Sonntag, April 01, 2007

[Georgios leitet] Warhammer Fantasy Roleplay

Ich vertrete ja mit Überzeugung die Ansicht, dass man nicht jedes Rollenspiel gleich spielen sollte. Das bedeutet natürlich auch, das man jedes Rollenspiel auch anders vorbereiten und leiten muss. Mit diesem Eintrag möchte ich anfangen einzelne Spiele zu betrachten und zu umreißen wie ich als SL solche Runden handhabe.

Warhammer Fantasy Roleplay


Bei WFRP hat der SL die Aufgabe Situationen für die Spieler und ihre SCs zu etablieren. Anders gesagt, der SL sagt den Spielern was Sache ist und die Spieler lassen ihre Charaktere darauf reagieren. Bei WFRP sehe ich den SL deshalb eindeutig in der Rolle des Aufschlaggebers. Alles beginnt bei ihm und alle Spielerhandlungen laufen bei ihm zusammen.

Nachdem ich eine Situation (andere sagen dazu Szenen) beschrieben habe, lassen die Spieler ihre Charaktere darin handeln. Nun ist es meine Aufgabe diese Handlungen in der Spielwelt mit Konsequenzen zu versehen, wobei mir meist viel Arbeit vom Regelwerk abgenommen wird. Anders gesagt: ich beschreibe mit Hilfe der Regeln wie sich die Ausgangssituation durch die Handlungen der Charaktere verändert hat. Jede Handlung muss dabei die Situation in irgendeiner Weise verändern. So eine Veränderung kann klein und überschaubar bleiben, aber auch weitreichende Konsequenzen nach sich ziehen, die über die jetzige Situation hinausreichen und noch in späteren Situationen oder gar Abenteuern spürbar sind.

Die Situationen habe ich als SL vor dem Spiel vorbereitet. Sie sind jedoch flexibel genug, um sie während des Leitens gemäß der Handlungen der Spieler verändern zu können. Die Situationen sind schließlich nicht statisch, sondern hängen von NSCs und Umständen ab, welche die Spieler auch einzeln antreffen und beeinflussen können.

Während dieser Vorbereitung ist es auch wichtig zu Bedenken, dass ausnahmslos jede der Situationen Veränderungen nach sich zieht. Egal ob die Spieler sich einmischen oder nicht. Es ist dabei nur wichtig, dass diese Veränderungen erst ausgelöst werden, wenn die Spieler sich gezielt für oder gegen eine Einmischung entschieden haben. Merke: Plot ist nur das was die Spieler tun. Diese Unterscheidung führt mich zum nächsten und wohl wichtigsten Punkt.

In jeder Situation müssen die Spieler alle notwendigen Informationen in ihren Händen haben. Sie müssen immer in der Lage sein die direkte Auswirkungen einer Handlung ihrer Charaktere abzusehen. Damit sie das tun können, müssen sie alle für die Situation relevanten Informationen zur Verfügung haben. Es macht nur wenigen Spielern Spaß „blind“ zu spielen.

(Am Rande: Durch SLs, die diese Regel nicht beachtet haben, entstand auch der Wunsch nach Conflict Resolution bei den Spielern. CR ist ja letztendlich nichts weiter als der Versuch die Diskrepanz zwischen dem was der Spieler erreichen will und dem was die Figur erreicht zu überbrücken. Anders gesagt, wer als SL diese Regel ausnahmslos befolgt, muss sich mit hoher Wahrscheinlichkeit niemals über CR Gedanken machen.)

Es ist ebenfalls wichtig, dass die Spieler immer klar die Zusammenhänge zwischen ihren Handlungen und deren Auswirkungen auf spätere Situationen erkennen können. Tut man das nicht, so läuft man Gefahr, dass die Spieler falsche Schlüsse ziehen und sich in wilden Theorien verrennen, die das Spiel zum Stillstand bringen.

Etwas worüber ich mir als SL bei WFRP überhaupt keine Gedanken mache, sind anspruchsvolle Storyabläufe oder überraschende Plotwendungen. Es ist nicht meine Aufgabe eine spannende Story zu erschaffen. Die Story entsteht während des Spiels und durch das Spielen. Weder ich noch die Spieler müssen sich darum kümmern. Wenn ich das Abenteuer inhaltlich mal in eine bestimmte Richtung drängen will, lasse ich meine Ideen nur bei der Situationsvorbereitung einfliessen. Während des Spiels nehme ich jedoch davon Abstand.

