Primetime Adventures (PTA) ist ein Spiel, dass ich sehr gerne spiele weil es einen Ansatz hat, der sich grundlegend von dem unterscheidet, den ich bei anderen Rollenspielen sehe. Um erklären zu können, wie ich die Rolle des Producers bei PTA sehe, muss ich auch erst erläutern, was die Spieler bei PTA tun.
Bei einem Rollenspiel wie z.B. WFRP ist es so, dass der Spieler eine konkrete Handlung seiner Figur ansagt und diese etwas umschreibt, um das Spielgeschehen lebendiger und plastischer zu machen. Durch die Beschreibung, wozu hier auch Dinge wie verstellte Stimmen, Gesten und Mimik zählen soll, wird der Handlung der Figur mehr Farbe und dem Rollenspiel eine seiner wichtigsten Eigenschaften hinzugefügt. Für den Spielablauf relevant ist jedoch nur die Handlung der Figur, für den Spielspaß relevant ist jedoch die Beschreibung. Gerade Kämpfe beweisen das sehr anschaulich. Viele Spieler beschränken sich hier allein auf die Handlung, während die Beschreibung auf ein Minimum reduziert wird. Solche Kämpfe gelten in der Regel als trocken und flach, wenn die Gruppe ihren Spielspaß nicht aus anderen Quellen zieht, z.B. dem Umgang mit der Herausforderung.
Bei PTA wird genau diese Gewichtung umgedreht. Die Beschreibung bzw. Ausschmückung der Szene stellt bei PTA die eigentliche Spielhandlung dar. Es sind diese Beschreibungen, die die Spieler einbringen müssen, welche das Spiel vorantreiben. Ein Spieler der bei PTA nichts beschreibt und die Szene nicht ausschmückt, ist wie ein Spieler bei WFRP, dessen Figur absolut nichts tut. In beiden Fällen kommt kein Spiel zustande. Um diesen Gedanken auch zu Ende zu führen, bedeutet das ebenfalls, dass die Handlung der Figur zum Spielspaß beiträgt, aber nicht zwingend notwendig ist. PTA lässt sich spielen, selbst wenn die Charaktere nichts anderes tun als rumzusitzen. Es mag nicht sonderlich interessant oder spannend sein (es sei denn man erfreut sich an den Beschreibungen seiner Mitspieler), aber das Spiel kann so gespielt werden.
Ein weiterer Punkt in dem sich PTA von vielen Rollenspielen unterschiedet, ist die Zuteilung worüber ein Spieler selbst entscheidet, worüber der Spielleiter verfügt und was durch den Gebrauch der Regeln (d.h. des Zufallsmechanismus der Karten bei PTA) bestimmt wird. Auch hier kann man PTA als ein Spiel mit umgedrehten Vorzeichen sehen. So sind die Regeln nicht darauf ausgelegt zu bestimmen, ob die Figur eine bestimmte Tätigkeit erfolgreich abgeschlossen hat. Auch sind die Regeln nicht dafür konzipiert, zu bestimmen ob die Figur ein bestimmtes Ziel erreicht hat. Bedenke: die Taten einer Figur sind lediglich schmückendes (wenn auch wertgeschätztes) Beiwerk. Vielmehr zielen die Regeln darauf ab das Innenleben des Charakters zu bestimmen. Die Regeln bestimmen genau den Aspekt des Spiels, der bei anderen Rollenspielen gänzlich dem Spieler anvertraut wird. Genausowenig wie man bei WFRP frei entscheiden kann, ob der Hieb mit dem rostigen Schwert den Goblin trifft, darf man bei PTA nicht entscheiden ob die eigene Figur ihre Issue Feigheit überwindet oder nicht. Dafür kann der jeweilige Erzähler alles andere frei entscheiden. Wobei man auch hier natürlich die jeweiligen Qualitätsmaßstäbe für einen Spielbeitrag (Plausibiltät, Kausalität, Vereinbarkeit mit der bereits erspielten Fiktion, usw.) einhalten muss.
