abgedruckt. Damit muss der SL diese Regeln nicht mehr im Kopf haben und der Spieler nicht im Regelwerk danach blättern. Für ein Brettspiel erfüllt WFRP3 verblüffend wenige Kriterien.

Lüge Nr. 3: Wegen der neuen Edition wurde WFRP2 eingestellt.
WFRP2 wurde aus dem gleichen Grund eingestellt, weshalb jedes andere Rollenspiel eingestellt wurde. Es hat sich finanziell nicht rentiert. Fantasy Flight Games zahlt Games Workshop Geld, um deren Setting, Begriffe und dazugehörigen Namen zu benutzen. Lizenzkosten, die die Weiterführung von WFRP2 mit Sourcebooks und ähnlichem einfach nicht zugelassen hätte, wenn man nicht sinnlos Geld verpulvern will. Eine Neuauflage war aus finanzieller Sicht unvermeidbar.

Lüge Nr. 4: Das ist so ein high-power, hack'n'slay Tapletop und nicht mehr WFRP.

Führt man die Antwort auf Lüge Nr.2 ein wenig weiter, wird deutlich, dass diese Behauptung sogar noch weniger Substanz und Rechtfertigung besitzt. Das Clevere an dieser Lüge ist ohne Zweifel dass es zur Zeit noch unmöglich ist irgendeine Einschätzung zu beweisen oder zu widerlegen. Ganz einfach weil das Regelwerk noch nirgendwo der Öffentlichkeit vorgestellt wurde. Es ist sicherlich noch möglich, dass WFRP3 sich als verkapptes Tabletop entpuppt, aber das ist ebenso wahrscheinlich wie ein Bundeskanzler der 2009 von der Piratenpartei gestellt wird.

Lüge Nr.6: Die Charaktererschaffung läuft nach einem Deckbuilding-prinzip und wird nicht mehr ausgewürfelt.

Diese Unwahrheit ist beinahe schon überzeugend, weil hier etwas Falschinformation, Fehlschluss und Angstschürerei zu einem potenten Cocktail gemixt wird. Die Wahrheit lautet, dass die Karrieren bei WFRP3 auf Karten abgedruckt werden und nun zufällig gezogen werden und nicht mehr zufällig erwürfelt. Sie sind damit genauso zufällig wie zu WFRP2-Zeiten, aber nun lassen sich die möglichen Karrieren besser auf die Wünsche und Vorlieben der Gruppe ausrichten. Wenn man also keine Barber-Surgeons in der Gruppe haben will (warum auch immer), dann kann man diese Karriere einfach entfernen und durch andere Karrieren ersetzen, aus denen man eher zufällig wählen möchte. Gerade in Hinblick auf die Einbindung neuer Karrieren durch Erweiterungsbände und -boxen, ist diese Umstellung auf bedruckte Karten ein Gewinn für WFRP-Spieler.

Wer weitere Lügen zu WFRP3 widerlegt haben will, soll sie mir per Kommentarfunktion mitteilen.

Mittwoch, September 09, 2009

Warum Storyteller keine Ahnung haben

Definition - Storyteller: Jemand, der Rollenspiele spielt, um am Ende ein Abenteuer gespielt zu haben, dass sich rückblickend als gut geformte Geschichte präsentieren lässt.

Storyteller (oder auch Narrativisten, Erzählonkel, etc.) haben sich in letzter Zeit ziemlich viel anhören müssen, was ihre Spielweisen, Vorlieben und ihr Rollenspielverständnis angeht. Nicht alles davon war ungerechtfertigt. Schließlich vergessen Storyteller eine simple Wahrheit übers Rollenspielen:

Niemand spielt Rollenspiele, um eine Geschichte zu erleben.

Eine durchaus komplexe Aussage, weshalb ich sie gerne wiederhole.

Niemand.
Spielt Rollenspiele.
Um eine Geschichte.
Zu erleben.

Rollenspiele wegen ihrer Geschichte zu spielen, ist wie Filme wegen der Special Effects zu schauen. Oder Videospiele wegen ihrer Grafik zu spielen. Oder Musik wegen ihrer großen Beliebtheit zu hören. Das ist etwas für Leute, die einfach grundlegend nicht verstanden haben wofür die Sache da ist, mit der sie sich da beschäftigen.

Das ist jedoch nicht gleichbedeutend mit der Behauptung, dass diese "Geschichte" fürs Rollenspiel unwichtig ist. Ganz im Gegenteil. Sie ist sogar unverzichtbar, um aus einem netten Zeitvertreib eine erfüllende Freizeitbeschäftigung zu machen. Erst durch eine Geschichte ist es möglich dem Spiel eine (inhaltliche und emotionale) Komplexität zu verleihen, die einen selbst dann noch zu unterhalten weiß, wenn man sich nicht in die geistige Pubertät versetzt.

Eine Geschichte hat im Rollenspiel einen großen Einfluss auf die Qualität des Spielabends. Sie ist gewissermassen die wichtige Zutat, die aus einem abstrakten Konfliktspiel eine gemeinschaftliche Aktivität macht, die einen emotional vielfältig ansprechen kann. Nun ist eine emotionale Reaktion während einer Freizeitbeschäftigung weder ungewöhnlich noch ungewollt. Im Gegenteil: gute Spiele zeichnen sich sogar dadurch aus, dass die Spieler mitfiebern und um den Sieg bangen. Man sucht und genießt das Auf und Ab wenn der Sieg mal dem einen und mal dem anderen Spieler sicher ist. Ohne diese emotionale Komponente wären sämtliche Spiele nur ein dröges Durchexerzieren irgendwelcher Regeln.

Rollenspiele zeichnen sich nun dadurch aus, dass sie durch eine Geschichte die Bandbreite an emotionalen Reaktionen um ein Vielfaches erweitern können. Es ist nicht mehr allein die Frage nach Sieg oder Niederlage, die den Motor für den Spielgenuss liefert. Man kann mit dem Schicksal von Charakteren mitfiebern, ohne dass man um sich selbst bangt. Man kann sich an der Komplexität der Spielwelt erfreuen und all den Situationen, die für diese Spielwelt typisch sind. (Hier werden den ersten vielleicht schon Begriffe wie Immersion oder gar Simulationismus im Kopf herumschwirren. Aber das sind begriffliche Irrlichter.)

Hier sollte einem auffallen, dass diese Bandbreite an emotionalen Reaktionen für viele Leute der Grund ist zu einem Roman zu greifen, sich einen Film anzuschauen, Musik zu hören usw. usf. Es ist diese Bandbreite an Erfahrungen (und in einigen Fällen auch der persönliche Wissensgewinn der darauf aufbaut), die viele Leute dazu bringt sich mit erzählenden Medien auseinanderzusetzen. Es ist genau diese Parallele, die den oben erwähnten Storyteller, auf die falsche Fährte lockt und glauben lässt, dass das Rollenspiel ebenfalls ein Erzählmedium ist und noch dazu ähnliche und vergleichbare Erzählstrukturen nutzt. Sei es nun Plotaufbau, Genreabgrenzung oder ähnliches.

Das ist jedoch ein Irrtum. Geschichten sind im Rollenspiel das Mittel mit dem man Spielgenuss erreicht, sie sind jedoch nicht das Ziel des Spiels.

Wenn Storyteller sich nun darauf versteifen, dass sie ein ganz anderes, ganz eigenes Hobby spielen, dann zeigen sie damit nur, dass sie die Mittel des Spiels für das Ziel halten. Auch und gerade, wenn die Regeln eines Rollenspiels abdecken sollen welcher Spieler was erzählen darf oder wenn die Regeln abdecken sollen, welche typischen Elemente einer Geschichte ins Spiel wie und wann eingeflochten werden. Gerade in diesen Spielen wird der Gruppe/dem SL lediglich ein feineres Werkzeug in die Hand gelegt, mit dem die Geschichte feiner und differenzierter in das Rollenspiel eingebracht werden kann. Aber zu keinem Zeitpunkt geht es darum eine Geschichte zu formen oder sie zu erleben. Es geht weiterhin allein um das Rollenspiel wie man es kennt und schätzt. Es gibt keine zwei Klassen. Es gibt keine zwei unterschiedlichen Hobbies.

Wer sich als Storyteller ganz der Dramaturgie, dem Genre oder dem Plotaufbau einer Geschichte verschreibt, der verwechselt einfach nur das Gewürz mit der Mahlzeit und muss sich den Vorwurf gefallen lassen, dass er nicht weiß wie man kocht.

Montag, August 17, 2009

Der feine Unterschied zwischen Balance und Fairness

In letzter Zeit wird Balance zunehmend zum Schandbegriff in Rollenspielkreisen. Dabei handelt es sich dabei doch um einen ganz vernünftigen Ansatz um ein Rollenspiel zu konzipieren.

