Montag, Oktober 29, 2007

User Generated Content - Rollenspiel 2.0

Rollenspiele sind unfertige Spiele. Nicht weil die Regeln so unausgegoren sind, dass man sie andauernd verändern oder erweitern muss. Auch nicht weil Verlage über Erweiterungsbände und ähnliches versuchen ihre Gewinnspanne zu erhöhen und deshalb viele Rollenspieler zu Rollenspielsammlern erzogen werden. Rollenspiele sind unfertige Spiele weil ein wichtiger Bestandteil des Spiels nicht im Spiel enthalten ist, sondern durch die Spielergruppe selbst gestellt wird. (Nein, ich meine auch nicht Bleistifte. Wer bloggt schon über Bleistifte?)

Die Rede ist natürlich von der Fiktion des Spiels, d.h. die Summe aller Ereignisse, Handlungen und Beschreibungen, die die Spielwelt am Tisch ausmachen. Kurz: alles was SL oder Spieler sagen und sich vorstellen. Angefangen bei den Charakteren, der Welt in der sie sich bewegen, den Figuren denen sie begegnen, die Situationen in die sie geraten bis hin zu den Dingen, die sie tun und die Folgen die diese Dinge nach sich ziehen. Das Einzige was ein Regelwerk leistet ist die Grundlagen für diese Dinge zu liefern und einen groben Spielablauf vorzugeben.

Das wird von manchen gern übersehen oder in seiner Bedeutung für die Spielrunde heruntergespielt, weshalb viele gerne dem Irrglauben verfallen, dass (je nach Präferenz) Regeln oder Hintergrund vernachlässigbar wären. Nichts könnte falscher sein.

Es steht außer Frage, dass Gruppen ihre eigenen Regeln oder Hintergründe benutzen können; aber auf die Funktion, die diese beiden Elemente erfüllen, kann keine Rollenspielrunde verzichten. Durch den Hintergrund und die Regeln werden die notwendigen Grundlagen gestellt, die ein Rollenspiel erst möglichen machen.

Um sich dieser Funktionen klar zu werden, muss man sich erst mal von vielen gängigen Annahmen über Regeln und Hintergrund lösen. Regeln sind keine Richtlinien wie man sich einigt, was in der Spielwelt passiert. Regeln sind keine Relikte aus der Ära der Miniaturenspiele aus der sich D&D entwickelt hat. Regeln sind kein Korsett in dass sich die Spiellust der Gruppe zwängen muss, und dass man sich mit Hausregeln und gefälliger Interpretation zu eigen machen muss. Regeln sind selbstverständlich keine Simulationsmaschine für die Spielwelt.

Regeln sind die DNS des Spiels. Sie bilden das notwendige Skelett, das von den Spielern erst zu einem vollständigen Rollenspiel gemacht wird. Erst wenn diese DNS in Fiktion eingebettet wird, kann man von einem Rollenspiel sprechen. Wobei allein die unausgesprochene Vorstellung des einzelnen Spielers ausreicht, um von Fiktion zu sprechen. Anders gesagt, schauspielerische Einlagen oder eloquente Beschreibungen sind zwar üblich und gern gesehen, stellen aber keine notwendige Eigenschaft des Rollenspiels dar. (Auch wenn ich ohne sie weit weniger Spaß am Hobby hätte.)

Ich nenne sie auch DNS, weil sie den gesamten Spielablauf durchziehen, ohne ihn dabei exakt vorzuschreiben wie es etwa bei Brettspielen der Fall ist. Vielmehr bildet er sich aus dem Regelgebrauch und dem Umfeld (der Fiktion) heraus. Eine Stärke-Probe allein ist fast bedeutungslos und sagt nichts über den Fortgang der Spielrunde aus. Eine Stärke-Probe, um zu bestimmen ob der Zwerg das Geröll am Ausgang der Höhle entfernen kann, hat weit schwerere Auswirkungen darauf, wie das Spiel weitergehen wird.

Genauso verliert die Fiktion an Bedeutung, wenn sie sich nicht auf das Gerüst bezieht, dass ihr durch die Regeln gestellt wird. Wenn jeder Spieler willkürlich darüber entscheiden könnte, was seinem Charakter gelingt oder misslingt, würde nichts was im Spiel geschieht einen Wert haben.

