Wenn man die Goldene Regel versteht als: "Wenn irgendeine Regel dem Spielspaß im Weg steht, dann ignoriere sie."
Dann sollte auch gelten:
"Wenn du den Zweck irgendeiner Regel nicht durchschaust, dann ignoriere sie."
In letzter Zeit festigt sich bei mir der Eindruck, dass ein Rollenspiel egal wie komplex oder klassisch es ist, nur dann wirklich reibungslos verläuft, wenn die Teilnehmer wissen was sie tun. Insbesondere einige der durchaus ausgeklügelten und cleveren Spieldesign-kniffe kommen erst dann zum tragen, wenn die Spielgruppe sich der Dinge bewusst ist, die dort aufgegriffen werden.
Ich erinnere mich zum Beispiel an Primetime Adventures Spielrunden auf Conventions, die nur sehr schwer in Gang kamen, weil zu viele Spieler am Tisch nicht auf Anhieb Spannung und Dramatik als plot-treibendes Element (im Gegensatz zu Einzelhandlungen deren Gelingen durch Würfel bestimmt wird) verstanden haben. Der große Aha-effekt kam dann erst gegen Ende der Spielrunde, nachdem man sich mit leichter Verwirrung durch das zähe Spiel geschleppt hatte. Ähnliches gab es auch bei Dogs in the Vineyard, in dem die Vorstellung als Spieler ein Urteil über die Geschehnisse des Abenteuers zu fällen und anschließend ein Urteil zu wählen, dass für den Charakter einen Sinn ergeben würde, dermassen fremd war, dass es zwar zu stetiger Eskalation aber zu keiner Auflösung kam. Die Spieler, die jedoch mit dieser Urteilshandlung auf Spielerebene und danach auf Charakterebene zurecht kamen, trieben das Spiel anschließend mit Schmackes vorwärts.
In beiden Fällen wäre die Spielrunde flüssiger und auch einfacher verlaufen, wenn ich einige Regeln ausgelassen hätte und an diesen Stellen auf offenes Erzählen ausgewichen wäre, statt auf eine praktische Anwendung von Regeln zu bestehen, deren Zweck sich den Spielern in dem Moment noch nicht erschloss. Dieses Zurückfallen auf schlichtes Erzählen ist ein sehr gutes und nützliches Hilfsmittel um sich gerade ungewöhnlichen oder auch nur sehr komplexen Rollenspielen zu nähern und vielleicht beim nächsten Mal schon sicher im Griff zu haben.
Mittwoch, Oktober 01, 2008
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2 Kommentare:
Hm, ist das nicht von der ursprünglichen Aussage bereits erfasst? Es steht ja in dem Moment dem Spielspaß entgegen. Demgegenüber bin ich nicht der Meinung, dass man den Sinn einer Regel unbedingt verstanden haben muss, um sie spaßfördernd anzuwenden.
Das sehe ich nicht so. Zumal es kein Geheimnis ist, dass die Aussage der "Goldenen Regel" alles anderes als klar und deutlich ist.
Der Zusatz soll erläutern und ggf. ergänzen. Es geht mir vor allem darum deutlich zu machen, dass man Regeln bewusst und überlegt einsetzen muss. Das ist ein Punkt in dem sich Rollenspiele stark von Brettspielen unterscheiden. Während man in einem Brettspiel die Regeln stur und unreflektiert durchlaufen kann und trotzdem (oder gerade deshalb) ein rundes Spielerlebnis hat, ist das bei Rollenspielen nicht der Fall.
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