Als SL besteht meine Aufgabe darin, den Spielern unentwegt Situationen zu liefern. Dabei müssen diese Situationen den Spielern klar und verständlich sein; sie müssen direkt von ihnen beeinflussbar sein können und mit aber auch ohne ihr Handeln Veränderungen nach sich ziehen, welche für die Spieler ersichtlich und nachvollziehbar sind.

Hier lässt sich auch die große Problemzone für den SL erkennen. Das Verwalten und Vermitteln all dieser Informationen kann den Unterschied zwischen einer flüssig laufenden und einer völlig chaotischen Spielrunde bedeuten. Man muss seinen eigene Vorgehensweise finden, mit der man damit umgeht. Ich ziehe es meistens vor, Motivationen und Ziele der NSCs im Kopf zu behalten; die „greifbaren“ Aspekte einer Situation jedoch in meinen Unterlagen zu notieren. Was das Vermitteln der Informationen angeht, so ist es mir wichtiger mich für die Spieler klar und eindeutig auszudrücken, statt zu versuchen besonders stimmungsvolle oder atmosphärische Beschreibungen darzulegen. Letztere benutze ich zur Ausschmückung; sie sind jedoch nicht meine oberste Priorität.

16 Kommentare:

alexandro hat gesagt…

Auch wenn ich im großen und Ganzem deiner Meinung bin, sehe ich doch einige Probleme in dieser Herangehensweise speziell in Bezug auf WFRP (was du sicherlich auch daran gemerkt hast, dass ich in deiner Runde auf der Burg nicht wirklich warm geworden bin).

"...ich beschreibe mit Hilfe der Regeln wie sich die Ausgangssituation durch die Handlungen der Charaktere verändert hat"
Problematisch, da Prozentsysteme nur "geschafft"/"nicht geschafft" abdecken und keinen Qualitätsmaßstab. Deswegen ist hier erstmal klarzustellen, dass hier mit "Regeln" nicht die Spielregeln by-the-book gemeint sind, sondern (im Edwardschen Sinne) die Techniken, welche der SL anwendet, um sein Abenteuer zu strukturieren (wie genau werden selbige in WFRP eigentlich vermittelt?).
Wenn man die Situation und ihre möglichen Auswirkungen vorbereitet kann natürlich hier die Fairness wiederhergestellt werden (ich denke das war es auch, was du gemeint hast), allerdings führt das zu meinem nächsten Punkt:

"Es ist ebenfalls wichtig, dass die Spieler immer klar die Zusammenhänge zwischen ihren Handlungen und deren Auswirkungen auf spätere Situationen erkennen können."
vs.
"So eine Veränderung kann klein und überschaubar bleiben, aber auch weitreichende Konsequenzen nach sich ziehen, die über die jetzige Situation hinausreichen und noch in späteren Situationen oder gar Abenteuern spürbar sind."
Eine der grundlegenden Problematiken hier ist die, dass dem SL nur eine begrenzte Anzahl von "Kanälen" zur Verfügung steht, mit denen er die Informationen über die Auswirkungen der Handlungen transportieren kann. Gerade bei Handlungen mit weitreichenden Konsequenzen gestaltet sich das als schwierig (besonders der erste Teil des Abenteuers war daher arg zäh).
Du hast diese Klippe umschifft, indem du nicht nur die Sinne der SC gespielt hast (wie in den meißten klassischen Rollenspielen), sondern auch deren Allgemeinbildung und deren gesunden Menschenverstand und ihnen anzunehmende Auswirkungen beschrieben hast.
Allerdings waren diese derart nah an den tatsächlichen Auswirkungen, dass ich mich persönlich um einen guten Teil des Spielerlebnisses betrogen fühlte. Ich wollte einfach gerne selbst puzzlen und nur die Teile die ich vor mir habe so zusammensetzen, dass dadurch ein Bild entsteht und nicht, dass der SL mir den Deckel der Puzzleschachtel zeigt, so dass ich das fertige Bild erkenne (das ich natürlich noch selbst zusammensetzen muss, aber jetzt nur noch halbherzig). Ich wollte nur mit begrenzten Informationen arbeiten, damit ich eine Leistung erreiche.
Dadurch dass du uns diese Optionen gegeben hast, war das IMO nicht mehr gegeben.
Und eine andere Motivation als Leistung gab es so weit ich das erkennen konnte nicht (das moralische Dilemma fand ich ganz nett, aber etwas aufgesetzt- WFRP ist nicht Dogs oder Sorcerer und wie du schon mit Clippy-Stimme angemerkt hast: es hätte keinen Unterschied gemacht).