Unter Rollenspielern wird Balance oft als eine in den Regeln verankerte Fairnessinstanz verstanden. Dieser Gedanke liegt vor allem dann nahe, wenn man die gemeinsame Spielgrundlage durch die Regeln gegeben sieht. Das wird jedoch den Besonderheiten des Rollenspiels nicht gerecht, in der die gemeinsame Spielgrundlage eben nicht wie bei einem Brettspiel durch die Regeln, sondern durch die Spielwelt gegeben ist. Da diese aber in der Hand des Spielleiters liegt, wird bei dieser Sicht auf Balance die besondere Aufgabe des Spielleiters schnell übersehen:

Der SL ist im Rollenspiel die oberste Instanz, insbesondere was Fragen der Fairness angeht.

Dabei muss man sich jedoch deutlich machen, dass ein SL zwar fair sein muss, eine Spielwelt jedoch nicht. Das Rollenspiel Paranoia ist ein Paradebeispiel für genau diese Trennung zwischen fairem SL und unfairer Spielwelt. Das Setting wie auch das Rollenspiel zeichnet sich dadurch aus, dass sowohl der Alpha Complex wie auch die Missionen/Abenteuer zum Teil gnadenlos unfair sind und die Charaktere in tödliche Widersprüche und gemeingefährliche Situation zwingt. Wenn der SL jedoch nicht fair leitet und die Unfairness der Spielwelt auf den Spieltisch ausweitet, macht er damit aus einem humoristischem Rollenspiel einen peinlichen SL-Powertrip auf Kosten der Spieler. Die Fairness des Spielleiters muss unabhängig von der Fairness der Spielwelt gültig sein.

Wenn Balance nun also nicht eine faire Spielwelt erzwingen soll, welchen Zweck hat sie dann? Sie ist, wie so vieles bei Rollenspielregelwerken, eine Erleichterung für den Spielleiter. Man muss nicht jahrelange SL-Erfahrung besitzen, um zu begreifen, dass Spieler sich am liebsten Gegnern und Situationen annehmen bei denen sie eine Chance haben, erfolgreich zu sein. Als SL sollte man daher geübt darin sein, diese Dinge mit Hinblick auf die Regeln richtig abzuschätzen und unter dem Gebot der Fairness die Spieler wissen lassen, wann sie eine Chance auf Erfolg/Überleben haben und wann nicht. Niemand will einen fatalen Kampf nur deshalb überstehen, weil der SL zurückrudert nachdem er bemerkt hat, dass die NSCs gefährlicher und tödlicher sind, als er in der Vorbereitung gedacht hat. Umgekehrt will man als SL auch nicht in der peinlichen Situation landen, dass eine Gruppe von Monstern sich als Grossmäuler mit gläsernem Kinn entpuppt, nachdem man sie in der Spielwelt bereits als große, schreckliche Gefahr eingeführt hat. Sicherlich mögen das Fehler sein, aus denen man nach 4 oder 5 Sitzungen gelernt hat; aber warum diese Zeit mit einer Lernkurve vergeuden, wenn man ein Regelwerk haben kann, das einem dieses Finetuning abnimmt?

Ein Regelwerk, das auf Balance angelegt ist, ist wie ein Werkzeug, dass nicht mehr kalibriert werden muss. Man kann als Spielleiter Orte, Aufgaben, Situationen und weiteres genau so schwierig oder so einfach gestalten, wie man es für angemessen hält und sich darauf verlassen, dass das Regelwerk einem keinen Strich durch die Rechnung macht. Der ausbalancierte Null-Zustand einer Situation kann hier einfach aus dem Regelwerk übernommen werden und muss nicht erst aufwändig berechnet und mit dem Setting abgeglichen werden. Das macht Balance für Spielleiter attraktiv. Die Frage der Fairness spielt bestenfalls indirekt eine Rolle.

Dienstag, August 11, 2009

Wie man Kaufabenteuer leitet

Kaufabenteuer sind bei einigen Rollenspielern verpönt, weil sie entweder viel Arbeit bedeuten oder weil sie vermeintlich Railroading in Tüten sind. Das mag für schlechte Kaufabenteuer sicherlich stimmen; aber ich denke, dass es ein Zeichen eines guten SLs ist, ein Kaufabenteuer leiten zu können ohne dabei alles umschreiben zu müssen oder die Spieler einen vorgefertigen Plot entlangzuprügeln.

Dabei ist das Leiten eines Kaufabenteuers gar nicht so schwer. Zuerst muss man sich nur von der unausgesprochenen, aber weit verbreiteten Vorstellung lösen, dass ein vorbereitetes Abenteuer einem das Spielleiten abnimmt. Ein Kaufabenteuer kann einem nicht sagen, was man als Spielleiter tun muss. Wenn die Spieler handeln, dann muss man immer noch selbst entscheiden welche Folgen das hat. Man muss selbst entscheiden, wie NSCs reagieren oder die Welt um die Charaktere herum.

Ein Kaufabenteuer nimmt einem als SL lediglich dahingehend Arbeit ab, dass man diese Entscheidungen nicht aus dem Nichts heraus fällen muss. Stattdessen erhält man einen Rahmen, der einem hilft für das Abenteuer relevante Entscheidungen zu treffen. Man muss diese Entscheidungen immer noch treffen. Man kann sie nicht einfach nachschlagen. Man kann sie auch nicht auf die handvoll Optionen reduzieren, die im Abenteuer vorgekaut wurden. Man muss die Informationen im Kaufabenteuer als Grundlage nehmen, auf der man das Leiten des Spiels aufbaut.

Wichtiger noch als eine enzyklopädische Regelkenntnis, wichtiger noch als eine gute Performance und wichtiger als eine Sensibilität was die Spannungen und Stimmungen am Tisch angeht, ist die Fähigkeiten eine stabile Grundlage zu schaffen auf der man konsistente Entscheidungen fällen kann. Man muss in der Lage sein, die Informationen, die im Kaufabenteuer präsentiert werden, als Ausgangspunkt zu nutzen, um die Spielwelt auf die Aktionen der Charaktere reagieren zu lassen.

Um das zu erreichen, muss man wissen welche Informationen man selbst benötigt, um eine Runde gut leiten zu können. Manche SLs brauchen eine Zeitleiste, andere müssen die Beweggründe der NSCs verstehen, wieder andere brauchen lediglich die Spielwerte, um zu wissen wie fordernd eine Situation für die Gruppe ist, oder vielleicht braucht man als SL einen dramaturgischen Bogen, nach dem man sich richtet. Manche diese Herangehensweisen finde ich nachvollziehbar, andere vollkommen absurd; aber letztendlich hat jeder SL seinen eigenen Ansatz und solange man damit gute Spielrunden leiten kann, ist das ja egal.

Die Texte des Kaufabenteuers dienen dem SL allein als Fundament für die Spielrunde. Am Tisch muss man weiterhin die gleichen Aufgaben erfüllen, wie auch bei einem selbstgemachten Abenteuer. Die Arbeitsersparnis liegt in der Vorbereitung, d.h. in der Erschaffung von Spielinhalten. Darum muss man sich nicht mehr kümmern. Man kann sich ganz darauf konzentrieren diese Spielinhalte in das laufende Spiel einzubringen, eine mitreissende Welt zu präsentieren und auf die Handlungen der Spieler zu reagieren.

Wie bei so vielem im Rollenspiel, muss man gewillt sein alles Geschriebene oder Gedruckte über Bord zu werfen, wenn man sich an den Tisch setzt.

Donnerstag, Juni 18, 2009

Warum Storytelling nichts mit Story zu tun hat

Im lustigen Derwischtanz der Spielstile, der im Internet immer wieder und ununterbrochen ausgetragen wird, fällt oft der Begriff Story um eine bestimmte Vorliebe im Rollenspiel auszudrücken.

In Ermangelung an besseren Begrifflichkeiten lässt sich das zu einem gewissen Grad sicherlich vertreten. Allerdings denke ich, dass gerade bei den Kritikern (oder den frotzelnden Hampelmännchen, die sich dafür halten) ein falscher Eindruck davon entsteht, was Rollenspieler, denen "Story" wichtig ist, sich in einer Spielrunde wünschen.

Zum einen ist Story keine Umschreibung für einen dramaturgisch geformten Plot. Ein Abenteuer besitzt nicht plötzlich Story, nur weil man die Ereignisse unter anderen Gesichtspunkten erspielt hat als einer bedingungslosen Simulation der Spielwelt. Story ist nicht das Gegenstück zu Realismus. Story ist auch nicht das Gegenstück zu regeltreuem Spiel. Nur weil ein SL oder ein Spieler mit den Worten "wegen die Story, weischt?" sagt, um irgendeine Aktion zu rechtfertigen, hat man noch nicht Story in seine Rollenspielrunde bekommen.

Story in einem Rollenspiel hat aber vor allem recht wenig mit dem zu tun, was man in anderen Medien als Story bezeichnet. Und hier liegt das größte Problem. Story meint jeder zu kennen, weil jeder Filme, Bücher und Fernsehsendungen schaut. Aber Rollenspiele sind keine unveränderlichen Medien. Es gibt keinen vorgefertigten Plot und damit ist es kaum möglich eine vorgefertigte Story zu haben. Es kann auch keine Story geben, die Stück für Stück freigespielt wird, wie man es aus Videospielen (z.B. GTA) kennt. Zwar lässt sich so eine Spielstruktur problemlos auf Rollenspiele übertragen; sie ist aber lediglich mit einem Storyanspruch kompatibel ohne ihn konkret umzusetzen. Man kann auf diese Weise Story in die Rollenspielrunde bringen, aber sie geht nicht zwingend daraus hervor.

