Donnerstag, Juni 28, 2007

Verlieren ist Teil des Spiels

In den meisten Regelbüchern steht im Kapitel "Was ist Rollenspiel?" ein Satz wie "Rollenspiel ist ein Spiel bei dem es keine Verlierer gibt". Oft mit dem Kumbayah Zusatz: "so lange alle Spaß haben, hat jeder gewonnen". Der Zusatz ist natürlich völlig trivial, die Kernaussage ist auch nicht völlig falsch, jedoch recht mißverständlich und uneindeutig. Denn es ist doch offensichtlich so, dass es zumindest bei Kämpfen in Rollenspielen eindeutig Verlierer und Gewinner gibt. Aber dieser erklärende Satz will etwas allgemeiner verstanden werden. Solange der Spielablauf unterhaltsam ist, hat die Gruppe gewonnen.

Manche Spielleiter sehen das als Auftrag, den Spielern eine mitreißende und vor allem vollständige Geschichte zu liefern. Ein Plot, der den Spielern als Sandkasten dient, in dem sie sich austoben können. Andere Spielleiter versuchen die Gruppe zu Gewinnern zu machen, in dem sie ihnen ein schlüssiges und dynamisches Setting liefern, das eine solche Sandkastenfunktion erfüllen soll. Wieder andere folgen den Gesetzen der Dramaturgie um zum gleichen Ziel zu gelangen. Ganz Verwegene versuchen alles gleichzeitig zu machen oder ganz andere Schwerpunkte zu legen. Über die Unterschiede dieser Ansätze soll es hier nicht gehen.

Es geht mir vielmehr darum, was passiert, wenn dem Sandkasten der Sand ausgeht. Was passiert, wenn die Dramturgie versagt und die Spieler nur genervt mit den Augen rollen. Oder wenn das Setting sich plötzlich als völlig widersprüchlich entpuppt oder durch die Spielerhandlungen ad absurdum geführt wird. Oder, um das bekannteste Beispiel zu nennen, wenn die Story gegen die Wand gefahren wurde.

Die Standardantworten dazu rangieren zwischen: "das müssen die Spieler einfach mal so akzeptieren... suspension of disbelief und so" und "da muss der SL halt ein wenig hinter den Kulissen tricksen um das Spiel am Laufen zu halten". Das Wichtigste scheint zu sein, das nur niemand offen ausspricht was gerade passiert ist: das die gesamte Gruppe verloren hat. Denn nichts anderes passiert hier. Sie haben sich zusammengesetzt um gemeinsam Spaß am Spiel zu haben; einem Spiel in dem es Kämpfe gibt, ein Setting, das man gemeinsam erkundet und eine unterhaltsame Story die man gemeinsam erspielt und Teile davon oder das gesamte Ding gingen in die Hose.

Manchmal macht der SL halt einen Fehler. Vielleicht war die Opposition zu stark oder das Setting nicht durchdacht oder die Ereignisse machten keinen Sinn. Manchmal fällen die Spieler falsche Entscheidungen und brechen einen Streit vom Zaun den sie nicht gewinnen können oder flüchten in Windeseile vor dem schreienden Unrecht, statt etwas dagegen zu tun oder sie scheren sich einen Dreck darum, was im Spiel passiert und wollen nur in der Kneipe sitzen und dem Gastwirt beim Geschichtenerzählen zuhören. Manchmal hat man halt auch einfach nur Pech, weil jeder Würfelwurf katastrophal daneben ging und die gesamte Gruppe ins Verderben riss.

Manchmal verliert man eben.

Das ist auch im Rollenspiel möglich, egal wie sehr man darauf pocht, dass es beim Rollenspiel keine Verlierer gibt. Der springende Punkt ist nur wie man damit umgeht. Was man meiner Meinung nach nicht tun sollte, ist diese Niederlagen unter den Teppich kehren und so tun als wären sie nicht passiert. Man sollte gerade nicht darüber hinwegschauen um das Spiel am Laufen zu halten. Man sollte gerade nicht tricksen, umschreiben und rückwirkende Änderungen erfinden, nur damit man sich im Glauben wähnen kann, das das Spiel nicht gerade eben zusammengebrochen ist. Natürlich ist es enttäuschend, wenn nach langem Spiel, eine dusslige Kleinigkeit alles kaputt macht. Wenn der geheimnisvolle Mörder schon nach vier Minuten Spielzeit geschnappt wurde. Wenn die Charaktere die Todesfalle nicht überleben, weil sie nicht auf die Idee gekommen sind den grünen Knopf zu drücken. Wenn ein Kobold mit einem Buttermesser fünf erfahrene Kriegshelden niederstreckt, weil die Würfel einfach nicht so wollen, wie sie sollen.

Aber so ein klein wenig Enttäuschung oder Frust ist schon ok. Das sollte man sich schon zutrauen können. Es ist kein unerträglicher Schandfleck, den man nie wieder los wird. Man hat beim Rollenspiel verloren. Das ist nicht mal halb so schlimm, wie man es sich vorstellt.

Ja, das Spiel stockt. Aber wenn jeder am Tisch daran interessiert ist weiterzuspielen, dann wird man auch eine Möglichkeit finden weiterzuspielen. Der Vorteil den man sich davon verspricht, solche Situationen hinter der Hand "gerade zu biegen" ist bei weitem nicht so hoch wie der Vorteil, wenn man solche Dinge ausspricht, offenlegt und anschliessend gemeinsam darauf hinspielt Spaß zu haben.

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