Beim Stöbern durch Foren und Blogs bin ich mal wieder über den Begriff "old school" gestolpert und dem diffusen Spielstil, der damit betitelt wird. Mir fiel mal wieder auf wie unnütz diese Spielstil-bezeichnungen sind, weil der Zeitraum in dem sie irgendetwas konkretes und greifbares beschreiben können nur ein Bruchteil dessen ist, wie lange sich diese Begriffe weit über ihre Nutzbarkeit hinaus halten. Solche Spielstilnamen zu benutzen, ist so als würde man auf einer lauten Baustelle versuchen "stille Post" zu spielen.
Aber letztendlich ist dieses Problem nur in Online-diskussionen wirklich vorhanden. Im direkten Gespräch lassen sich diese Begriffe oft weit länger sinnvoll benutzen, um sich zu verständigen oder über Rollenspiel zu philosophieren. Denn letztendlich ist der Witz an diesen Begriffen, dass sie nicht eine Art von abstrahierter, idealisierter Spielweise oder Spielverständnis beschreiben. Stattdessen sind sie eine Bezeichnung für eine bestimmte Art von Spieler oder Person, die diesen Begriff benutzt, sich damit identifiziert und sich unter diesem Gesichtspunkt an Rollenspielunterhaltungen beteiligt. Effektiv bedeutet das, dass man mit "old school" keinen Spielstil mehr beschreibt, sondern praktisch eine Art von Spieler.
Wenn in einem Blog von "old school" die Rede ist, dann denkt man unweigerlich an die Personen und Persönlichkeiten, die sich dazu zu Wort melden. Man denkt an die Forennamen, die Manifeste, Klarstellungen und Erlebnisberichte dazu schreiben. Diese gedankliche Verkürzung mag zwar nicht sonderlich produktiv sein, sie ist aber bequem und lässt sich bei den meisten Leuten wohl kaum von der Hand weisen.
Der Grund weshalb Narrativismus-spieler oder ARSler in manchen Kreisen so ungern gesehen sind, hat weit weniger mit irgendwelchen Spielweisen zu tun, als den Fratzen, die damit in Verbindung gebracht werden. Bestimmte Begriffe wecken bestimmte Assoziationen. Und wenn diese Assoziationen bzw. Spieler eher Unwillen und Frust wecken, kommt man mit seinen tollen Begrifflichkeiten nicht weiter. (Ich bin mittlerweile der Meinung, dass man schlechte Spieler vor allem an ihrer hysterischen Reaktion auf das Wort "railroading" erkennt; und schlechte Spielleiter vor allem an ihrer Besessenheit mit dem Wort "Story". Je intensiver die Beschäftigung, desto störender der Rollenspieler.)
"Old School" zum Beispiel hat sich in meiner gedanklichen Kategorisierung in den letzen Monaten merklich gewandelt. Anfangs war mir die Idee sehr sympatisch, vor allem weil mir das Unprätentiöse daran gefiel. Es gab nicht das Selbstverständnis nach hoher Rollenspielkunst zu streben. Oder die Idee, dass man hoch-komplexe und vielschichtige phantastische Spielerlebnisse durchlebte. Old School - so zumindest meine ursprüngliche Wahrnehmung - war zufrieden mit weniger Aufwand, ohne sich dabei als minderwertig zu verstehen. Old School war mir sympatisch, weil ich dahinter Leute sah, die für sich entschieden hatten, dass mehr Aufwand und Komplexität ihnen nicht mehr Spielgenuss einbrachte. Mir war das sympatisch, weil ich darin ein Rückbesinnung auf das Individuelle beim Rollenspiel gesehen habe, dass eben auch mal Trends des Hobbies ignorieren darf, kann und manchmal auch sollte. Unter diesem Gesichtspunkt fand ich Old School toll. Es war zwar nichts für mich, weil mir das klassische Old School-genre "Sword & Sorcery" einfach zu wenig gab, aber ich erfreute mich an der Begeisterung, die unter den Anhänger so damit geweckt werden konnte. Denn der Rollenspielszene fehlt es mit Sicherheit nicht an negativen, ablehnenden und pessimistischen Stimmen.