Um das Bedürfnis nach Story zu verstehen, muss man sich zuerst deutlich machen, dass es weder um bestimmte Spielinhalte, noch um spezielle Techniken geht. Story ist nicht gleichbedeutend mit düsteren Settings, Metaplots, Regeln für die Persönlichkeit der Charaktere oder abstrakten, nicht die Spielwelt abbildenden Mechaniken. Story heißt auch nicht gleich weniger kämpfen, mehr in-character sprechen oder stimmungsvolle Atmosphären schaffen.

Story entsteht wenn die Spieler die Spielwelt, die Charaktere und die Ereignisse des Abenteuers nicht allein als Ressourcen, Zahnrädchen einer Handlungsmaschine oder Hindernisse, die es zu überwinden gilt, sehen. Es ist dieser Mehrwert an Spieltiefe, den man mit Story zu fassen versucht. 3-Akt-Strukturen, Kommunikationsmodelle oder Ideen aus dem Improvisationstheater darauf anzuwenden, ist deshalb immer ein Schritt zu kurz gedacht. Diese Dinge finden sich nicht wirklich im Story Rollenspiel wieder. Stattdessen sind sie die persönlichen Hilfsmittel mit denen einzelne sich diesen Teil des Rollenspiels begreiflich machen. Sie sind lediglich ein Versuch die persönliche Auseinandersetzung mit der Fiktion des Rollenspiels in Worte zu fassen.

Diese Auseinandersetzung, diese Story-dimension des Rollenspiel, wird dabei maßgeblich davon geformt, wie viel Anspruch und wie viel Aufwand man an das Spiel herantragen will und kann. Insbesondere der SL kann dem geneigten Spieler hier einen Strich durch die Rechnung machen, in dem er eine tiefergehende Beschäftigung entweder auf der Spielerebene (z.B. in dem er es als zu nerdig oder prätentiös ablehnt) oder auf der Spielebene (z.B. in dem er wiederholt plumpe oder rein spiellogische Entscheidungen trifft, welche die Fiktion zu "fluff" degradieren) blockiert. Das kann schnell dazu führen, dass man eine unüberbrückbare Trennung zwischen taktischen Elementen und Story im Rollenspiel wahrzunehmen glaubt. Wenn es in Wirklichkeit lediglich eine unzureichende Leistung auf Seiten der Spieler war, diese Aspekte aufeinander aufbauen zu lassen.

Umgekehrt macht sich auch das abstruse Ammenmärchen breit, das "old school" Spielstile oder lachhafte Dogmen wie ARS in der Lage wären "Story" zu ermöglichen. Dass man selbst in den taktisch-strategischsten Runden eine unsagbare Story-tiefe erreichen konnte, von der selbsternannte Storyspieler nur träumen. Hier wird selbstverständlich das Pferd von hinten aufgezäumt. Es steht natürlich außer Frage, dass Spielrunden mit einem starken taktisch-strategischen Einschlag Story nicht ausschließen. Aber das ist dann eine Leistung der Spieler und hat nichts mit Spielstilen/Dogmen und ihrer vermeintlichen Flexibilität zu tun. Es sind die Spieler, die gewillt sind mehr als nur die taktischen und strategischen Dimensionen des Spiels wahrzunehmen und zu genießen. Es sind nicht die Spielstile, die Story und Taktik/Strategie ermöglichen, sondern die Spieler.

Spieler, denen so etwas gelingt, sind auf ihre Weise ganz hervorragende und kompetente Storytelling-spieler. Obwohl, oder gerade weil, sie sich nicht davon beirren lassen, dass Story im Rollenspiel nicht die gleichen Oberflächlichkeiten besitzt, wie in Büchern und Filmen. Weil sie sich sehr bewusst mit dem kleinen Extra auseinandersetzen, dass Rollenspiele besonders macht.

Mittwoch, Juni 03, 2009

Wer darüber reden muss, hat schon verloren

Die vielen Blogs und Foren, in denen über Rollenspiele geredet wird, zeigen, dass Leute gerne zwischen Spielstilen unterscheiden. Manche tun das, um sich mit dem Spiel auseinanderzusetzen und es differenzieren zu können. Andere versuchen so die richtigen Worte zu lernen, um ihre Vorlieben ausdrücken zu können. Um am Tisch sagen zu können: "Ich mag X und wenn du auch X magst, dann lass uns zusammen spielen." All das ist geprägt von dem Wunsch mehr aus den Rollenspielrunden heraus holen zu können, weil man etwaige Inkompatbilitäten von vornherein ausgeschlossen hat. Aber nichts zerlegt die Lust am Rollenspiel schneller als diese Form der Absprache. Wer sich erst hinsetzt und diese Dinge mit Leuten bereden will, der hat das Rollenspiel eigentlich schon aufgegeben.

Rollenspiel ist ein kooperatives Spiel. Aber Kooperation heißt nicht, dass man den Charakter seines Mitspielers nicht aus dem Spiel werfen soll. Es heißt auch nicht, dass man sich danach richtet was der SL gerade von einem braucht, damit das Spiel weitergehen kann.

Rollenspiel ist kooperativ, weil man den Konsens mit den anderen Spielern sucht. Man sucht die gemeinsame Grundlage in der Spielwelt und Spielsituation. Jeder bringt seine eigene Vorstellungskraft, seine eigene Kreativität und sein eigenes ästhetisches Empfinden an den Tisch um zusammen mit den anderen eine Welt zu erschaffen, Charakteren Leben einzuhauchen und sie ins Abenteuer zu schicken.

Der Schlüssel zu einer guten Runde lautet nicht, seine eigene Spielvorlieben in irgendwelche Begriffe zu pressen und sich dann Leute zu suchen, die diese Begriffe auch toll finden.

Der Schlüssel zu einer guten Runde lautet:

Arbeit.

Arbeit an der eigenen Fähigkeit
...sich auf die Ideen anderer Menschen einzulassen.
...nicht nur dem eigenen Maßstab, sondern auch dem der Mitspieler gerecht zu werden.
...Dinge zu bemerken, die nicht ausgesprochen werden.
...seinen Mitspielern zu vertrauen und sich nicht jedes Mal zu wehren und zu verstecken, wenn der eigene Charakter mal Schwäche zeigt.

Aber auch Arbeit während des Spiels. Man muss den anderen Spielern zuhören. Man muss ihre Vorschläge abwägen. Nicht nur danach ob sie realistisch sind, ob sie von den Regeln her stimmen, sondern auch einfach ob sie das Spiel besser machen oder schlechter machen. Festigen sie die gemeinsame Spielgrundlage? Machen sie es attraktiver weiterzuspielen und in die Spielwelt abzutauchen? Machen sie einen heiß darauf zu sehen, was als nächstes passiert?

Diese Fragen sind es, die beantwortet werden müssen. Erzählspiel? Goldene Regel? Sandbox gaming? Herausforderungen? Völlig belanglos! Nebensächlich! Irreführend! Alles das sind Ausprägungen, Techniken und Stile, die man im Nachhinein vielleicht wahrnehmen oder benennen kann. Aber selbst dann sind sie nur von quasi-akademischem Interesse.

Das Rollenspiel zieht seine Dynamik, seine Unvorhersehbarkeit und auch seine Fähigkeit mitzureißen zu großen Teilen daraus, dass alle am Tisch Entscheidungen nach ihrem Bauchgefühl treffen. Danach, was sich richtig "anfühlt" und nicht was richtig benannt wurde. Rollenspiele sind deshalb so aufregend, weil man einen Moment lang glaubt, dass alles passieren kann und die Möglichkeiten endlos sind. Einfach nur weil man eben nicht schon vorher abgesprochen hat in welche Spielstil-Kerbe man schlagen wird. Weil man eben nicht schon im Vorfeld die Parameter festgelegt hat, nach denen man Entscheidungen treffen wird.

Jede Rollenspielrunde muss jedes Mal wieder ihren Stil finden, ihre Techniken wählen, um das Spiel spannend zu halten und ihren Regelumgang bestimmen, damit am Ende ein erinnerungswürdiges und begeisterndes Spielerlebnis entsteht.

Wer hier irgendetwas anderem als seinem Bauchgefühl folgt.... schlimmer noch... wer erst noch sein Bauchgefühl vor dem Spiel benennen und erklären muss, der hat schon verloren.

Freitag, Mai 29, 2009

Unsortiertes

  • Ein schlechtes düsteres Setting zeichnet sich dadurch aus, dass die Bösen noch fieser sind, die Ungerechtigkeiten noch entsetzlicher und die Grausamkeiten noch sadistischer als in einem normalen Setting.

