Im aesthetischen Spiel zielen Spielhandlungen darauf ab die Fiktion zu erweitern und zu verändern. Dementsprechend lassen sich Ihre Funktionsweisen nach anderen Gesichtspunkten unterschieden als im divergenten Spiel. Sich diese Unterscheidung vor Augen zu führen, kann helfen sowohl die Regeln eines Erzählspiels besser ins Spiel einzubinden als auch besser auf Probleme im Spiel zu reagieren.
Diese Auflistung ist jedoch keine Anleitung zum aesthetischen Spiel! Sie ist als Beschreibung gedacht, die das Verständnis fördern soll. Sie ist keine Blaupause für aesthetisches Spiel oder ein Modell, dass es zu befolgen gilt.
Ich denke, man kann von vier unterschiedlichen Funktionsweisen sprechen, die Spielhandlungen während des aesthetischen Spiels ausüben können.
1) Neues einbringen
2) Bestehendes steigern
3) Offenes abschließen
4) Bekanntes wieder einfügen
Neues einbringen beschreibt all die Spielhandlungen, die etwas in die Fiktion eingefügen, was jedoch nicht direkt aus der erspielten Fiktion folgt. Wenn ein Spieler also etwas einbringt, was am Tisch als getrennt vom bereits Erspielten wahrgenommen wird. Wenn der Spielleiter etwa den durch einen Wald reisenden Charakteren den Schauplatz eines wenige Tage alten Gefechtes vorsetzt. Der SL mag sich hierfür zwar auf ein komplexes Konstrukt aus Hintergrundinformationen, Ortskarten oder vielschichtige Beziehungen unterschiedlicher Gruppierungen stützen, aber was die konkrete Auseinandersetzung mit diesen Schauplatz angeht, so ist er keine direkte Folge des bereits Erspielten. Er folgt nicht aus der Reise durch den Wald. Selbst wenn wenn der SL durch Würfeln, Routenberechnungen und Abweichungen durch verpatzte Orientierungswürfe bestimmt, dass die Gruppe davon erfährt. Es ist immer noch das Einbringen von etwas Neuem in die Fiktion.
Bestehendes steigern bezieht sich auf Spielhandlungen, die die Fiktion verfeinern und vertiefen. Hierunter kann man das Ausschmücken der Fiktion mit Details verstehen, um dem Ganzen mehr Farbe zu schenken. Aber auch Handlungen, Kommentare und Fakten zum Hintergrund können so benutzt werden. Die ersten, geschauspielten Reaktionen auf den Fund aus dem vorherigen Beispiel wären so eine Steigerung. Auch das Nachfragen und Informationen sammeln mit dem fast alle Rollenspieler in solchen Fällen reagieren, führt in der Regel zu noch mehr Steigerung des Bestehenden. Meist durch detailliertere Beschreibungen des Schauplatzes, erste Andeutungen auf die Ursachen und ähnliches.
Offenes abschließen umschreibt alle Aktionen durch die etwas beendet wird bzw. an den Rand der Fiktion gedrängt werden. Die radikalste und oft frustrierendste Form ist das Blocken. Wenn die Spieler im Wald umkehren und das Weite suchen, haben sie den Beitrag des Spielleiters effektiv geblockt. Der Schauplatz wird in seiner Spielbedeutung herabgesetzt. Umgekehrt kann auch der SL blocken, indem er etwa offene Fragen endgültig beantwortet und so die Aufmerksamkeit der Spieler zu steuern versucht. Bsp.: "Ihr findet keine Spuren. Es gibt keine Überlebenden und keine Anzeichen wer hier miteinander gekämpft hat." Dabei ist der Abschluß von offen stehendem in der richtigen Dosis sehr spielfördernd und sogar notwendig. Mangelt es daran, hat die Spielrunde viel Leerlauf, offene Fragen und Interaktion, die als ziellos empfunden werden.
Bekanntes wieder einfügen umschreibt die wohl unauffälligste, aber dafür wirkungsvollste aller möglichen Spielhandlungen. Bereits bekannte Elemente der Fiktion werden erneut ins Spiel gebracht und so mit anderen in Verbindung gesetzt. Dadurch schafft man aus einer Kette von Ereignissen und Situationen ein Netz aus Zusammenhängen und Abhängigkeiten. Die Fiktion gewinnt so zunehmend an Komplexität und Kontinuität und erweckt mit der Zeit den Eindruck einer ganzen Welt, statt einer Liste an Dingen, die nacheinander abgearbeitet werden. Bekanntes wird eingefügt, wenn sich herausstellt, dass eine den Spielern bekannte Gruppierung oder einzelne Figur am Kampf beteiligt war. Wirkt diese Verknüpfung besonders glaubwürdig, so wird dieser Vorgang kaum als solcher wahrgenommen, sondern ist eine selbstversändliche Tatsache, die sich aus der Logik des Spiels ergibt. Ist diese Verknüpfung noch dazu besonders unerwartet, z.B. weil das wieder eingeführte Element fast vergessen war, so wird die Fiktion meist als noch attraktiver empfunden.
Diese grobe Kategorisierung sollte helfen deutlich zu machen, dass aesthetisches Spiel eine Sichtweise auf das Spiel zu Grunde legt, die sich merklich vom traditionellen Rollenspiel unterscheiden kann. Um Erzählrollenspiele zu verstehen, muss man zumindest begriffen haben, dass der Blick auf das Spiel ein anderer ist.
Freitag, Dezember 19, 2008
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