Wie ich jedoch mit der Zeit fest stellen musste, hielt die positive und unterstützende Begeisterung nicht lange. Schnell tauchten Stimmen im Old School Bereich auf, die unter der Rückbesinnung auf einfachere Zeiten auch eine Ablehnung anderer "modernerer" Spiele verstanden. Diese Ablehnung schwappte dann auch schnell auf jegliche Veränderung und Abweichung von Altbekanntem über, bis ich im Stimmenwirrwarr um Old School herum vor allem das laute, verächtliche Schnauben hören konnte. Aus meiner Wahrnehmung von Old School als offene und positive Bestärkung eines Rollenspielminimalimus, wurde einer von vielen, unzähligen und schwer erträglichen elitären Kreisen, die man ausblendet um sich überhaupt noch unterhalten zu können.
Mittlerweile ist es mir unmöglich bei jeder Erwähnung von Old School nicht auch den reaktionären und konfrontativen Unterton zu hören. Die Unbefangenheit, die ich anfänglich für das Markenzeichen von Old School hielt, sehe ich mittlerweile nicht mehr. Stattdessen scheint der Begriff Old School vor allem Ideologen auf den Plan zu rufen.
Sonntag, August 08, 2010
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4 Kommentare:
Interessant. Gerade in der letzten Zeit gibt es doch kaum noch irgendwelche spannenden Manifeste oder kontroversen Diskussionen betreffend der alten Schule.
Sprichst du vom deutschen oder vom englischsprachigen Bereich?
Weder noch. Der Eintrag ist weniger eine Reaktion auf aktuelle Dikussionen oder ähnliches, als eher mein Versuch meine Unzufriedenheit in Worte zu fassen, was eben Old School als Gesprächsgegenstand angeht.
Mir ist irgendwann aufgefallen, dass ich schon allein bei der Erwähnung des Begriffes das Interesse verliere, zum Teil auch nur weil ich mich darauf vorbereite bestimmte Kommentare zu hören. Mit den Spielen hat das weniger zu tun. Ich habe versucht zu umschreiben, weshalb ich mich anfangs sehr für diese Diskussionen interessiert habe und weshalb ich mittlerweile eher abwinke, wenn der Name fällt.
Old School hat - so mein Eindruck - an Aussagekraft verloren und wird eher als Signal gezündet, um in irgendwelchen Gesprächen Fronten zu bilden. Der Begriff ist halt nicht mehr an etwas Reales gebunden, sondern dient um sich von Anderen und Anderem abzugrenzen. Und damit geht auch mein Interesse verloren.
Danke für deine Eindrücke.
Gerade der Punkt, dass wenig begeisterte Reaktionen auf ARS/Narrativismus von einigen Fratzen kommen, trifft dabei für mich ein Problem im RSP recht gut.
Leider ist die Reaktion darauf dann weniger „da war eine für mich nervige Technik“ oder „der Spieler/die SL hat genervt“, sondern „der Spielstil ist Böse, wir brauchen einen neuen Stil…“
Also die Erfahrung mit reaktionären Tendenzen, die moderne Spiele dann auch komplett ablehnen habe ich von Anfang an mit Oldschool in Verbindung gebracht. Darum habe ich auch immer so meine Probleme gehabt damit.
Aber ich sehe auch zunehmend, dass "Oldschool"-Ansätze sich durchaus auch in modernen Spielen finden können. Das D&D 4 Abenteuer Tomb Of Horrors hat mir das gezeigt. Aber auch der jezt stattfindende Paradigmenwechsel bei den Publikationen der Wizards: Mehr Macht für den GM (zum Beispiel indem SCs eben nicht mehr jeden Gegenstand einfach erschaffen können sollen), mehr Hintergrundmaterial und nicht nur sehr viel crunch, klarer fokussierte Optionen in den Essentials. Das sind für mich (inzwischen) auch oldschoolige Ansätze, die ich da sehe.
Und ich finde es nicht alles schlecht. (auch wenn ich bei den Essentials starke Bedenken habe - aber nicht wegen des Prinzips der reduzierten Optionen)
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