  • Ein gutes düsteres Setting zeichnet sich dadurch aus, dass es genauso ist wie das normale Setting, aber die schönen Seiten, die versöhnlichen Momente und die gemeinschatliche Wärme ist merklich seltener.

  • Detektivabenteuer spielen sich um ein Vielfaches flüssiger und entspannter, wenn die Spieler mehr wissen als die Charaktere.

  • Nichts bringt Spielbegeisterung schneller zum Stehen als elendiger Charakterbau mit einem Punktesystem, wenn man die Regeln des eigentlichen Spiels kaum kennt, aber schon ein klares Konzept hat wer der Charakter ist und über welche Eigenschaften er verfügt. Wenn ich nie wieder Vor- und Nachteile abwägen muss, damit mein Charakter sich den sozialen Status erkaufen kann, der ihm vom Namen her zusteht... dann wäre mir das noch zu früh.

Mittwoch, Mai 27, 2009

Die große Lüge ARS

Es gibt Dinge, die sind einfach nicht tot zu kriegen. Der Glaube an Sozialdarwinismus etwa, Syphilis oder eben ARS. Seit einigen Jahren geistert dieses diffuse Gebilde durch die deutsche Internetlandschaft und hat sich vermutlich schon an den einen oder anderen Tisch verirrt. Das liegt jedoch bei weitem nicht an irgendwelchen charakteristischen Eigenschaften eben dieser Spielweise, welche von Rollenspielern für sich entdeckt werden. Welche Spielinhalte und Techniken ARS genau ausmachen, ist nicht wirklich der Rede oder der Kritik wert. Mein Problem mit ARS beginnt damit, dass es eine sprachliche Rauchbombe ist, dessen einzige verbindliche Eigenschaft lautet "normales Rollenspiel" zu sein.

Denn bei ARS wird sich bewusst eine nebelhafte und nur schwer greifbare Vorstellung was ARS bedeutet, zu Nutzen gemacht. Einig ist man sich nur, was es alles nicht ist. Es sind keine schlechten Spielrunden; keine Spielleiter, die ihre Spieler runterbuttern; keine Spieler, die Primadonnen sind und ihre spielstörenden Handlungen als das Spielen von Rollen verkaufen wollen. Es sind keine entwerteten Entscheidungen. Keine Spielwelten, die nur statische Kulisse sind. Keine NSCs, die nur darauf warten von Spielern angesprochen und aktiviert zu werden, als wären sie ein Textbaustein eines Computerspiels. Kurz: ARS ist alles das nicht, was Rollenspiel langweilig macht. ARS nimmt für sich in Anspruch alles zu sein, was gut ist und nichts von dem was schlecht ist im Rollenspiel. Ganz tolle Kiste.

Hiermit wird dann auch die Behauptung legitimiert, ARS wäre ganz normales Rollenspiel. In einem gewissen Sinne ist es das auch. ARS wird verkauft als Rollenspiel, das gefällt. Natürlich ist das "normales" Rollenspiel, warum sollte man ein Hobby betreiben das im Normalfall keinen Spaß macht? Dementsprechend sollte es auch niemanden wundern, dass so viele Leute sich begeistert für ARS aussprechen. Kaum hat man ihnen gesagt, sie sollen aufhören die Dinge zu tun, die ihnen keinen Spaß gemacht haben, macht ihnen der Rest des Rollenspiels plötzlich viel mehr Spaß. Welch überraschende Einsicht!

Wäre das alles was es mit ARS auf sich hat, dann wäre es nichts weiter als ein harmloser kleiner Trendbegriff in bestimmten Hobbykreisen. Aber dahinter versteckt sich auch - angetrieben von einigen verbitterten und fanatischen Individuen - der Versuch Menschen gezielt aus dem Hobby auszugrenzen. Hinter ARS steckt ein asoziales Verhalten, das es schwer macht sich in diesem Hobby wohlzufühlen, wenn man nicht zur richtigen Clique gehört: der ARS-Clique. Wer nicht die richtigen Spiele verteufelt, die richtigen Kunstbegriffe benutzt, um seine Spielvorlieben auszudrücken oder gar die falschen in den Mund nimmt, gilt als Feind. Nicht als ein Rollenspieler von vielen, der womöglich andere Vorlieben hat. Man ist der Feind. In manchen Fällen gilt man als verblendet, als elitär, als moralisch indiskutabel, als Vergewaltiger. Kurz: als der Feind in einem ideologischen Krieg, mit dem einige Leute den tatsächlich normalen Rollenspielern bedrängen. Es werden Fronten gezogen zwischen "uns" und "den anderen" und zwar mit einem ungebrochenen Fanatismus, der einen erschauern lässt. Es wird von einigen speziellen Individuen mutwillig die große Lüge vorangetrieben, dass es hier um irgendetwas anders als eine kleinliche Cliquenschlacht ginge. Dass ARS zu etwas anderem führen soll als einer gewollten und gezielten Verhärtung und Verrohung der Umgangsformen.

ARS ist keine Ideologie. Es gibt keinen ideologischen Krieg, den man um und mit ARS zu führen hat. Es gibt keine pervertierenden Einflüsse auf das wahre Rollenspiel, die man unter dem Banner des ARS ausrotten muss. ARS ist nichts weiter als ein fadenscheiniger Grund, um Cliquen zu bilden und Gehässigkeiten und Aggressionen an Menschen zu entladen, deren einziges Vergehen darin besteht unterhaltendes Rollenspiel mit den falschen Begriffen zu umschreiben.

ARS ist kein Spielstil. Es ist ein rhetorisches Mittel, um Menschen auf der anderen Seite des Bildschirms zu Feinden zu erklären und sich einzureden sich wegen Nichtigkeiten die übelsten verbalen Entgleisungen erlauben zu dürfen. Denn wenn man ARS als normales Rollenspiel akzeptiert hat, dann muss es auch das andere, das abnormale Rollenspiel geben gegen das man in den Krieg zu ziehen hat. Dann kann man sich auch zu jeder Art von Angriffen hinreißen lassen, um der Sache zu dienen. Um das Hobby zu reinigen. Um den Krieg zu gewinnen.

ARS ist ein Mittel zur Verteufelung von Menschen, die es gewagt haben auf andere Art Spaß daran zu haben Elfenprinzessinen oder Weltraumpiraten zu spielen. ARS ist ein Vorwand um anderen bösartig, verachtend und verletzend entgegenzutreten. Aber da es dabei lediglich um das Hobby Rollenspiel geht, besteht die Lüge darin, dass ein solches Verhalten irgendwie gerechtfertigt werden kann.

Freitag, April 10, 2009

Dave Arneson verstorben

Mit Dave Arneson ist ein weiterer großer Name Dungeons & Dragons gestorben. Nach dem was ich bisher über ihn erfahren habe, war er eine treibende Kraft hinter den interessanteren, da verspielteren Elementen von D&D.

Dafür bin ich ihm zu großem Dank verpflichtet.

Freitag, April 03, 2009

[Addendum] Show don't tell - The Killing Blow

Karsten war so nett mich darauf hinzuweisen, dass mein letzter Beitrag in der März Laudatio von rsp-blogs.de aufgelistet ist. (Was ich ja schon mal schmeichelhaft finde.) Allerdings schrieb er auch folgendes dazu:

"Bildliche Sprache mag für dich, lieber Georgios, inzwischen normal geworden sein... aber nicht alle können das von alleine. Und wenn ich nochmal hören muss "Da streiten sich ein Stufe 6 Kleriker und ein Stufe 5 Mönch um einen +4 Amulett of Willpower", dann..."

Das verwundert mich dann schon. Offensichtlich verstehe ich den garstigen "Show don't tell"-Tipp anders als er es tut. Mal sehen ob ich meine Lesart etwas verdeutlichen kann.

Ersteinmal geht es bei diesem Tipp nicht um "bildliche Sprache" oder irgendeine Art von Sprache. Die Umschreibung von NSCs hat nichts mit "showing" zu tun. Wenn sie unmissverständlich und eindeutig die Dinge benennt, die die Spieler wissen müssen um sinnvoll zu handeln, dann ist es "telling". Ob man das nun mit bildlicher Sprache, Handouts oder Regeltermini erreicht, ist eine reine Stilfrage.

Das Problem bei "show don't tell" ist dass es dazu aufruft klare Kommunikation als weniger wichtig einzustufen und Interpretationsfreiräume der Spieler zum hohen und Spielspaß-bildenden Ideal verklärt. Anstatt dass der SL also sagt:

"Im Gang hinter euch hört ihr wie sich eine Gruppe Orks nähern. Ihr schätzt, dass es etwa sechs sind."

...sagt er sowas wie...

"Ein Rasseln, Ächzen und Krachen schwappt aus dem Gang hinter euch heran. Ihr hört Grunzgeräusche, Metall das auf Leder klatscht und ein immer lauter werdendes Stampfen."