Was hat es dann mit den 'regellosen' Spielrunden auf sich? Den gerne und oft zitierten großartigen Rollenspielerlebnissen, in denen die Regeln vollkommen in den Hintergrund traten oder gar nicht zum Einsatz kamen? Ist das etwa gar kein Rollenspiel? Ist dieser Eintrag etwa nur ein weiterer Versuch zwischen gutem (lies: so wie ich spiele) und schlechtem (lies: so wie die Leute spielen, die ich nicht mag) Rollenspiel zu trennen? Selbstverständlich nicht. Es lauert auch kein Buchstabenkürzel in den folgenden Absätzen, das man selbstgefällig als rhetorische Waffe einsetzen soll, um anders Spielende mundtot zu machen

Die angesprochenen Beispiele zeigen keinen Gegensatz zum Rollenspiel, sondern zeigen auf wie die von den Spielern erschaffene Fiktion die Funktion der Regeln in sich aufnehmen und den Gebrauch der Regeln so ersetzen kann. Es ist weniger ein Verzichten auf Regeln, als vielmehr ein Gebrauch von Regeln, die in die Fiktion eingewoben sind. Auch hier muss noch mal daran erinnert werden, dass Fiktion in diesem Fall auch die individuellen Vorstellungen der Spieler miteinbezieht und nicht allein die Spielwelt beschreibt wie sie von allen Spielern akzeptiert und abgesegnet wurde.

Ich bin der Meinung, dass diesem Teil des Rollenspiels nicht die gleiche Aufmerksamkeit, zumindest nicht die gleiche Sorgfalt, entgegengebracht wird wie den Regeln. Dabei ist gerade dieser Teil von besonderer Wichtigkeit, wenn man als Spielergruppe sich ein wenig von den Vorgaben des Autors lösen möchte. Man muss sich bewusst machen wie der von Spielern erschaffene Inhalt entsteht, auf das Spiel wirkt und durch das Spiel entwickelt wird. Ich werde versuchen in den folgenden Einträgen einige meiner Beobachtungen dazu festzuhalten.

Montag, Oktober 08, 2007

Axiome - Die Regeln des Erzählten

Im Spiel wird der Spieler in seiner Entscheidungsfreiheit durch zwei Dinge eingeschränkt: die Regelebene und die Erzählebene. Es gibt zum einen die Regelebene, die es etwa nicht zulässt dass ein Warhammer Anfangscharakter mehr als 20 Lebenspunkte besitzt. Es gibt aber auch die Erzählebene, die es etwa nicht zulässt, dass ein Charakter völlig aus Käse besteht.

(Da beide Einschränkungen auf die gleiche Art und Weise in der Gruppe geltend gemacht werden, könnte man sie auch als gleichwertig betrachten - wie ich es in einem älteren Eintrag schon mal getan habe. Aber in der Praxis differenzieren die Meisten zwischen "Regeln" und "Erzähltem", daher werde ich versuchen diese Trennung hier ebenfalls zu benutzen.)

Es scheint mir, als ob Probleme nicht zwingend dadurch entstehen, dass jemand die Regeln als bindender ansieht als die Erzählung oder umgekehrt. Konflikte und Schwierigkeiten scheinen oft vorprogrammiert, wenn Uneingkeit darüber herrscht wie man Regeln und Erzählung gewichtet. Sobald man mit dem einen oder anderen Aspekt merklich loser umgeht, verliert dieser an Wirkung und Bedeutung im Spiel. Wer Regeln nach Lust und Laune umschreibt oder ignoriert, der wird entdecken, dass der Teil des Spiels schon bald kein Interesse mehr hervorrufen wird. Wie man eng nach den Regeln spielt, ist in den meisten Fällen klar und bedarf hier keiner weiteren Erklärung. Darüber wird andernorts schon ausgiebig debattiert und geschrieben.

Interessanter finde ich die Frage, wie das Erzählte im Spiel wirkt. Was sind diese "Regeln des Erzählten"? Um Verwirrung zu vermeiden, werde ich sie nicht "Regeln des Erzählten" nennen sondern kurz Axiome. Diese setzen sich meiner Meinung nach aus drei Komponenten zusammen, wobei auch hier jede Spielrunde diese Dinge anders gewichtet.

1) Die Art der Situationen, mit der die Spieler konfrontiert werden; die Umgangsformen der Charaktere und der übliche Ablauf an Ereignissen lassen sich aus dem Grundbuch und ggf. den Zusatzbänden ableiten. Das Hintergrundmaterial, die optionalen Elemente und Beschreibungen zeichnen meist ein Bild einer "typischen" Spielrunde ab und dienen dem Leser als Einstiegshilfe in das Axiom des Spiels.