"Hier lässt sich auch die große Problemzone für den SL erkennen. Das Verwalten und Vermitteln all dieser Informationen kann den Unterschied zwischen einer flüssig laufenden und einer völlig chaotischen Spielrunde bedeuten."
Bis hierher stimme ich dir zu.
"Man muss seinen eigene Vorgehensweise finden, mit der man damit umgeht."
Hier nicht.
Nicht bezogen auf die Techniken die du anwendest, welche im Nachhinein vernünftig erscheinen, sondern in der Annahme, dass der SL die Konsequenzenfindung nach eigenen Kriterien durchführen sollte.
Denn jeder SL bewertet Konsequenzen anders und ein neuer Spieler muss erstmal "in den Kopf des SL kriechen", wenn er da durchsteigen will.
Dies mag in einer festen Runde ein funktionierender Ansatz sein, aber auf einer Con oder bei einem One-Shot eher nicht.

Der Runde haben diese Punkte nicht wirklich einen Abbruch getan, aber eine 100%ige Zufriedenheit konnte ich leider nicht daraus ziehen.

Georgios hat gesagt…

"Problematisch, da Prozentsysteme nur "geschafft"/"nicht geschafft" abdecken und keinen Qualitätsmaßstab."

Das stimmt. Allerdings findet genau hier die Leistung als SL bei WFRP statt. So wie die Spieler nach eigenem Ermessen entscheiden wie sie vorgehen möchten, entscheidet der SL nach eigenem Ermessen welche Konsequenzen für die Handlungen der Spieler angemessen sind. Wobei die Regeln (skill-beschreibungen etc.) dem SL einen Rahmen geben. Das ist "by-the-book".

"Gerade bei Handlungen mit weitreichenden Konsequenzen gestaltet sich das als schwierig (...) Du hast diese Klippe umschifft, indem du nicht nur die Sinne der SC gespielt hast (wie in den meißten klassischen Rollenspielen), sondern auch deren Allgemeinbildung und deren gesunden Menschenverstand und ihnen anzunehmende Auswirkungen beschrieben hast."

Alle Informationen, die ihr als Spieler braucht um Entscheidungen zu fällen, müssen euch zur Verfügung stehen. Das ist eine logische Folge daraus. Eure Charaktere erkennen bestimmte Zusammenhänge sofort, welche ihr als Spieler vielleicht nicht ziehen würdet. Würde man diesen Handgriff kategorisch aus dem Spiel nehmen, dann hätte das zur Folge, dass die Charaktere nur leisten können was die Spieler leisten können.

"Ich wollte einfach gerne selbst puzzlen und nur die Teile die ich vor mir habe so zusammensetzen, dass dadurch ein Bild entsteht und nicht, dass der SL mir den Deckel der Puzzleschachtel zeigt, so dass ich das fertige Bild erkenne (das ich natürlich noch selbst zusammensetzen muss, aber jetzt nur noch halbherzig)."

Das kann man gut in einer laufenden Runde machen, wenn der SL die Spieler gut genug kennt, um ihnen selbst Rätsel aufzugeben. Für eine Con-Runde ist mir das viel zu unsicher, weil dort die Gefahr besteht dass die gesamte Gruppe sich völlig verrennt und ich euch entweder stundenlang im Leeren zappeln lassen muss oder versuchen muss die gesamte Spielwelt nach euch auszurichten. Aber so leite ich nicht WFRP.

Alle notwendigen Informationen bevor die Spieler eine relevante Entscheidung fällen. Das bedeutet manchmal auch bestimmte Zusammenhänge aussprechen, anstatt den Spielern die Deutung zu überlassen.

"Und eine andere Motivation als Leistung gab es so weit ich das erkennen konnte nicht (das moralische Dilemma fand ich ganz nett, aber etwas aufgesetzt- WFRP ist nicht Dogs oder Sorcerer und wie du schon mit Clippy-Stimme angemerkt hast: es hätte keinen Unterschied gemacht)."

