Freitag, Dezember 29, 2006

Was Rollenspiele von Brettspielen lernen sollten

(Aufgrund endloser IM Debatten, ist dieser Eintrag etwas verspätet.)

Nachdem ich letztens einige Runden Finstere Flure gespielt hatte und vom Spieldesign sehr beeindruckt war, auch wenn das Spielkonzept ein wenig zu schlicht für meinen Geschmack ist, wollte ich über einige Dinge sprechen, die man sich als Rollenspieler bei den Brettspielen abschauen sollte.

1) Regeln bauen auf einander auf und greifen in einander

Auch wenn Rollenspieler mit einzelnen Regeln gerne umgehen wie mit Lego-Steinen, so ist ein Spiel dessen Regeln ineinander greifen, aufeinander aufbauen und sich gegenseitig bedingen um einiges spielbarer und auch interessanter, als ein Sammelsurium von Einzelregel und Sonderoptionen. Es ist einer der Gründe, weshalb das Erlernen und erste Spielen von einigen Rollenspielen mehr Arbeit ist als Spiel.

Spielfreiheit ergibt sich vor allem dann, wenn die Regeln auf verschiedene Weise in einander greifen können, aber nicht wenn man lediglich viele Regeln auf die gleiche Weise ineinander greifen lässt.

2) Das Spielende ist klar in Sicht

Einer der großen Mythen des Rollenspiels ist das hohe Ideal der Langzeit-Kampagne. Sie hat mit Sicherheit ihren Reiz und ihren Platz im Hobby, sie ist jedoch nicht das hohe Gut des Hobbies. Nur die wirklich enthusiastischsten und leidenschaftlichsten Rollenspieler haben daran ihren Spaß. Aber das kann und sollte nicht für jeden gelten müssen, der diese Spiele spielt. Ein klares Ende einer Spielrunde muss sein. Am bequemsten ist es natürlich, wenn das Spiel selbst ein solches Ende liefert und der Weg zum Ende hin unausweichlich mit Beginn des Spiels angetreten wird. Gerade bei
Brettspielen ist das am deutlichsten.

In der Regel wird diese Aufgabe aber oft vom SL übernommen. Das ist eine Verpflichtung vor der er sich nicht drücken darf, denn nichts zermürbt ein Spiel mehr als die Unwissenheit wie lange es noch dauern wird.

3) Spielerentscheidungen haben konkrete Auswirkungen auf den Spielverlauf

Im Spiel Finstere Flure kann ein Zug eines Spieler den Aufbau des Spielbretts verändern und damit verheerende Auswirkungen auf die anderen Spieler und ihre Situation haben. Das ist kein netter Effekt dieses speziellen Spiels, sondern muss für jedes Spiel gelten, dass auf Interaktion beruht. Wenn ein Spieler etwas tut, so muss sich dadurch die Spielsituation so verändern dass die anderen Spieler dazu auffordert ebenfalls zu handeln. Diese Art von Interaktion zwischen Spielern, Regeln und Spielsituation muss von den Regeln gegeben sein und falls nötig vom SL unterstützt werden. Nichts ist schlimmer als Spieler, die aneinander vorbei spielen.

4) Anleitungen erklären den Spielablauf und dabei Regeln, nicht umgekehrt


Der letzte Punkt hat vor allem mit dem inhaltlichen Aufbau von Regelwerken zu tun. Ich war beeindruckt, wie einfach und nachvollziehbar Finstere Flure auf 12 Seiten erklärt wurde. Dabei wurden sämtliche Permutationen an Regelkombinationen erklärt. Jedoch nicht an Hand einer Tabelle oder Liste, sondern indem ein normaler Spielverlauf genommen wurde und verschiedene Variationen davon besprochen wurden.

Das ein Rollenspiel nicht alle erdenklichen Situationen abdecken kann, wird manchmal gerne als Entschuldigung dafür genommen. Aber ich bin nicht der Meinung, dass das legitim ist. Ein gut designter und regelkonform gespielter Spielablauf kann nur eine begrenzte Zahl an Situationen herbeiführen, diese müssen vom Regelwerk hinreichend abgedeckt werden und erklärt werden. Ein Regelwerk muss nicht erklären wie man die Regeln einsetzt, sondern wie man das Spiel spielt.