2) Rollenspielfremde Quellen, wie etwa Bücher, Filme, TV usw. können auch benutzt werden, um Axiome zu bilden. Das bekannteste Beispiel ist mit Sicherheit Call of Cthulhu, Lord of the Rings oder Star Trek. Hier werden Texte zu Rate gezogen, die nicht für das Rollenspiel bestimmt sind, um daraus das Axiom des Genres abzuleiten.

3) Etwas, dass in vielen Spielrunden als selbstverständlich gilt, ist die Bindung an vorherige Ereignisse im Spiel. Widersprüche werden selten geduldet. Die Gruppe versucht das Erzählte widerspruchsfrei zu halten. Hier kann man vom Axiom der Fiktion sprechen.

Daraus bilden die Gruppe die Axiome für die Spielrunde. Man sollte hier beachten, dass diese Axiome fast immer unausgesprochen ausgehandelt werden. Sie treten vielmehr beim Spielen auf und ergeben sich aus den Handlungen bzw. Erzählungen der Spieler. Aus den Annahmen, dem Vorwissen und den Gewohnheiten der einzelnen Spieler setzen sich Stück für Stück die Axiome zusammen.

Das größte Problem scheint auf den ersten Blick zu sein, dass diese Axiome nirgendwo aufgeschrieben werden und Missverständnisse so unausweichlich scheinen. Das ist jedoch kein Stolperstein, sondern eine versteckte Stärke des Rollenspiels. Am Spieltisch nimmt jeder Spieler diese Axiome wahr (wenn er sie auch selten verbalisiert), und wenn er das nötige Sozialverhalten besitzt, versucht er sie mit seinen Spielerhandlungen und Erzählungen zu vereinbaren. (Stichwort: 'so macht man das hier also') Wenn man das voraussetzt, so führen die individuellen Vorstellungen der Axiome zu einem sehr eigenständigen und originellem Resultat. Die Fiktion des Spiels entwickelt so einen Charakter, der der Spielgruppe zu eigen ist und gerade kein Abziehbild irgendwelcher Buch- oder Filmerzählungen. Ich zumindest finde das sehr reizvoll.

Diese Bildung der Axiome findet meist im Hintergrund statt und ist darum nur schwer vom normalen Umgang miteinander zu trennen. Aber eigentlich muss man diesen Axiomen auch keine Aufmerksamkeit schenken, es sei denn jemand kommt auf die Idee 'mal was anderes zu spielen'. Dann sollten diese Axiome neu verhandelt werden. Tut man das nicht so führt es dazu, dass das 'andere' Spiel sich genauso anfühlt wie das alte. Oder im schlimmsten Fall völlig unspielbar wirkt, weil das Erzählte sich nicht auf die gleiche Art und Weise in den Spielverlauf einfügt wie man es gewohnt ist. Das Paradebeispiel hierfür ist, denke ich Primetime Adventures. Ein Spiel, das vollkommen aus dem Ruder läuft, wenn man Dinge genauso erzählt, wie in der hauseigenen DSA-Runde.

Im Gegensatz zu den Regeln (über die der SL wacht und über deren Gültigkeit der SL entscheidet) liege die Axiome meist in der Hand der Spieler. Das Klischee der Spielergruppe, die sich nicht um den angemessenen Umgangston ihrer Charaktere bei Hofe kümmert oder deren Figuren von Spielrunde zu Spielrunde andere Charakterzüge aufweisen ist das bekannteste Beispiel einer Spielrunde, in der die Spieler den Axiomen wenig bis keine Bedeutung beigemessen haben. Das andere Extrembeispiel ist der "Settingfetischist" (wie er etwa beim Lord of the Rings oder Star Trek Rollenspiel befürchtet wird), der jede abweichende oder zum Haupttext im Widerspruch stehende Erzählung bemängelt und kritisiert. Auffällig sollte hier sein, dass die Probleme vor allem entstehen, weil der Rest der Gruppe anderer Meinung ist.