Das ist ulkig, denn diese Situation war nie als moralisches Dilemma gedacht. Von meiner Warte aus war sie völlig eindeutig, es war vielmehr das Gewissen der Spieler, dass daraus ein Problem gemacht hat. Wie es sein sollte. Aber aufgesetzt habe ich dort gar nichts, das war alles die Gruppe selbst.

"Denn jeder SL bewertet Konsequenzen anders und ein neuer Spieler muss erstmal "in den Kopf des SL kriechen", wenn er da durchsteigen will."

Da stimme ich überhaupt nicht zu. Ein SL muss auch nicht "in den Kopf der Spieler kriechen", bevor er ein gutes Spiel leiten kann. Es kann helfen, aber es ist mit Sicherheit nicht notwendig.

Die SL-Leistung Konsequenzen für Spielerhandlungen einzuführen, ist nur dann ein Problem, wenn die Spieler sie nicht absehen konnten und diese Konsequenzen ihren Interessen zuwider laufen. Das ist nur dann möglich, wenn der SL den Spielern nicht alle notwendigen Informationen gegeben hat.

Es ist eine leider weit verbreitete SL-Krankheit die Spieler für "falsche" Entscheidungen zu bestrafen. Das führt dazu, dass viele Spieler sich gezwungen sehen sich in den Kopf des SLs zu denken, um vernünftig spielen zu können.

Davon muss man meiner Meinung nach wegkommen. Zum einen weil es gegen den "play fair"-Anspruch eines guten SLs geht, zum anderen weil man dann das gesamte Spiel völlig auf den Kopf stellt und wieder die Gefahr einer reinen SL-Show besteht.

Drudenfusz hat gesagt…

Teile die Meinung das jedes Spiel seinen eigenen Stil erfordert. Doch ist mir nicht ganz klar warum du Strukturlose-Plots als den einzigen Weg für WFRP siehst, oder was der große Unterschied zu anderen spielen, die mit solchen Plots gespielt werden, sein soll. Für mich selbst ist WFRP in erster Linie ein Spiel für Horror-Komödien, kann aber auch prima ohne Humor-Faktor leben, da nicht jeder Komik im Rollenspiel erzeugen kann.

Georgios hat gesagt…

Doch ist mir nicht ganz klar warum du Strukturlose-Plots als den einzigen Weg für WFRP siehst, oder was der große Unterschied zu anderen spielen, die mit solchen Plots gespielt werden, sein soll.

Ich behaupte nicht, dass es der einzige Weg ist WFRP zu leiten. Nur das ich es so handhabe. Ich dachte das wäre durch den Titel und die Schreibweise deutlich geworden.

Der Hauptunterschied zu anderen Spielen liegt vor allem daran, dass ich andere Spiele eben nicht so leite wie WFRP. Dafür gibt es viele Gründe angefangen von der geringen taktisch/strategischen Tiefe im Kampf (im Vergleich zu D&D o.ä.), dem Fehlen eines uniformen Metaplots, der eine Richtung für das Spiel vorgibt oder Regeln, die den Ablauf der "Geschichte" völlig in den Bereich des zu Erspielenden legen und keine nennenswerten Vorgaben geben.

Ich denke, dass ich mit meinem SL-Stil, den großtmöglichen Spielraum für die gesamte Gruppe aus WFRP heraushole. Man müsste die Regeln merklich beugen, wenn nicht gar umschreiben um den Spielern mehr zu bieten.

Allerdings werde ich im nächsten Eintrag über Hong Kong Action Theatre! schreiben, welches einen Spielstil abdeckt, der in der einen oder anderen Form in sehr vielen Gruppen vorherrscht und so gut wie keine Regeln benötigt.

alexandro hat gesagt…

Ich sehe, da haben wir wohl zu verschiedene Ansichten.

"Das kann man gut in einer laufenden Runde machen, wenn der SL die Spieler gut genug kennt, um ihnen selbst Rätsel aufzugeben. Für eine Con-Runde ist mir das viel zu unsicher, weil dort die Gefahr besteht dass die gesamte Gruppe sich völlig verrennt und ich euch entweder stundenlang im Leeren zappeln lassen muss oder versuchen muss die gesamte Spielwelt nach euch auszurichten."
Wenn die Spielwelt und die aus den Handlungen der Spieler entstehenden Konsequenzen interessant genug sind, dann macht es auch nichts aus, wenn die Gruppe sich "verrennt" und einen völlig unwichtigen Nebenplot verfolgt.