Donnerstag, Dezember 21, 2006

Warum sich Spaß allein selten lohnt

Es wird leider viel undifferenzierter Stumpfsinn über die Qualität einer Rollenspielrunde geredet. Darüber woran man eine gute Rollenspielrunde misst. Speziell wird immer wieder das Ammenmärchen propagiert: "Wenn alle Spaß haben, dann war die Rollenspielrunde ein Erfolg."

Diese Behauptung ist vor allem falsch, weil sie einen der wichtigsten Ansprüche, die man an ein Hobby stellen kann, vollkommen ausser Acht lässt: das Hobby muss nicht nur zu unterhalten wissen, sondern einem auch das Gefühl geben die investierte Zeit sinnvoll genutzt zu haben. Die Ausübung des Hobbies muss mich mit der befriedigenden Gewissheit zurücklassen, dass sich mein Aufwand an Zeit, Kosten und Mühe gelohnt hat.

Mit anderen Worten: eine Rollenspielrunde liefert sowohl heiteres Beisammensein mit Freunden als auch einen zusätzlichen Wert, den ich zu schätzen weiß und der mich dazu bringt dieses Rollenspiel zu spielen, statt einfach nur mit Freunden zusammen zu sitzen und mich angenehm zu unterhalten. Wenn dieser zusätzliche Wert vom angenehmen Beisammensein nicht zu unterscheiden ist oder den Teilnehmern schlicht und ergreifend egal ist, dann ist das Rollenspiel überflüssig. Aussagen über Rollenspiele aufgrund solcher Runden zu treffen ist damit vollkommen unsinnig. Im Umkehrschluß ist es mir auch vollkommen egal, was eine Person, die ihre Erfahrungen über Rollenspiele auf solchen Runden basiert, zu Rollenspielen zu sagen hat, da wir ganz einfach an einander vorbei reden würden.

Betrachten wir also diese zwei Eigenschaften einer Rollenspielrunde, die ihre Qualität ausmacht. Da gibt es zum einen die Stimmung während des Spiels: man erfreut sich am gemeinsamen Miteinander. In den besten Fällen heisst das, es gibt Gelächter, Scherze, der einzelne Spieler fühlt sich in der Gegenwart seiner Mitspieler wohl, usw. usf. Das was gemeinhin als "Spaß" bezeichnet wird.

Es gibt jedoch noch eine weitere Eigenschaft, die für die Qualität einer Rollenspielrunde von großer Bedeutung ist. Diese wird zwar in einigen Runden heruntergespielt, oder ist lediglich Teil der vorherigen "Spaß-Stimmung", aber sie sollte klar davon getrennt werden. Die Rede ist von der Zufriedenheit, die die Spielrunde hinterlässt. So wie eine gute Speise mich satt und zufrieden macht, so muss auch eine Spielrunde meinen Spieldrang befriedigt haben und mich zufrieden stellen.

Wenn sie das nicht tut, dann kann ich noch so viel "Spaß" beim Spielen gehabt haben, im Nachhinein empfindet ich die Spielrunde als dünn und fade. Dabei ist es jetzt nicht näher von Bedeutung nach welcher Art von Spiel ich brauche, um zufrieden zu sein. Es muss einzig und allein festgehalten werden, dass dies ein wichtiger Faktor bei meiner privaten Bewertung einer Spielrunde ist.

Der Grund weshalb ich "Spaß-Stimmung" und "Spieltrieb" von einander trenne, wird deutlich, wenn man sich Spiele mit ernsteren oder nachdenklicheren Themen anschaut und diese mit einigen Humor-Rollenspielen vergleicht. Die Stimmung bei einem Spiel wie Polaris, Spione und in manchen Fällen auch Dogs in the Vineyard kann sehr ernsthaft, nachdenklich und vielleicht sogar schwermütig sein. Dies hat jedoch nicht zwangsläufig negative Folgen auf die Befriedigung des Spieltriebs der Spielteilnehmer. Umgekehrt kann ein Spiel wie InSpectres, Metal Opera und in manchen Fällen auch Paranoia sehr viel Gelächter und gute Laune verbreitet haben, und den Spielern trotzdem das Gefühl geben nicht wirklich ein (Rollen-)Spiel gespielt zu haben. (Das dabei die Erwartungen der Spieler die Bewertung zu einem gewissen Grad beeinflussen können, versteht sich von selbst.)

