Horror-Rollenspiele sind ein schwieriges Spielkonzept. Sie orientieren sich eindeutig an einem Genre, in dem es darum geht ein Gefühl der lähmenden Angst und gelegentlich des Ekels zu empfinden. Horrorgeschichten zeichnen sich nicht als Geschichten des menschlichen Triumphes aus. Auch handeln sie nicht davon wie der menschliche Verstand sich gegen die Emotionalität behauptet. Alien ist keine Geschichte des erfolgreichen Erstkontakts mit einer fremden Lebensform. Ring ist keine Erzählung über den reifen Umgang mit dem Tod. Lovecrafts Mythos-Geschichten handeln nicht von erfolgreichen Polizeiaktionen oder Abenteuern in der Wildnis.
Gerade bei den Kurzgeschichten von H.P. Lovecraft steht die Angst aus Hilflosigkeit im Vordergrund. Der Wahnsinn, dem viele Figuren in diesen Geschichten verfallen, ist eine Folge der Erkenntnis, dass der Mensch unwichtig und nebensächlich ist. Gerade wenn der Mensch zur bedeutungslosen Randerscheinung von Mächten verkommt, die er nicht begreifen kann, verursacht das oft einen schaurigen Eindruck beim Leser.
Wie erzeugt man diesen schaurigen Eindruck beim Rollenspiel? Wie schafft man es, dass die Spieler ein ähnlich schauriges Erlebnis haben wie beim Lesen einer Lovecraft-Geschichte? Die Antwort scheint naheliegend: der Spieler muss in eine ähnliche Situation der Hilflosigkeit gebracht werden.
Hier jedoch muss man sehr gut aufpassen. Hilflosigkeit kann schnell in völliger Ausgrenzung des Spielers ausarten und ist in einigen Fällen sogar überhaupt nicht davon zu unterscheiden. Cthulhu kann sehr schnell in einem Spiel münden, in dem der SL die Spieler konsequent vom Spiel ausgrenzt. Damit sind die Spieler zwar hilflos, das Spiel dafür jedoch im Eimer.
Manch einer versucht sich zu behelfen, indem er typische Horror-Szenarien beschreibt und den Horror "nachspielt". Es wird zur Aufgabe des Spielers seine Figur so zu spielen, wie es die Figuren in Horrorgeschichten halt tun. Statt den Horror zu erleben, wird er lediglich nachgestellt. Dieser Ansatz hat mir bei Paranoia schon nicht gefallen, es überzeugt mich auch hier nicht.
Es geht jedoch noch schlimmer: als SL gezielt in den persönlichen Ängsten des Spielers herumwühlen und das Spiel darauf auszurichten. Ganz davon abgesehen, dass ich es für unverantwortlich halte mit den Ängsten anderer so umzugehen, wird aus dem Rollenspiel damit eine Psychotherapie. Wem der Sinn danach steht, der sollte sich vielleicht an Leute wenden, die sich damit auskennen. Eine Rollenspielrunde halte ich nicht für den besten Ort dafür.
Ist Horrorspiel-Erfahrung und Rollenspiel ein unvereinbarer Widerspruch? Ist die einzige Möglichkeit ein solches Rollenspiel durch einen Kompromiss zwischen Spielbarkeit und Ausgrenzung (und damit Hilflosigkeit) zu erreichen? Ich bin mir nicht sicher, aber eine sinnvolle Alternative sehe ich bisher noch nicht.
Aber um trotz Hilflosigkeit noch ein konkretes Rollenspiel zu haben ist es zwingend notwendig, dass das Spiel klare Vorgaben liefert. Wieviel die Spieler erreichen können und insbesondere wie sie das Spiel beeinflussen können, muss immer klar und erkennbar bleiben. Es darf sich nicht nach Belieben verändern. Der Spieler muss immer wissen, ab wann er hilflos ist. Eine in seiner Wirkung auf die Spieler nicht zu unterschätzende Situation, ist das Wissen dass man zwischen Optionen entscheiden muss, die beide unangenehme Konsequenzen nach sich ziehen können. Wenn man das noch zum Hintergrund passend ausschmückt, so lässt sich ein respektables Horrorerlebnis ins Spiel bringen, welches dann noch zu Recht als Rollenspiel bezeichnet werden kann.
Donnerstag, Oktober 26, 2006
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