Ich sehe das so: wir hatten die Handlungsoptionen klar vor uns ausgebreitet und haben uns für die Beste davon entschieden.
Das macht es für mich ein wenig zu einer Shopping-Tour, wo man Preise im Katalog vergleicht und sich dann das günstigste Angebot rauspickt.
Da es von den beschriebenen Konsequenzen her immer nur EINE dafür ideale Handlungsoption gibt und diese den Spielern auch bekannt ist, läuft es auf ein Herunterötteln der Situationen des SL heraus (da du ja gesagt hast, dass verschiedene Gruppen das Abenteuer in einer fast identischen Reihenfolge "gelöst" haben, scheint das ja nicht so abwegig zu sein).
Du sagst, dass die Szene mit den Mördern des Halblings ursprünglich gar kein moralisches Dilemma beinhaltete. Welchen Sinn hatte die denn dann? Da gab es doch eigentlich nichts sinnvolles für die Spieler zu entscheiden, da die bestmögliche Verfahrensweise klar ersichtlich war.

Möglichkeiten, um diesen Effekt zu vermeiden (unter Beibehaltung des von dir beschriebenen Spielstils):
- mehrere gute Angebote, zwischen denen man sich entscheiden muss (die Annahme von einem schließt die Annahme des anderen aus)
- mehrere Konsequenzen, die alle unangenehm sein könnten (Spieler müssen beurteilen, mit welcher sie am ehesten fertig werden)
- kurzfristige positive Konsequenzen aber auf lange Sicht negative Konsequenzen vs. kurzfristige Schwierigkeiten, aber auf lange Sicht gesehen Vorteile
etc.
mit diesen Handlungsoptionen kann man dann taktieren und die Spieler haben etwas mehr Freiraum.

Georgios hat gesagt…

"Wenn die Spielwelt und die aus den Handlungen der Spieler entstehenden Konsequenzen interessant genug sind, dann macht es auch nichts aus, wenn die Gruppe sich "verrennt" und einen völlig unwichtigen Nebenplot verfolgt."

Falsche Baustelle. Wenn sich die Gruppe "verrennt", dann heißt das, dass sie die Herausforderungen, die ihnen präsentiert wurden nicht angeht, sondern sich um Dinge kümmert, welche keine Herausforderung liefern. Kurz: anstatt die Prinzessin zu retten, betrachten sie die Wandtapete und wollen mehr über die Geschichte des Flechtens erfahren. Da ist es ziemlich egal, wie interessant die Wandtapete oder deren Geschichte ist.

"Da es von den beschriebenen Konsequenzen her immer nur EINE dafür ideale Handlungsoption gibt und diese den Spielern auch bekannt ist, läuft es auf ein Herunterötteln der Situationen des SL heraus..."

Das stimmt überhaupt nicht. Keine einzige Situation wurde mit einer "idealen" Handlungsoption ausgestattet. Es kam dir bestenfalls so vor, weil du von deiner eigenen Einschätzung der Lage dermassen überzeugt warst, dass du dir gar nicht vorstellen konntest, warum man es anders sehen könnte. Das ist jedoch nicht das Selbe.

"...(da du ja gesagt hast, dass verschiedene Gruppen das Abenteuer in einer fast identischen Reihenfolge "gelöst" haben, scheint das ja nicht so abwegig zu sein)."

Ist es aber. Denn der gleiche Ablauf war zufällig. Andere Gruppen haben sich mit anderen Fragen beschäftigt und haben Entscheidungen aus anderen Gründen getroffen als ihr (z.B. gab es da eine stärkere Gruppenhierarchie mit der einige Spieler zu kämpfen hatten). Dass sie die drei großen Problemzonen ähnlich erfolgreich oder erfolglos angegangen sind, hatte nichts damit zu tun, wie ich als SL die Situationen dargelegt habe.

"Du sagst, dass die Szene mit den Mördern des Halblings ursprünglich gar kein moralisches Dilemma beinhaltete. Welchen Sinn hatte die denn dann?"