Die Stimmung während des Spiels und die Zufriedenheit, die das gespielte Spiel bewirkt, sind zwar häufig über mehrere Ecken miteinander verbunden, sie sind jedoch in der Regel nicht gleichwertig und schon gar nicht identisch.

Deshalb lehne ich die "Hauptsache Spaß"-Fraktion der Rollenspieler ab, da sie mir das Recht abspricht meinen Spieltrieb mit einem Spiel nachzukommen und mich stattdessen auffordert das gemeinsame Beisammensein, nicht nur als höchsten, sondern auch als einzigen Wert des Rollenspiels zu akzeptieren.

So etwas ist jedoch vollkommen indiskutabel.

Donnerstag, Dezember 14, 2006

Wir spielen um zu gewinnen

Es ist einer von vielen weit verbreiteten Mythen im Rollenspiel, dass es beim Rollenspiel keine Gewinner und Verlierer gibt. Dass man gewinnt, wenn alle Spaß haben und verliert, wenn dem nicht so ist.

Das ist falsch.

Bei einem Rollenspiel kann man sehr wohl gewinnen und auch verlieren. Man muss sich nur klar machen, dass Gewinner und Verlierer nicht wie Berg und Tal von einander abhängen, d.h. dass ein man nicht dadurch zum Gewinner wird, weil die anderen Verlierer sind. Man gewinnt ein Spiel, in dem man das Ziel des Spiels gemäss den Regeln erreicht. Bei den meisten Spielen schliessen sich die Ziele der einzelnen Spieler gegenseitig aus. Es kann nur dann ein Spieler sein Ziel erreichen, wenn es ein anderer nicht tut. In diesen Spielen ist es tatsächlich so, dass man nur Gewinner sein kann, wenn jemand anders verliert. Aber wie einige Spiele der jüngeren Zeit beweisen, kann man auch Spielerziele so setzen, dass sie sich nicht gegenseitig ausschliessen. Spiele wie Herr der Ringe, Schatten über Camelot und auch andere ermöglichen den Spieler gemeinsam auf ein Ziel hinzuarbeiten, dessen Erreichung das Gewinnen des Spiels darstellt.

Beim Rollenspiel ist es genauso. Die Spieler haben ein Ziel auf das sie hinspielen. Eine der Besonderheiten des Rollenspiels kommt hier ebenfalls zum Tragen: das Ziel kann sich in jeder Spielrunde anders darstellen (auch und gerade wenn es was die Spieldynamik angeht immer das gleiche ist). Bei fast allen Brett- oder Kartenspiel en ist das Ziel in jeder Gruppe und in jeder Runde gleich. Sicher kann man das Spiel wider den Regeln spielen, um sich eigene Ziele zu setzen. Aber wenn man das nicht tut, dann spielen die Spieler jedesmal auf das gleiche Ziel zu. Bei einem Rollenspiel hingegen drückt sich das Ziel, dass es zu erreichen gilt, von Spielrunde zu Spielrunde anders aus.

Es kann sich dabei um das Lösen einer großen Aufgaben handeln ("Das Auffinden eines Verbrechers."), um das Erreichen einer bestimmten Position des Charakters ("Aus dem Laufburschen wird ein einflußreicher Händler.") oder um eine Vielzahl anderer Dinge. Die Regeln unterstreichen das Erreichen eines solchen Zieles für die Spieler. Meist werden sie damit belohnt, dass sie zusätzliche Handlungsoptionen erlangen, d.h. mächtiger werden.

Allerdings gibt es auch Spiele bei denen die Spieler allein durch die Wertschätzung der erspielten Ereignisse belohnt werden. Vor allem Spiele wie Dogs in the Vineyard und Primetime Adventures leben davon, dass der Spieler nach dem Spiel (oder auch währenddessen wenn sich die Möglichkeit gibt) die Ereignisse des Spiels betrachtet und sich daran erfreut, wie er es etwa an einem Gemälde, einem Buch oder guter Musik tut. Vor allem wenn er bei der Erschaffung selbst beteiligt war.