Während andere Rollenspiele klar und deutlich trennen, was der Spieler und was der Spielleiter in der Fiktion bestimmt, ist PTA etwas freier und überlässt diese Entscheidung zu großen Teilen der Gruppe. Gerade bei erfahrenen Rollenspielern bietet es sich an, die klassische Verteilung zu übernehmen, bei der der Spielleiter darüber entscheidet wie die Spielwelt auf die Charaktere reagiert. PTA ist jedoch eher darauf ausgelegt dem jeweiligen Erzähler (vor dem Konflikt der Producer, nach dem Konflikt der Spieler mit der höchsten Karte) ein uneingeschränktes Vetorecht zu geben. Das bedeutet, dass jeder am Spieltisch ermutigt ist die Fiktion in irgendeiner Weise auszuschmücken und im Zweifelsfall der "Erzähler" die letzte Entscheidung fällt. Insbesondere die Fan Mail-Mechanik des Spiels kann auf diese Weise erst so richtig in Gang kommen. Die Hintergrundgeschichte des Settings, die Motive der NSCs und die Beziehungen zwischen den unterschiedlichen Parteien können so von jedem am Tisch verändert, beeinflusst oder neu erfunden werden ohne dabei irgendwelche Zufallsmechanismen einzusetzen.
Welche Funktion hat dann der Producer? Wenn alles von dem was ein Spielleiter normalerweise für ein Rollenspiel vorbereitet, bei PTA frei im Spiel erzählt wird, bedeutet das dann auch, dass der Producer sich nicht für eine PTA-Runde vorbereiten muss?
Nein. Nicht im Geringsten. Als Producer bin ich genauso auf Vorbereitung angewiesen, wie bei WFRP. Ich muss lediglich gänzlich andere Dinge vorbereiten. Diese bestehen zum einen darin, Herangehensweisen zu finden mit denen die Issue des jeweiligen Charakters aufgegriffen werden können. Einen guten Kniff zu finden, durch den ein Charakter mit seiner Issue konfrontiert wird, kann eine ziellose Szene retten und treibt das Spiel voran. Diese „Kniffe“ habe ich dabei nie an eine bestimmte Story oder spezifische Situationen gekoppelt. Sie müssen so universal einsetzbar sein wie es geht.
Zum anderen bin ich als Producer dafür zuständig die Franchise der Serie zu befolgen. Die Franchise ist eine Art Story-Formel der Serie. Diese kann sehr allgemein sein: „In jeder Folge kommt ein Klient mit einem neuen Problem, dass das Team lösen muss.“ Die Franchise kann jedoch auch sehr genau sein: „Jede Folge beginnt mit einer Szene ohne die Charaktere, dann kommt der Klient in die Detektei, dann kommen die Untersuchungen, dann kommt es zu einer Verfolgungsjagd und dann ein Kampf, dann stellt man den Bösewicht und am Ende kommt die Gerichtsszene.“ Eine detaillierte Franchise ist dabei alles andere als spielstörend. Wenn man bedenkt welchen Stellenwert Handlungen bei PTA haben, wird deutlich, dass eine Franchise den gleichen Stellenwert hat, wie der Hintergrund der Alten Welt bei Warhammer. Beides dient den Spielern als Orientierung für die Ausschmückung ihrer eigenen Spielhandlungen. Es ist meine Aufgabe der Franchise zu folgen bzw. sie zu beachten, wenn ich Szenen beginne.
Als Producer richte ich mich nach der Franchise und setze die Szenen dementsprechend an. Ausserdem muss ich mit meinen vorbereiteten „Kniffen“ die Figuren mit ihren Issues konfrontieren und so einen Konflikt in die Szene bringen, falls die Spieler es nicht schon von allein getan haben. Ich habe die Erfahrung gemacht, dass bei PTA – stärker noch als bei anderen Rollenspielen - es wichtig ist, dass der Producer für die Einhaltungen der Regeln sorgt und darauf achtet dass die verschiedenen Spielbeiträge der Atmosphäre bzw. Thematik der Serie gerecht werden. Ohne eine klare Linie kann das Spiel schnell in Absurdität und Albernheit münden.
[ERGÄNZUNG: Wenn ich davon spreche, dass die Spieler Beschreibungen liefern, dann stellt sich natürlich die Frage was sie denn genau beschreiben, wenn nicht die Handlungen ihrer Figuren? Die Antwort lautet: die Issues des Charakters. Der Spieler beschreibt bzw. umreisst die Issue seiner Figur in dem er sich des Vokabulars der Fiktion bedient. In anderen Worten, die Art und Weise wie die Figur inszeniert wird drückt die Issue der Figur aus. Das ist - wenn man so will - auch der Schlüssel zum thematischen Spiel selbst.]
Sonntag, April 29, 2007
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1 Kommentar:
Schöner Beitrag! Wir spielen morgen Primetime Adventures. Bin gespannt wie sich das anfühlt ;-)
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