Gar keine. Der Punkt den eure und auch die anderen Gruppen vergessen haben war, dass der Bürgermeister euch gebeten hat diese Sache nicht weiter zu ergründen, sondern euch um die momentanen Probleme zu kümmern. Der Tod Karels war ein Stück Hintergrundgeschichte, die ausschmücken sollte, aber keine Aufgabe für die Spieler lieferte. Was man daran merken konnte, dass es keinen einzigen Wurf benötigte, um die Täter zu finden und zu einem Geständnis zu bringen.

Die Gruppe beschäftigte sich aus eigenen Stücken und mit eigenen Zielen damit und nicht weil ich euch als SL diese Aufgabe gestellt hatte.

alexandro hat gesagt…

"...sondern sich um Dinge kümmert, welche keine Herausforderung liefern. Kurz: anstatt die Prinzessin zu retten, betrachten sie die Wandtapete und wollen mehr über die Geschichte des Flechtens erfahren."
Das ist mir persönlich zu pessimistisch.

Wie kommst du darauf, dass sich die Spieler unbedingt mit uninteressanten Aspekten der Spielwelt beschäftigen wollen?

Georgios hat gesagt…


Wie kommst du darauf, dass sich die Spieler unbedingt mit uninteressanten Aspekten der Spielwelt beschäftigen wollen?


Du verstehst mich erneut falsch. Es geht nicht darum, dass die Dinge auf die die Spieler anspringen uninteressant sind. Es geht darum, dass diese Dinge sich nicht als Inhalt für das Spiel eignen.

Das Spiel benötigt dynamische Situationen, welche verändert werden können und welche Veränderungen nach sich ziehen. (Wobei das Bewirken bzw. Verhindern bestimmter Veränderungen in der Regel als Herausforderung verstanden wird.)

Einige Dinge können die Spieler verändern, andere nicht. Beschäftigen sich die Spieler mit den Dingen, die unveränderbar sind, so kann kein Spiel entstehen. Egal wie interessant diese unveränderbaren Dinge sind.

Anonym hat gesagt…

Hi,

also wir spielen die Enemy Within Kampagne mit eingestreuten Abenteuern, was bedeutet daß wir schon de klassischen Abenteuerverlauf folgen und nicht nur mit Situationen konfrontiert werden.

Tatsächlich bevorzuge ich bei jedem Rollenspiel eine klar definierte Aufgabe, die es zu lösen gilt, als in eine Situation geworfen zu werden.

Das hat ein SL bei uns gemacht, und daß gefiel mir überhaupt nicht.

Gruß

Tyrion

Georgios hat gesagt…

Tyrion, meinst du damit einen vorbereiteten Plotstrang (oder meinetwegen auch Plotbaum) den ihr als Spieler "abgespielt" habt?

Wenn ich von Situationen rede, dann meine ich damit keine alleinstehenden Mini-Aufgaben, die die Gruppe zu lösen hat. Vielmehr spreche ich da von einem Netzwerk an Situationen, die sich gegenseitig beeinflussen. Der "Plot" entsteht dann aus dem hin und her von Spielerhandlungen, ihre Konsequenzen und die Auswirkungen auf andere Situationen.

Anonym hat gesagt…

Hi,

also Enemy Within ist eine große Kampagne. Deren erster Teil, den wir bisher gespielt haben, ist klassisches Abenteuer.

Bei der DnD-Runde war es nur: Wir werfen die SC in eine Situation und schauen was passiert, scheinbar ohne sich weiter Gedanken gemacht zu haben, was dahinterstecken soll und wo das hinführt.

Deine Beschreibung kann ich mir dann doch eher vorstellen, da sie zumindest Struktur zu haben scheint.

Anonym hat gesagt…

Einen solchen Leitungsstil kann ich mir für Warhammer zwar vorstellen, aber für optimal halte ich ihn nicht. Mag vielleicht ein wenig daran liegen, dass er nur wenig mit meinen Vorstellungen gemein hat.
Abenteuer bestehen bei mir aus mehreren Schichten. Die Grundlage ist ein Plotbaum, der sich dann als Netzwerk von Situationen darstellt. Danach wird das ganze atmosphärisch unterfüttert. Wenn das Abenteuer dann gespielt wird besteht es nur noch aus "Bausteinen", die mit den darunterliegenden Schichten korrespondieren. Es liegt nun an den Spielern die Initiative zu ergreifen und die Bausteine im Laufe des Abends zu ihrem Abenteuer zusammenzusetzten. Der mehrschichtige Abenteueraufbau erlaubt mir den Spielern die Wahl der Form zu lassen ( - wobei IMHO Warhammer einer gewissen ARS-Grundlage nicht entbehren kann).