Die letztere Umschreibung mag interessanter sein oder auch stimmungsvoller. (Auch hier ist das natürlich Geschmackssache.) Aber sie ist für ein Rollenspiel unzureichend. Es fehlen die spielrelevanten Informationen. Der SL mag die Situation für sein Verständnis ausreichend "gezeigt" haben, aber die Spieler haben keine Ahnung was sie mit dieser Umschreibung anfangen sollen. Ganz davon abgesehen, dass das Wissen und die Erfahrung der Charaktere in der Spielwelt nicht in die Beschreibung eingebracht wurde und damit vielleicht in Textform anspricht, aber am Spieltisch einfach schlechter Stil ist.

Stimmungsvolle Umschreibungen sind natürlich wichtig und sehr angenehm. Aber sie sind halt nur das Salz in der Suppe, sie sind nicht die Suppe. Die Aufgabe des SLs ist nicht Atmosphäre zu verbreiten, sondern den Spielern zu vermitteln was ihre Charaktere wahrnehmen. Damit die Spieler anschließend die Charaktere sinnvoll und stimmig handeln lassen können. Wenn der SL es dabei noch schafft durch gute Wortwahl oder Darbietung Atmosphäre zu vermitteln, dann ist das toll. Aber wenn er darauf verzichten muss, damit es keine Missverständnisse gibt und man sich anschließend nicht mit "Woher sollte man das denn wissen?" / "Das könnt ihr euch doch wohl denken!" anschnauzen will... dann lässt man es halt sein.

Im Rollenspiel schlägt klare Kommunikation immer atmosphärische Beschreibung. Das ist keine Frage von entweder-oder. Man kann und soll beides haben. Aber wenn man sich in Einzelfällen zwischen den beiden entscheiden muss - weil die Gruppe den SL zwar gebannt aber vollkommen verständnislos anstarrt - dann muss man immer auf "telling" zurückschalten. Selbst wenn das bedeutet, dass man von Level 6 Cleric und Level 5 Monk reden muss.

Mittwoch, März 18, 2009

Die 5 schlimmsten SL-Tipps

...und warum sie sich so hartnäckig halten

5) Solange ihr Spaß habt, spielt ihr richtig.
Warum ist der Tipp so schlimm:
Wie so oft, wird mit einem solchen SL-Tipp weniger Rollenspiel verdeutlicht oder vermittelt, sondern einfach nur counter-programming gestartet. Es wird versucht gegen ein Verhalten zu wirken, dass sich Rollenspieler erst aneignen, wenn sie sich diesen bescheuerten Tipp zu Herzen nehmen. Schlimmer noch, statt einem sich fragenden SL zu vermitteln, was im Mittelpunkt steht und welche Dinge das Spiel spielenswert machen... wird man mit einer Platitüde abgespeist, die einen alleine lässt.

Das Spiel läuft richtig, wenn es Spaß macht. Heißt das, wenn es keinen Spaß macht, spielen wir falsch?! Der Satz ist ein Minenfeld an schlechten Ideen und Bestätigung des überhöhten Egos von viel zu vielen Rollenspielern.

Warum er sich so hartnäckig hält:
Tief vergraben unter der geballten Stumpfsinnigkeit dieses SL-Tipps, liegt die Aufforderung seinen eigenen Vorlieben was Spielinhalte angeht zu vertrauen. Fragen des Realismus, der Glaubwürdigkeit oder was für Aktionen aufregend und cool und welche dümmlich und lahm sind... muss jeder am Tisch selbst beantworten, weil es eben keinen objektiven Maßstab dafür gibt, was "rockt" und was nicht. Es gibt nur die Leute am Tisch und die Dinge, die sie begeistern. Wer erfahren genug ist, das verstanden zu haben... der nickt diesen SL-Tipp häufig ab oder quatscht ihn sogar nach.

4) Sei [beliebige Eigenschaft] & Sei [völliges Gegenteil von vorheriger Eigenschaft]
Warum ist der Tipp so schlimm:
Weil er ein stupider Widerspruch ist, mit dem man sich als Sphinx inszeniert ohne irgendjemandem etwas erklärt zu haben. ("Oh.. he's terribly mysterious!"). Es reicht schließlich nicht, dass man einem SL zumutet Hunderte von Regeln im Kopf zu haben. Jetzt wird noch so getan als wäre Spielleiten eine mysteriöse Kunst, die sich nur durch das Entschlüsseln eines Koans in seiner Fülle begreifen lässt.

Warum er sich so hartnäckig hält:
Zum einen weil man mindestens ein durchschnittler Textschreiber sein muss, um der Versuchung widerstehen zu können Erklärungen als Koans zu schreiben. Zum anderen weil auch hier ein mikroskopisch kleiner Funken eines Bruchstücks eines kleinen Teils einer Wahrheit vergraben ist. Man sollte keine SL-Tipps blind befolgen oder ihr Umkehrung grundlegend ablehnen.

3) Hör auf deine Spieler
Warum ist der Tipp so schlimm:
Wieso sollten ausgerechnet die Leute, die vermutlich am wenigsten über die Regeln und so ziemlich gar nichts über die Spielwelt wissen, einem als SL weiterhelfen können? Was genau soll diese magische Einsicht in Rollenspiel sein, die Spieler dem SL mitteilen sollen? Selbst wenn es nur darum geht, dass man darauf hören soll was die Spieler wollen. Wie oft kommt es schon vor, dass man nicht nur weiß was man will und wie man es bekommt, sondern auch noch die richtigen Worte findet um es anderen mitzuteilen? Wenn das so einfach wäre, dann ließen sich so ziemlich alle Konflikte dieser Welt durch ein einfaches Gespräch lösen.

Warum er sich so hartnäckig hält:
Hier wird dem Satz weit mehr Aussagekraft und Bedeutung zugesprochen als tatsächlich darin steckt. Der Tipp erinnert an nichts weiteres als an die Tatsache das Rollenspiel ein kooperatives Spiel ist. Ein SL, der über den Spielern steht und bestimmt, ist für ein gutes Rollenspiel weit hinderlicher als ein SL der das Spiel als Dialog gleichwertiger Teilnehmer sieht, die gemeinsam spielen. Kurz: ein SL der sich so verhält wie man es bei jedem anderen Spiel eigentlich auch tun würde, wenn man vorhat irgendwann noch mal mit den gleichen Leuten zu spielen.

2) Wenn dir die Regeln nicht gefallen, ändere sie.
Warum ist der Tipp so schlimm:
Diese Aufforderung macht vor allem deutlich, dass der Ratgebende Regeln für beliebig, willkürlich und austauschbar hält. Mehr noch: die gekauften Regeln sind offenbar so einfach durch bessere, spaßfördernde Regeln zu ersetzen, dass man als Spieler lediglich keinen Spaß an ihnen haben muss, um umgehend eine passendere und nützlichere Regel finden zu können. Aber selbst wenn das so wäre, lässt dieser Tipp einen spätestens dann im Stich wenn man entscheiden muss was eine bessere oder nützlichere Regel ausmacht.

Warum er sich so hartnäckig hält:
Hinter dem kurzsichtigen und unreflektierten Schwampf versteckt sich ein Hinweis darauf, dass man als SL früher oder später auf eine Situation stoßen wird, in denen die Regeln das eine und die Fiktion etwas anderes sagen. Irgendwie muss man sich dann entscheiden ob man sich für die eine oder die andere Richtung entscheidet. Beugt man die Fiktion, damit sie den Regeln entspricht oder spricht man sich gegen die Regeln aus um die Integrität der Fiktion zu wahren? Gerade als Anfänger neigt man dazu die Regeln als unantastbar zu verstehen und diese Vorstellung zu sprengen ist sinnvoll. Sie jedoch dermassen auszulöschen, dass die Fiktion zur höchsten und einzigen Instanz erhoben wird, birgt jedoch die Gefahr irgendwann doch wieder beim konsequenz-befreiten, risikolosen Geschichtenerzählen zu landen. Schlimmer noch beim freien Erzählen, dass vom lautesten und rücksichlosesten Spieler dominiert wird.

1) Show, don't tell.
Warum ist der Tipp so schlimm:
Es gibt Sätze, die entlarven den Sprecher als völlig ahnungslos und gleichzeitig zu eitel um es sich einzugestehen. Sätze wie "Er führt sich zwar wie die Axt im Wald auf, aber eigentlich hat er schon Recht." oder "Wer 10 cent klaut, der klaut auch 1000€." oder "Das ist halt meine subjektive Meinung, da kann man nicht von richtig oder falsch sprechen.". Oder eben "Die oberste Regel lautet ja 'Show, dont tell'." Dieser vermeintliche Tipp zum besseren Spielleiten ist nicht nur falsch, er ist vollkommen unsinnig und hält sich vor allem deshalb weil man jeden Einwand mit Ignoranz, Unverständnis oder Anspruchslosigkeit gleichsetzen kann.