Es gibt einige Spiele, die einzelne Axiome in den Regeln verankern. Dadurch werden die Spieler zum Teil entlastet. Gerade wenn sie sich bei den Axiomen unsicher fühlen (weil sie den Hintergrundtext nicht kennen, mit dem Genre nicht vertraut sind oder einfach wenig Erfahrungen mit Rollenspielen haben), können solche Hilfestellungen nützlich sein. Sie machen es den Spielern oft etwas einfacher gut bzw. passend zu erzählen. Andere können sich dadurch jedoch in ihrem Spielinteresse beschnitten fühlen. So gibt es auch Spieler, die großen Wert darauf legen mit und nach eigenen Axiomen zu spielen.

Die Frage nach dem passenden Regelwerk für ein bestimmtes Buch/Film/etc. ist oft eine Frage nach der Möglichkeit entsprechende Axiome in der eigenen Runde geltend zu machen. Es stellt sich die Frage, ob man hier nicht besser beraten ist auf sämtliche Axiome zurückzugreifen (sich ihrer Funktion bewusst zu machen und die Spieler auf ihre Aufgaben dahingehend hinzuweisen), statt sich allein auf die Axiome des Spiels zu reduzieren.

Donnerstag, Oktober 04, 2007

Die Tücken des freien Spiels

Gestern abend hatte ich die Chance einen Auftritt der Improtheatergruppe einer Freundin von mir anzuschauen. (Wen's interessiert: Foxy Freestyle. Jeden Mittwoch im Berliner RAW-Tempel, für nur 4€ (+freiwillige Spende) gibt's 2 Stunden gutes Improtheater.) Während des Auftritts wurde mir vor Augen geführt wie viele Parallelen es zwischen Improtheatergruppen und Rollenspielrunden gibt. Es ging sogar so weit, dass in einigen Szenen wortwörtlich die gleichen Fragen von den Spielern auf der Bühne gestellt wurden, wie ich es etwa in meinen PTA-Runden tue. ("Worum genau geht es in der Szene?", "Ihr habt noch nicht ganz rausgearbeitet, wie eure Beziehung ist." usw. usf.). Ich fühlte mich aber auch an einige Überlegungen erinnert, die mir während Runden durch den Kopf gingen in denen die Spieler "ihre Charaktere ausspielten". Mir wurde klar, dass der Antrieb der Impro-spieler sich kaum von der Motivation der "alles ausspielen"-Rollenspieler unterscheidet. (Jeder der sich wundert, warum Leute so ein Aufleben um die Möglichkeit des "Ausspielens" in ihren Runden machen, sollte sich eine gute Improshow anschauen.)

Das das Ausspielen am Tisch jedoch selten so gut funktioniert wie dort auf der Bühne, liegt wie ich finde an einigen Punkten, in denen sich gewisse Gewohnheiten eingeschlichen haben, die dem "Ausspielen"/Charakterspiel/der Improvisation schaden.

1. Struktur
Es mag für den einen oder anderen schwer zu glauben sein, aber Impro-theater ist sorgfältig strukturiert. Von den blutigen Anfängern mal abgesehen, stellt sich niemand einfach so auf die Bühne und zaubert aus dem Nichts eine Show her. Schon gar keine gute. Es gibt zwar kein Skript, aber dafür ist der Ablauf bzw. die Vorgehensweise mit der Abschnitte des Spiels oder einzelne Szenen erarbeitet werden allen Spielern vertraut und dient als Gerüst für den Abend. Das steht im harten Gegensatz zu den Verfechtern des "freien Ausspielens", die sich gegen Vorgaben durch SL oder Regeln sträuben. Impro-theater hat klare Strukturen und manchmal auch einen aktiv am Geschehen beteiligten Spielleiter. Das alles hilft der Improvisation, sie behindert sie nicht.

2. Aus und Vorbei

Wenn eine improvisierte Szene auf der Bühne aus dem Ruder läuft oder in einer Sackgasse gelandet ist, dann heißt es ganz knapp "Szene vorbei", das Licht geht aus und die Szene ist zu Ende. Es gibt keine Diskussion mit der Gruppe, ob auch alle damit einverstanden sind umzublenden. Sobald die Szene an Schwung verloren hat, ist es aus. Rollenspielrunden hingegen neigen oft dazu, sich hier festzubeißen. Spielleiter halten sich zurück, um den Spielern ihren vermeintlich nötigen Freiraum zu geben. Die Spieler halten sich zurück, in der Hoffnung irgendwann in dieser Szene vielleicht etwas interessantes zu finden. Letztendlich bläht sich dadurch nur die Dauer der Spielrunde auf, und wenn man Pech hat, die Frustration und Langeweile bei den Spielern die eigentlich schon längst weiter machen wollten.