Die Spieler gewinnen, wenn sie ihr Ziel erreichen. Es ist letztendlich das Erreichen dieses Ziels, dass dazu führt, dass die Spieler für ihr Handeln belohnt werden. Es ist diese Belohnung an der man sich erfreut und wegen der man Spaß hat. Deshalb sollten Spiele klare Ziele liefern und deshalb muss jeder Spieler sich bewusst sein, welche Ziele er in dem Spiel verfolgt (und das Spiel bzw. die Spielrunde das Erreichen des Ziels zu belohnen weiß). Wenn dem nicht so ist, leidet die Spielrunde darunter und sie macht keinen Spaß.

Donnerstag, Dezember 07, 2006

Spielerverantwortung

Es ist immer sehr hilfreich bestimmte Umstände ausformuliert vor sich zu sehen. Frank Tarcikowski's Blogeintrag (welcher wiederrum auf einen Post von Ron Edwards aufbaut) hat mich auf etwas gestoßen mit dem ich seit langem in meinen Runden kämpfe. Es folgt eine extrem kurze Zusammenfassung, die darauf runterreduziert ist, was mich speziell betrifft:

Es gibt in einer Rollenspielrunde unterschiedliche Führungsrollen. Die soziale (ausserhalb des Spiels) und die kreative (innerhalb des Spiels). Wobei die kreative noch mehrere Unterformen hat. Die beiden für mich wichtigsten sind: Abläufe (wie wird das Spiel gespielt) und Inhalte (was passiert in der Spielwelt). Gerade die inhaltliche Führungsrolle muss man sich als Spieler verdienen, und gerade die wird meiner Meinung nach oft mit der Führungsrolle für den Ablauf zusammen geworfen. Ähnliche Vorgänge sind mir auch in meinen Runden aufgefallen, allerdings hatte ich mir bisher noch nicht die Mühe gemacht, dass mal etwas genauer in Worte zu fassen.

In der Regel, habe ich es abgelehnt der Gruppe inhaltliche Standards ("Das ist gut; das passiert so. Das ist schlecht; das passiert nicht.") zu diktieren, wenn ich mir dieses Recht nicht durch mein Spiel verdient hatte. Die Spieler haben von mir eine Führungsrolle den Ablauf betreffend erwartet, da ich meist die Person war, die das Spiel am Besten kannte. Das Problem: die Grenzen zwischen den beiden waren fliessend, bzw. fiel es mir schwer die beiden am Spieltisch voneinander zu unterscheiden. Zum Teil war es vielleicht auch so, dass die Spieler inhaltliche Vorgaben von mir erwarteten, die ich ohne das bewusste "Mandat" der Spieler, nicht zu geben bereit war. Das Resultat war das selbe: das Spiel stockte und kam nur sehr mühsam in die Gänge.

Woran lag das? Kam es den Spielern gar nicht in den Sinn dem Spieler, selbst die inhaltliche Führungsrolle zu übernehmen? Oder die Führungsrolle jemand anderem zu geben als dem SL? Warum war das so? Warum ist es nicht selbstverständlich, dass die gesamte Gruppe sich darum kümmert das das gemeinsam Vorgestellte gefällt, bzw. zum Spielspaß beiträgt? Warum schieben einige diese Verantwortung auf die Regeln, die durch den Spielablauf und die Authoritätenverteilung schlechte Ideen aus dem Spiel halten sollen? Oder auf den SL, dessen Vision automatisch und ohne zu Fragen als die Beste akzeptiert wird?

Die Frage, die mir jedoch viel wichtiger ist: wie mache ich es Spielern (alten sowie neuen) deutlich, dass ich zwar die Regeln erklären kann und auch für deren strenge Einhaltung sorgen werde; ich aber von ihnen erwarte dass sie ihren Teil dazu beitragen, dass die Gruppe die bestmögliche Geschichte gemeinsam erspielt und nicht nur die, die ich erzähle? Dass sie nach eigenen "ästhetischen" Maßstäben Ideen einbringen, modifizieren oder ablehnen müssen, und nicht alles schlucken müssen was der Spieler mit dem "Erzählrecht" gerade von sich gibt?