Der ausschlaggebende Unterschied zwischen Zeigen (show) und Sagen (tell) besteht darin, dass man etwas Gezeigtes deuten und interpretieren muss. Etwas Gesagtes hingegen ist in der Regel eindeutig und unmissverständlich. Allein mit diesem Unterschied lässt sich der Aufruf rechtfertigen, denn wenn das Publikum deuten und mitdenken muss, dann erlebt man die Geschichte meist als angenehmer und interessanter als wenn alles vorgekaut bekommt. Spätestens hier sollte man bemerken, warum "show, don't tell" in einer Rollenspielrunde nichts verloren hat. (Und selbst in Buch und Film nicht uneingeschränkt befolgt werden sollte.) Beim Rollenspiel geht es nicht darum, dass der SL den Spielern eine Geschichte erzählt. Geschichten sind lediglich eine Eigenschaft, die das Rollenspiel annehmen kann (wenn auch eine die mir persönlich sehr wichtig ist), aber sie steht nicht im Mittelpunkt des Spiels. Den bildet die spielerische Interaktion. Dafür muss der SL sorgen. Er muss Interaktion ermöglichen, sie am Laufen halten und seinen Teil dazu beitragen um sie unterhaltsam und interessant zu gestalten.

"Show, don't tell" eignet sich wenn überhaupt, dann nur für den letzten der drei Punkte. Aber die ersten beiden Aufgaben werden durch stures Zeigen statt Sagen erschwert und im Extremfall sogar verhindert, Wenn die Spieler statt der beabsichtigten Interpretation eine alternative Deutung des Gezeigten übernehmen. Schlechte SLs verstecken sich dann hinter der Behauptung, dass man sich "ja denken konnte, was wirklich gemeint war" oder dass die Spieler sich halt dumm anstellen und "nicht mitdenken". In Wirklichkeit aber sind solche, die Spielinteraktion entgleisende Meinungsunterschiede immer dem SL anzulasten, wenn sie entstehen weil der SL lieber etwas zeigen wollte, statt es geradeheraus zu sagen.

Warum sie sich so hartnäckig hält:
So lange es immer noch Leute gibt, die überzeugt sind, dass das Spiel dazu da ist um eine Geschichte zu erzählen und nicht die Geschichte da ist, um ein Spiel zu spielen und so lange man glaubt, dass vor allem der SL diese Geschichte erzählt, wird es Irrlichter geben, die diesen Stuß von sich geben und immer wieder unsichere oder unerfahrene SLs dazu verdammen ihre Spielrunden mit den besten Absichten gegen die Wand zu fahren.

Dienstag, Februar 24, 2009

[Abenteuerkonzepte] Teil 1 - Der Parcours

In den meisten Rollenspielen ist die Form, die ein Abenteuer nimmt weniger vom Regelwerk abhängig, als davon was ein SL damit macht. Eine dieser Abenteuerformen und die vermutlich am Weitesten verbreitete, will ich hier kurz umreißen. Und da alles knackiger und griffiger wirkt, wenn man einen Namen draufklatschen kann... nenne ich diese erste Form:

Der Parcours

Beim Parcours haben die Spieler ein klar umrissenes Ziel, das sie im Rahmen des Abenteuers verfolgen. Der SL hingegen platziert Hindernisse und Stolpersteine in ihren Weg.

So weit, so einleuchtend. Aber wie so oft gibt es viele kleine Unterschiede und Feinheiten, die aus einem solchen Parcours eine unterhaltsame und spaßige Angelegenheit oder eine unerträgliche und nervtötende Tortur machen können. Angefangen mit der Grundannahme, dass der SL den Parcours mit Hindernissen ausstattet, die bezwingbar sind. Wobei das Vermeiden oder Fliehen eine legitime Möglichkeit ist, mit solchen Hindernissen fertig zu werden. Man sollte den Parcours deshalb nicht als "der SL wird uns nur Gegner der angemessenen Stufe vorsetzen" verstehen. Jedes Hindernis auf dem Parcours erlaubt einen Ausweg, nicht unbedingt eine Möglichkeit zu siegen. Viele Abenteuer die für Paranoia erschienen sind, stellen genau diese Grundannahme auf den Kopf in dem sie unlösbare und unvermeidbare Hindernisse präsentieren.

Der nächste wichtige Punkt für ein Parcours-Abenteuer ist die Linearität. Ein schlechter Parcours ist linear und unflexibel aufgebaut. Oft wird diese Linearität Kaufabenteuern als solches vorgeworfen. Wenn die Konfrontation mit Hindernis #1 unweigerlich zu Hindernis #2 und anschließend zu Hindernis #3 führt, dann kann das Spieler frustrieren. Viele schlechte Spielleiter werfen das allen Kaufabenteuer vor und schwören auf Handlungsbäume oder faseln was von "sandbox"-spielen, wenn sie lediglich alle Hindernisse weit genug von einander aufbauen.

Der Irrtum besteht darin zu glauben, dass es die Reihenfolge ist, die die Qualität eines Parcours ausmacht und nicht die Abhängigkeit der einzelnen Hindernisse zueinander. Genaugenommen ist es nämlich egal ob die Spieler erst Hindernis #3, dann #1 und dann #2 angehen oder nicht. Es ist ein Hirngespinst zu glauben, dass ein Rollenspiel mehr Spaß macht, wenn man wählen kann durch welche der drei Türen man zuerst geht. Der Kern eines guten Parcours-Abenteuers liegt in den Konsequenzen, die jedes Hindernis auf den Verlauf des Abenteuers hat.

Viele Spiele erlauben es diese Konsequenzen auf die Spieler abzuwälzen statt auf das Abenteuer, in dem man ihnen knappe Spielressourcen (Hit Points, Spell Points/Slots, Proviant, Zeit, etc.) zur Hand gibt und sie irgendwie versuchen müssen mit immer niedriger werdenden Ressource an ihr Ziel zu gelangen. Aber ein fähiger Spielleiter, der seine Spielwelt richtig im Griff hat, kann diese Konsequenzen auch auf den Parcours übertragen. So kann das erfolgreiche Bestehen oder Umgehen eines Hindernisses die folgenden Hindernisse beeinflussen und etwa einfacher machen oder anderweitig verändern. Der Trick besteht natürlich darin diese Zusammenhänge nicht zu verschweigen oder geheim zu halten, sondern die Spieler nachvollziehen lassen wie ihr vorheriges Handeln ihre jetzigen Möglichkeiten beeinflusst hat. Wenn ihre erste Konfrontation mit der Diebesgilde statt mit Gewalt mit einem guten Deal für alle Beteiligten gelöst wurde, so kann dass das nächste Aufeinandertreffen positiv beeinflussen. Oder womöglich einen Verbündeten einbringen, wenn die Diebesgilde nur indirekt mit einem Hindernis in Verbindung steht.

Deshalb ist ein linearer Parcours, dessen Hindernisse sich gegenseitig beeinflussen immer mehr wert, als ein Parcours bei dem die Spieler die Hindernisse in beliebiger Reihenfolge angehen können, aber keine dieser Konfrontationen sich auf einander oder schlimmer noch auf die ursprüngliche Zielsetzung auswirkt. Die freie Wahl welches Problem man zuerst angeht, ist vollkommen wertlos, wenn die einzelnen Probleme im Vakuum existieren. Es liegt am Spielleiter selbst - und eben nicht am Regelwerk - diesen Umstand zu verhindern. Der Spielleiter muss hier die Welt spielen, in dem er die Hindernisse des Parcours also die einzelnen Situationen oder Herausforderungen des Abenteuers aufeinander wirken lässt, wenn die Spieler auf sie treffen.

Ein gelungener Parcours muss den Spielern deutlich machen, dass ihre Entscheidungen Dinge verändern und greifbare Auswirkungen auf das Abenteuer haben. Tun sie das nicht oder wird das den Spielern nicht deutlich, so ist das Abenteuer kein Parcours sondern ein Hamsterrad.

Donnerstag, Februar 19, 2009

Rollenspiele metaphorisch betrachtet

Rollenspiele sind wie Musikinstrumente. Mit etwas Talent oder Übung und ein wenig Enthusiasmus kann man sie spielen und damit etwas unterhaltsames oder sogar mitreissendes schaffen.

Die tolle Musik steckt natürlich nicht in den Instrumenten selbst, sondern wird von den Leuten gemacht, die das Instrument spielen. Aber selbstverständlich können manche Leute mit einem Instrument besser umgehen als mit einem anderen. Ganz einfach weil manche Instrumente eher den Talenten der Spielenden entgegenkommen als andere. Die Freeformer zum Beispiel verzichten ganz auf ein Instrument und vertrauen auf ihr A Capella Können.

Wenn das Instrument mal etwas verstimmt sein sollte, dann kann man mit Hausregeln nachstimmen. Aber selbst da gehen die Meinungen auseinander wie denn ein gut gestimmtes Instrument zu klingen hat. Je nachdem womit man schon Erfahrungen hat und was für Klänge man mit einem bestimmten Instrument erreichen will. So wird man mit manchen Instrumenten nie die Klänge erreichen, die man mit einem anderen Instrument hinbekommt. Es sei denn man akzeptiert dass man womöglich das ganze Instrument neubauen muss.