3. Das ist nie passiert!

Beim Impro-Theater ist jedem klar, dass Fehler passieren können. Manchmal greift halt jemand mal daneben. Manchmal klappt's halt nicht so wie man es sich gedacht hat. Mal springt einem das falsche Wort über die Lippen. Schlimmer noch, manchmal kann man daraus nichts mehr zaubern. Es kommt schon mal vor, dass etwas passiert ist, dass sich nicht eben zu einer total tollen Idee umbiegen lässt. Manchmal steckt der Karren einfach im Dreck. Auf der Bühne greift man zum einfachsten Mittel, das man hat: der Negation. Hier kann man mal eben das Gegenteil von dem behaupten, was gerade passiert ist. Beim Rollenspiel hingegen, wird selten etwas verändert, was erstmal im Rahmen der Runde akzeptiert wurde. Das liegt mit Sicherheit auch daran, dass eine Rollenspielrunde nicht den Luxus hat sämtliche Charaktere, den Ort und die gemeinsame Geschichte von einer Szene zu nächsten gänzlich neu zu schreiben. Wenn ersteinmal etwas in der Gruppe akzpetiert wurde, ist es sehr unüblich es zu ändern, egal wie sehr es alles aus den Fugen wirft.

4. Alle für einen und einer für alle
Das der Spieler in der Regel die oberste Authorität seines Charakters ist, ist beim Rollenspiel wie es scheint eins der wichtigsten ungeschriebenen Gesetze. Es ist eher ungewöhnlich, dass sich andere am Tisch darin einmischen wie jemand seinen Charakter spielt. Jeder schaut nur auf seinen Charakter. Das scheint manchmal dazu zu führen, dass die Spieler wenig Übung darin haben sich gegenseitig an- oder zuzuspielen. Das Improvisationstheater beweist jedoch, dass es unabdingbar für eine gute Szene ist, dass sich die Spieler gegenseitig unterstützen. Das bedeutet, dass man dem Charakter eines anderen Spielers unter die Arme greift; ihm Vorlagen bietet, damit der Mitspieler seine Figur so spielen kann, wie er es sich vorstellt. Gerade hier muss man auf etwas verzichten, was die meisten Rollenspieler sehr lieb gewonnen haben: das eigene Ego.

5. Richtungsweisend
Es fiel mit während der Show auf, dass wenn jemand durch sein spiel der szene eine richtung vorgab, die gesamte Szene unendlich besser und interessanter wurde, weil sie so an Substanz gewann. Die Szenen in denen keiner der Spieler wusste wohin mit seiner Figur oder womit man sich beschäftigen konnte, liefen sehr schleppend. Im Rollenspiel jedoch gibt es Verfechter des "einfach mal ausspielens". Bei PTA und anderen story games-artigen spielen, drückt sich das eher als lasches Scene Framing und dann mal sehen was passiert aus. Das Ergebnis ist immer eine Szene die sich erst aus der eigenen Belanglosigkeit kämpfen muss, bevor etwas interessantes passiert. Wohlgemerkt: um eine Szene zu improvisieren braucht man eine Richtung, aber kein Ziel.

Der letzte punkt ist der wie ich finde Unwichtigste, aber er wiegt umso schwerer, wenn die oberen nicht beachtet werden.

6. Facetten der Situation erkennen
Im Impro-theater erkennt man die erfahrenen oder talentierten Spieler daran, dass sie eine Situation wahrnehmen, das Potential darin erkennen und ihr Spiel darauf ausrichten. Sie können so die Szene unterstreichen, hochkitzeln oder wieder runterholen. Es erfordert sehr viel Übung, eine Menge Hirnschmalz oder ein begnadetes Gespür für Timing, Schauspiel und Drama um das auf Abruf leisten zu können. Selbst unter langjährig arbeitenden Impro-gruppen trifft das meist nur auf einige der Spieler zu. Vorsichtig gesagt glaube ich nicht, dass die Leute, die am lautesten nach "freiem spiel" schreien auch die sind, die das Zeug dafür haben. Improvisation ist ein Handwerk. Wer nicht ständig daran feilen will, sollte die Größe haben sich zurückzuhalten.

Es ist die Kombination aller dieser Punkte, die dazu führt, dass das Ausspielen/improvisierte Charakterspiel leider weder spannend ist, noch elektrisiert, noch Inspirationen für's weitere Spiel schafft.