... ich hoffe, dass man meine Skizze annähernd verstehen kann.

Georgios hat gesagt…

Athair,

Wo genau findest du fehlt dem Ansatz etwas? Denn um ehrlich zu sein, kann ich keinen großen Unterschied zwischen deiner Beschreibung und meinem Ansatz erkennen. Wenn ich dich richtig verstanden habe.

Was du Plotbaum nennst, bezeichne ich als NSC-Motivation und die Bausteine sind bei mir die Elemente der Situation, die sich gegenseitig beeinflussen können.

Was meinst du mit "den Spielern die Wahl der Form zu lassen"? Das die Spieler entscheiden wo das Spiel weitergeht, ist ja wohl selbstverständlich. Oder meinst du die Wahl zwischen ARS, thematischem Spiel oder irgendwas anderem? Das kann man natürlich den Spielern überlassen, aber ich habe die Erfahrung gemacht dass dieser Ansatz meist nur zu frustrierenden Kompromissen führt, die niemanden richtig zufriedenstellen. Vor allem weil nicht jeder Spieler weiss was er genau will und (viel wichtiger!) die wenigsten wissen wie sie das Spiel ausrichten müssen, um ihre Ziele umsetzen zu können.

Anonym hat gesagt…

Um ehrlich zu sein fehlt mir in deinem Ansatz selbst nichts. Als solcher scheint er funktional.

Mein Ansatz beruht auf anderer Grundlage. Eine Geschichte ist es, welche bei mir die unterste Schicht bildet. Der angenommene erspielte Verlauf könnte fast als Novelle ausformuliert werden. Das Fundament bildet also ein fertig gearbeitetes Abenteuer, das durchaus eine Vielzahl von Handlungsmöglichkeiten besitzt. Vorgefertigte Abenteuer können dieses Fundament, sofern ich einige Klinken herausarbeiten kann, die den Spielern an die Hand gegeben werden können, auch bilden.
Jetzt dürfte langsam erkennbar werden, dass das, was ich "Plotbaum" nannte eine Wechselwirkung aus Geschichte und NSC-Motivation ist.
Die anderen Schichten, die darauf aufbauen hast du richtig erkannt.

"Etwas worüber ich mir als SL bei WFRP überhaupt keine Gedanken mache, sind anspruchsvolle Storyabläufe oder überraschende Plotwendungen."
Dass ich das anders handhabe dürfte aus den obigen Ausführungen hervorgehen.

"Es ist nicht meine Aufgabe eine spannende Story zu erschaffen. Die Story entsteht während des Spiels und durch das Spielen. Weder ich noch die Spieler müssen sich darum kümmern."
Bei mir ist die Story schon skizziert. Im Spiel aber muss sie zum Leben erwachen. Sie ist gleichsam ein Kind der Geschichte-Schicht führt aber ihr eigenes Leben.

"Es ist ebenfalls wichtig, dass die Spieler immer klar die Zusammenhänge zwischen ihren Handlungen und deren Auswirkungen auf spätere Situationen erkennen können. " "Alle Informationen, die ihr als Spieler braucht um Entscheidungen zu fällen, müssen euch zur Verfügung stehen."
Bei mir ist das ein Können. Den Spielern steht es frei sich die Zusammenhänge zu erschließen. Vorhanden sind die Informationen, wenn die Spieler sie wollen können sie die bekommen.

Fazit: Grundsätzlich sind die Ansätze ähnlich. Dabei komme ich EHER von der Seite des klassischen Abenteuers und du von der des freien Rollenspiels.


"... meinst du die Wahl zwischen ARS, thematischem Spiel oder irgendwas anderem?" Exakt!

"Das kann man natürlich den Spielern überlassen, aber ich habe die Erfahrung gemacht dass dieser Ansatz meist nur zu frustrierenden Kompromissen führt, die niemanden richtig zufriedenstellen."
[Eines vorweg: Der Ansatz diesbezüglich befindet sich noch in der BETA-Phase.]
Ich mühe mich darum, dass ein gezwungener Kompromiss zwischen den Spielern nicht nötig wird. Wie jeder Charakter seine Szenen bekommen soll, so soll jeder Spieler seine "formale Spielweise" einbringen.
Damit das funktionieren kann habe ich als SL drei Werkzeuge im Gepäck.
Das wichtigste ist Schicht0:Geschichte. Sie versucht so ausgelegt zu sein, dass sie möglichst viele Spielweisen unterstützt. Die anderen sind allgemeinzugänglich: Vorbereitung&Improvisation und Spielerkenntnis.