Ein jedes Instrument stellt andere Anforderungen an den Benutzer. Manche erfordern nur Rhythmusgefühl, andere Fingerfertigkeit und wieder andere einfach nur sehr viel technisches Know-How. Oft überschneiden sich die Anforderungen, wodurch bei einigen der Eindruck entsteht dass die Instrumente im Grunde eigentlich alle gleich sind. Wenn man weit genug abstrahiert, stimmt das auch. Unter'm Strich sollen unterhaltsame Songs entstehen (Spaß gehabt werden), aber manche verstehen darunter klassische Popmusik der Beatles, andere vielschichtige Arrangements wie bei Beethoven und wieder andere eher die perfekt produzierte Tanzballaden von Beyonce. Aber wer Lust auf crunchigen 70s Rock hat und dann mit New School Trip-Hop konfrontiert wird, den mag die Dissonanz zwischen erwartetem Song und tatsächlicher Darbietung etwas aus der Ruhe bringen. Weg sind die coolen Gitarren, die das Rockerleben simulieren. Verschwunden ist auch der Frontmann der die Band durch den Song leitet. Plötzlich gibt der schiefe Beat einem enge Strukturen vor in denen man sich bewegen muss. Anstatt dass der Song einen immer mächtiger und cooler macht, ist auf einmal von Introspektion und all den unangenehmen Dinge des Lebens die Rede. Dabei geht es doch hier um unterhaltsame Songs und keine Depri-mucke.

Manche Leute sind sich dieser Dissonanz noch nicht ein Mal bewusst und versuchen dann ihre Version von "Free Bird" mit einer Mischung aus Synthesizer, A Capella und Ukulelen hinzubekommen und verfluchen dann alle drei als völligen Mist, weil "Free Bird" auf einmal so schlecht klingt und gar keine Stimmung aufkommt. Am Ende bleibt lediglich die Einsicht, dass man zwar versuchen kann mit Banjos Heavy Metal zu machen oder mit einem Orchester einen Rapsong der tight und außerdem sweet ist zu spielen... aber man am besten damit beraten ist, die Musik zu spielen, die einem eh gefällt. Am besten mit Instrumenten, die für diese Art von Musik gut geeignet sind.

Man sollte sich also erst umschauen was für Musikrichtungen es so gibt und sich die wählen, die einem am ehesten gefallen. Wenn man erstmal so weit ist, kann man sich umschauen welche Instrumente dafür geeignet sind und wer ganz besonders tief in die Materie gehen will, der kann sich mit Theorie auseinander setzen um seine musikalischen Vorlieben noch präziser und gezielter umzusetzen.

Allerdings spricht nichts dagegen mit neuen Instrumenten zu experimentieren oder auch mal eine Musik aus einem ganz anderen Genre zu versuchen. Es sei denn man will irgendwas von Placebo spielen. Die sind nämlich scheiße. Immer. Egal welche Instrumente man dafür benutzt. Und Coldplay ist auch nicht viel besser.

Montag, Februar 09, 2009

Der Reiz des geordneten Chaos

Ich kann mit Rollenspielen, die mit hoher Komplexität und einer großen Menge an Sonderregeln, Ausnahmen und Spezialfällen aufwarten, nichts anfangen. Wie ich vor kurzem feststellen musste, liegt das jedoch weniger an der Komplexität dieser Spiele selbst, sondern an der Art und Weise wie sie von manchen (vielen?) Spielern angegangen werden.

So ist es üblich (und vermutlich eng verwandt mit einer ähnlichen Einstellung unter Brettspielern) das Regelsystem zu studieren, sich mit allen Besonderheiten und Regelkombinationen vertraut zu machen und das Regelwerk dann entsprechend zu manipulieren um ein gesetztes Ziel im Spiel zu erreichen. Es ist die typische Herangehensweise von Spielern, die die Fiktion primär durch die Brille des Regelwerks sehen und Rollenspieltexte klar nach "fluff" und "crunch" aufteilen. In solchen Runden ist das Spielen mit einem komplexen Regelwerk eine Frage des Spielstolz. Ich habe damals den Fehler gemacht diese lächerliche Ansicht als untrennbar mit diesen Regelwerken verbunden zu sehen, statt sie dort festzumachen woher sie kommen: die verquere und beschränkte Ansicht irgendwelcher Nerds.

Wenn man sich erstmal von der Vorstellung gelöst hat, man müsste in solchen Systemen unentwegt die taktisch richtige, strategisch klügste und überhaupt beste Option unter allen vorstellbaren Regelpermutationen wählen, wird einem deutlich, dass ein solches Regelvolumen es ermöglicht in eine Welt abzutauchen, die man nicht schon von vornherein durchschaut hat. Eine Spielwelt, die einen noch immer überraschen und erstaunen kann, ganz einfach weil man eben nicht errechnet, was für ein Resultat jede Aktion hat. Nicht weil die Spielwelt unsinnige oder nicht nachvollziehbare Resultate liefert, sondern weil man die Spielwelt über das Erspielte statt durch das Regelwerk wahrnimmt und die Fiktion an oberste Stelle setzt.

Denn das Unvorhergesehene ist essentieller Bestandteil eines jeden gelungenen Rollenspiels. Es gibt eine Vielzahl an Mitteln, wie man sein Spiel damit würzt. Das beginnt bereits mit dem Auswürfeln für das Gelingen von Aktionen, dem Gebrauch von Zufallstabellen um wichtige Ereignisse im Spiel zu bestimmen und reicht bis hin zu etwas Grundlegenden wie der freien Entscheidungsgewalt der Spieler über ihre Charaktere und des SLs über die Spielwelt. Nichts davon sollte sich eindeutig vorhersagen lassen. Im Gegenteil: wenn der Moment erreicht ist, in dem man einzelne Folgen im Vorfeld bestimmen kann, sind diese Dinge nicht mehr von spielerischem Interesse. Daher ist gerade die Unvorhersehbarkeit mit der Menschen Entscheidungen fällen eine herausragende und prägende Eigenschaft von Rollenspielen.

Jedoch ist es gerade in diesem Bereich nötig, dass jeder am Tisch sich selbst kritisch betrachtet, wenn es um die Konsistenz der Entscheidungen geht. Jeder am Spieltisch ist für Konsistenz verantwortlich. Sobald man beginnt hier Dinge schleifen zu lassen, werden Charaktere und Spielwelt zufällig und willkürlich. Ein gut entworfenes, komplexes Regelwerk kann der Gruppe an genau diesem Punkt zur Hand gehen. So lange man regelnah spielt, kann man hier auf die Konsistenz des Regelwerks bauen. Wobei natürlich die Spieler gewillt sein müssen ihre Vorstellungen an die Ergebnisse des Regelwerks anzupassen. Etwas was viele Leute vor einen unauflösbaren Widerspruch stellt, wenn es darum geht die Fiktion mit eigenen und selbstgewählten Inhalten zu fällen. Wie so oft fällt auch hier die undankbare Aufgabe dem SL zu von Fall zu Fall entscheiden zu müssen, ob regelnahes Spiel oder Anpassung an die Gruppenvorstellungen für das laufende Spiel die bessere Wahl sind.

Konsistenz muss aber nicht unbedingt Realismus bedeuten. Selbst wenn viele - in Ermangelung eines besseren Begriffes - von einer realistischen Spielwelt sprechen, obwohl sie eine durch ihre Konsistenz überzeugende Spielwelt meinen. Konsistenz ist zwingend, Realismus ist optional.

Ein komplexes Regelwerk kann dabei helfen eine komplexe oder zumindest erforschungs- und entdeckungswerte Spielwelt zu liefern. Je weniger man versucht das Regelwerk zu durchschauen, desto chaotischer wirkt die Spielwelt. Dieses vermeintliche Chaos gilt es durch den spielerischen Umgang mit der Fiktion zu erlernen und zu meistern. Dieser Vorgang steht im Mittelpunkt beinahe jeden Rollenspiels und führt so zu einem befriedigenden Spielerlebnis.

Donnerstag, Februar 05, 2009

Mehr Mut zur Autorität

Warum ist "laissez-faire" eigentlich die Grundhaltung so vieler Spielleitern geworden? Gerade bei klassischen Rollenspielen höre ich von Spielleitern immer wieder die Behauptung, dass sie regelmäßig Abstand vom Spielgeschehen nehmen "um die Spieler machen zu lassen". Als würde die Abwesenheit eines Spielleiters in irgendeiner Form zu mehr oder sogar besserem Rollenspiel führen.

Ehrlich gesagt, hege ich den Verdacht, dass sich das zumindest zum Teil auf eine nahezu hysterische Angst vor dem Vorwurf des "railroading" zurückführen lässt. Es scheint ja, dass so mancher keinen Unterschied zwischen Entscheidungsfreiheit und Willkür sieht. Zumindest wenn es um den SL geht. Dieser muss sich die schlimmsten Beschimpfungen gefallen lassen, wenn er sich erdreisten sollte nicht stur die Regeln herunterzubeten. Wenn er es wagen sollte Entscheidungen zu fällen, statt allein den Regeltext zu befolgen oder sofort an die basisdemokratische Entscheidungsgewalt der Gruppe zu appellieren. Wenn der SL etwas eigenständig entscheidet, ist es willkürlich und wenn es willkürlich ist, ist es "railroading". Und wehe dem SL dessen Spieler ihm so etwas vorwerfen. Das ist das Niederste des Niederen und das schlimmste Verbrechen dessen sich ein SL schuldig machen kann. Nicht zuletzt auch nachdem es eine Zeit lang Mode war "railroading" mit einer Sexualstraftat gleichzusetzen.

Die lähmende Angst von seinen Mitspielern derart abgestraft zu werden, haben viele Spielleiter mittlerweile so verinnerlicht, dass sie nicht mehr vernünftig spielleiten können. Zu groß ist die Furcht wie eine dieser Horroranekdoten zu enden, mit denen Spieler untereinander prahlen. So muss man mit SLs spielen, die nichts in ihre NPCs investieren , damit es ja keinen Vorwurf der Übervorteilung gibt. Denn eine mitreißende Spielwelt braucht ja anscheinend keine NPCs, die den SL interessieren. Man muss mit SLs spielen, die die gesamte Welt um die Ideen und Vorlieben der Spieler bauen, im Zweifelsfall auch auf Kosten der Spielweltlogik. Schließlich geht es ja darum Spaß zu haben und alles tun und lassen können, ist ja angeblich der Grund weshalb man spielt. Oder man muss mit SLs spielen, die nur kein Erzählonkel sein wollen und deshalb lieber gar keine Vorgaben zum Spiel machen. Das strukturlose und ziellose Rumgeeier wird dann eben zum "sandbox-"gaming deklariert und ist damit ja eh viel wahrhaftigeres Rollenspiel. Zu unser allem Seelenheil gibt es ja auch genug Online-rampensäue, die Ergebinsoffenheit via Sandkasten als einzige Rettung des germanischen Rollenspiels anpreisen.

Da verlockt die Alternative des "laissez-faire" natürlich ungemein. Wer nichts tut, kann auch nicht zu weit gehen. Kann keine Ergebnisse vorherbestimmen. Kann die Spieler nicht beschneiden. Kann eigentlich auch gleich was anderes machen. Denn je klassischer das Rollenspiel, desto wichtiger ist die Aufgabe des SLs der Interaktion Grenzen zu setzen bzw. ihr eine Form zu geben. Dafür reicht es nicht aus nur die Regeln gewissenhaft und unparteiisch anzuwenden.

Der SL muss den Stil und die Integrität der Spielwelt aufrecht erhalten. Je mehr Handlungsfreiheit die Spieler haben, desto deutlicher und unveränderlicher müssen die Grenzen sein, die ein SL vorgibt. Man braucht in solchen Rollenspiel nicht mehr Grenzen, sondern deutlichere. Sonst ist jede Spielrunde dazu verdammt sich erst mühsam und langwierig einzupendeln. Es wird unnötig Zeit damit vergeudet den Einstieg in das Abenteuer zu suchen oder den Charakter oder überhaupt irgendetwas, womit man sich spielerisch beschäftigen könnte.

Ein SL darf vor der Aufgabe, Grenzen zu setzen, nicht zurückschrecken. Er muss die Handlungen der Spieler, durch die Brille des Settings betrachten und entscheiden ob die Aktion spielfördernd ist oder nicht. Ob sie innerhalb der Grenzen fällt oder darüber hinaus. Einfach gesagt, ob das was der Spieler getan hat gut oder schlecht ist. Aber diese Unterscheidung lässt sich nicht allein nach den Regeln, nach dem Setting, nach Prinzipien des Realismus oder des Dramas oder nach irgendwelchen Spieldogmen treffen. Diese Unterscheidung muss zwingend auf dem individuellen Geschmack und den persönlichen Ansichten des SLs basieren. Es muss davon abhängig sein was der SL als aktiver Spielteilnehmer am Tisch für förderlich oder hinderlich hält, um eine unterhaltsame, befriedigende oder einfach spaßige Rollenspielrunde zu spielen.

Das ist nicht willkürlich, nicht tyrannisch und das ist kein railroading.

Das sind die Aufgaben, die man übernimmt, wenn man Spielleiter ist. Diese Aufgaben kann man nicht erfüllen, wenn man nicht eine gewisse Autorität für sich in Anspruch nimmt. Man kann sie nicht erfüllen, wenn alles zu einer Gruppenentscheidung erhoben wird und man jedes Mal zurückschreckt, wenn man etwas auf eigene Kappe entscheiden muss. SL sein bedeutet oft auch Autorität am Spieltisch zu walten. Sich zurückzulehnen und die Spieler machen lassen, ist kein verantwortungsvoller Umgang damit.

Mittwoch, Januar 21, 2009

[Brettspiel] Battlestar Galactica

Basierend auf der gleichnamigen Science-Fiction Serie von 2003 hat Fantasy Flight Games ein quasi-kooperatives Brettspiel produziert, dem die Gratwanderung zwischen griffigem Spielerlebnis und Abbilden der Serienatmosphäre sehr gut gelingt. Wie die Serie zeichnet sich auch das Spiel durch eine Mischung aus Paranoia, Raumschiffkämpfen und harten Entscheidungen aus.

Die Paranoia entsteht aus den verdeckt verteilten Loyalitätskarten, die die einzelnen Spieler auf die Seiten der Menschen oder der Zylonen setzt. So arbeiten die Menschen daraufhin genug Krisen zu überstehen um durch Überlichtsprünge der Flotte den legendären Planeten Kobol zu erreichen und anschließend ein letztes Mal zu springen. Diese Krisen, die am Ende eines jeden Spielzuges bewältigt werden müssen, gefährden die unterschiedlichen Ressourcen der menschlichen Flotte. (Treibstoff, Nahrung, Hoffnung, Bevölkerung). Sobald eine davon bei 0 angekommen ist, haben die Zylonen gewonnen. Manchmal hat man auch Glück und muss lediglich einen Angriff eines Zylonentrupps zurückschlagen, oder entscheiden welchen Ressourcenverlust man erleiden will.

Die einzelnen Krisen müssen durch verdeckte Abgabe von Spielkarten bewältigt werden. Diese Karten haben unterschiedliche Farben und Zahlenwerte und je nach Krise muss man andere Karten ablegen, um den Ressourcenverlust durch die Krise zu verhindern oder auch nur gering zu halten. Hinzu kommen zwei zufällig gezogene Karten, die den Ausgang einer Krise immer noch ein wenig verunsichern. So kann ein Zylone, durch Abgabe "falscher" also schädlicher Karten die eine oder andere Krise in voller Wucht einschlagen zu lassen und die Schuld auf die zufälligen Karten schieben. Als menschlicher Spieler beobachtet man das Verhalten seiner vermeintlichen Verbündeten mit Argusaugen und als zylonischer Spieler schürt man bewusst die Ängste der Mitspieler, damit sie sich schon früh verausgaben und späteren Krisen nur noch geschwächt (d.h. mit zu wenigen Karten) entgegentreten können.

Zu allem Überfluss werden, nachdem die Menschen etwa die Hälfte der Sprünge geschafft haben, erneut Loyalitätskarten verteilt, so dass es passieren kann, dass ein vorher noch treuer menschlicher Spieler plötzlich das Lager wechselt und als erwachter Schläfer für die Zylonen arbeitet. Hier findet sich auch die einzige Schwäche des Spiels, da Überläufer - im Gegensatz zur Serie - nur in eine Richtung möglich sind (Menschen zu Zylonen).

Abgerundet wird das ganze von Sonderfähigkeiten und besonderen Nachteilen, die jeder Charakter - in Anlehnung an seine Serienfigur - besitzt wodurch jede Zusammenstellung der Gruppe eine etwas andere Spielstrategie erfordert. Am Spieltisch steht die Interaktion zwischen den Spielern im Mittelpunkt (und so mancher konnte der Versuchung nicht wiederstehen seinen Zug mit charaktertypische Zitaten aufzulockern). Hier gilt es das Spiel seiner Mitspieler richtig einzuschätzen und seine Verbündeten von seinen Widersachern zu unterscheiden. Gerade auch weil man als menschlicher Spieler, die Zylonen einzusperren versucht, um ihren schädlichen Einfluss einzudämmen. Aber das gelingt nur, wenn die Mitspieler die richtigen Karten dazugeben und dazu muss man sie erst davon überzeugen, dass man selbst kein Zylone ist.

Wie man es von Fantasy Flight Games nicht anders gewohnt ist, weist das Spiel eine sehr hübsche Aufmachung und sehr viele Plättchen, Figuren und Karten auf. Im Vergleich zu anderen Spielen des Verlags befindet sich Battlestar Galactica im oberen Mittelfeld in Sachen Spielmaterial.

Die Stärken des Spiels sind die kooperativen Elemente, die große Rolle, die der Interaktion zwischen den Spielern zukommt und der sehr dynamische Spielverlauf, der zu großen Teilen durch die Entscheidungen der Spieler geformt wird. Also genau die Dinge, weshalb viele Leute auch gerne Rollenspiele spielen.