Georgios hat gesagt…

"Fazit: Grundsätzlich sind die Ansätze ähnlich. Dabei komme ich EHER von der Seite des klassischen Abenteuers und du von der des freien Rollenspiels."

Nein. Was ich tue hat herzlich wenig mit freiem Rollenspiel zu tun.

Auch scheint unsere Vorstellung von klassischen Abenteuern stark auseinander zu gehen.

"Bei mir ist die Story schon skizziert. Im Spiel aber muss sie zum Leben erwachen."

Wenn die Story - der Ablauf bestimmter Ereignisse - bereits vor dem eigentlichen Spiel feststeht, dann haben die Spieler nicht mehr die Rolle der Protagonisten (der Personen, die den Plot und damit auch die Story voranschieben), sondern die von Schauspielern, die die Story lediglich ausschmücken oder euphemistisch gesagt "mit Leben erfüllen".

Als Spielart genauso legitim wie jede andere. Aber bei WFRP meiner Meinung nach nicht ohne weiteres umzusetzen. Es bieten sich andere Spielarten eher an.

"Bei mir ist das ein Können. Den Spielern steht es frei sich die Zusammenhänge zu erschließen. Vorhanden sind die Informationen, wenn die Spieler sie wollen können sie die bekommen."

Würdest du beim Schach einzelne deiner Spielfiguren auch verstecken und nur offenlegen, wenn dein Gegenspieler die "richtigen Zusammenhänge erschließt"? Nein. Damit sich das Spiel ganz entfalten kann, muss dein Gegenspieler alle deine Figuren sehen können. Damit sich ein Rollenspiel wie WFRP ganz entfalten kann, muss die Gruppe die gesamte Situation überblicken können. Ihnen als SL Steine in den Weg zu legen, indem man wichtige Informationen in Andeutungen und Implikationen versteckt, hilft niemandem.

"Spiel Fair" bedeutet nicht nur, dass man die Regeln unparteiisch einsetzt, sondern auch dass man die Spieler nicht hinters Licht führt, indem man ihnen nur bruchstückweise Informationen gibt.

Anonym hat gesagt…

Betrifft mein Fazit: Ich sehe: Richtungsbestimmung fehlgeschlagen; Begriffe ungeeignet und zu schwammig. Ergebnis: Fazit streichen!

"Wenn die Story - der Ablauf bestimmter Ereignisse - bereits vor dem eigentlichen Spiel feststeht,dann haben die Spieler nicht mehr die Rolle der Protagonisten [...]"
Stimmt. Deswegen wird sie weiterer Vorbereitung zu Situationen und Einzelbausteinen demontiert. Die "Story" ist bei mir lediglich eine Überlegung wie das Abenteuer ausgehen könnte. Das, was dann im Laufe des Abends gespielt wird, weicht oft erheblich davon ab. Und zwar weil die Spieler handeln dürfen wie es ihnen beliebt. Situationen sind inspiriert von der Story aber nicht (eng) an sie gebunden.

"Würdest du beim Schach einzelne deiner Spielfiguren auch verstecken und nur offenlegen, wenn dein Gegenspieler die "richtigen Zusammenhänge erschließt"?"
Nein. Aber mein Gegenspieler muss immer noch meine gefährlichen Züge, meine Strategie etc. erkennen. Die bin ich nämlich nicht willens zu erklären.

"Damit sich ein Rollenspiel wie WFRP ganz entfalten kann, muss die Gruppe die gesamte Situation überblicken können. Ihnen als SL Steine in den Weg zu legen, indem man wichtige Informationen in Andeutungen und Implikationen versteckt, hilft niemandem."
Wohl wahr. Bei mir sollen die Spieler selbst sich den Überblick verschaffen. Die Aussichtsplattform stelle ich zur Verfügung. Wie die Spieler diese nutzen obliegt ihnen. Informationen sind bei mir grundsätztlich leicht zu erlangen. Vorkauen will ich sie aber nicht.

Mir scheint unsere Vorstellungen liegen nicht soo weit auseinander wie es momentan scheint.