Mittwoch, März 31, 2010

Die kindliche Angst vor dem Railroading

Wer diesen Blog schon etwas länger liest, wird sicherlich bemerkt haben, dass ich mich ein klein wenig daran störe wie mit dem Begriff Railroading umgegangen wird und was für Auswirkungen er bei Spielern und Spielleitern hat.

Unabhängig davon wie man Railroading versteht und was man alles dazu zählt, muss man zugeben, dass Railroading als großes Übel oder zumindest als bedauernswerte Fehlentwicklung in einer Runde behandelt wird. Durch Railroading wird die Entscheidungsfreiheit der Spieler beschnitten und die Ergebnisoffenheit des Spiels untergraben. Dem stimme ich voll und ganz zu. Genau das oder etwas vergleichbares paasiert, wenn es in einer Runde zu Railroading kommt.

Und meine Frage lautet nun: na und?

Was ist daran so schrecklich und unzumutbar, dass man als Spieler in einer einzelnen Situation nicht frei wählen kann wie man handelt? Woher kommt die Vorstellung, dass jede Situation den Spielern ausnahmslos jeden Handlungsversuch eine faire Chance zukommen lassen muss?

Muss man denn immer darauf pochen jede Situation auf genau die Weise zu lösen, die einem am besten gefällt? Ist es wirklich so ein Unheil, wenn man zwischen dem was der SL für sinnvoll hält und dem was die Spieler für interessant halten einen Kompromiss sucht? Oder schlimmer noch, wenn man als Spieler mal nicht seinen Kopf durchsetzen kann?

Bei manchen Kommentaren im Internet habe ich den Verdacht, dass große Entscheidungsfreiheit einfach nur eine Form vor Eskapismus für die Spieler ist. Dass man sich als Rollenspielcharakter in eine Welt flüchten kann in der man eben auf nichts und niemanden hören muss. In der man sich von niemanden etwas vorschreiben muss, und sofort die Warnpfeife des Railroadings bläst, wenn der SL oder ein Abenteuer es wagt die Spieler in eine Situation zu stellen, in der sie nicht alles tun können was ihnen in den Sinn kommt.

Ich halte dieses Geschrei und Geheule für ziemlich unreif und kindisch. Ich habe mit genug unterschiedlichen Spielern gespielt, um zu wissen, dass Entscheidungsfreiheit von jedem zu einem anderen Grad geschätzt wird. Der Zusammenhang zwischen spielerischer Qualität und uneingeschränkter Handlungsfreiheit ist bei weitem nicht so klar und deutlich wie von einigen Leuten gern vorausgesetzt wird.

Die vermeintlich deutlichen Railroadingfälle sind aber bekanntermaßen die, in denen einzig und allein eine Handlung zulässig ist. Situationen in denen die Spieler nur einen Handlungsweg nehmen dürfen. Wenn so etwas wiederholt und durchgehend passiert, dann ist das für den passionierten Hobbyisten natürlich langweilig, wenn nicht sogar frustrierend. Das wird den meisten so gehen, wie ich denke.

Ich bin jedoch nicht davon überzeugt, dass die radikale Gegenposition gerechtfertigt ist. Der Kreuzzug gegen das Railroading bis jedes Abenteuer nur aus Situationen besteht, in denen die Spieler zu jedem Zeitpunkt völlige Freiheit darüber haben wie der Abenteuerverlauf vorangeht, scheint mir unnötig. Ich denke weder, dass damit in platonisches Ideal an Rollenspiel erreicht wird, noch dass man dadurch als SL das beste für sich und seine Gruppe erreicht. Wie bereits erwähnt, sehe ich keinen Konsens an den Spieltischen wie viel Entscheidungsfreiheit tatsächlich verlangt wird. Irgendwie scheint es den nur in Foren und Blogs zu geben.

Es erscheint mir viel mehr am Sinnvollsten den Spielern irgendwie zu vermitteln wann ihre Handlungsmöglichkeiten stark eingeschränkt sind und wann nicht. Situationen, in denen eine starke Einengung der Handlungsfreiheit vertuscht wird, sehe ich nicht unbedingt als die bessere Alternative. "Railroading ist in Ordnung, so lange die Spieler nichts merken" halte ich für den falschen Ansatz. Wirklich negativ an Railroadingszenen ist doch vor allem die vergeudete Zeit, die die Spieler damit verbringen Alternativen zu suchen, die es nicht gibt und der Aufwand des SLs Ideen zu untergraben und zu blockieren, die das Abenteuer nicht weiterbringen.

Punkte, die man bequem umgehen kann, wenn man als SL einfach mal erwähnt, wann die Ideen der Spieler wirklich voll und ganz gefordert sind und wann Cleverness einfach keine wichtige Rolle spielt. Railroading sollte kein Tabu sein. Es ist in den meisten Fällen ein wenig lästig sein, vielleicht sogar etwas ernüchternd. Aber in der Praxis eben ab und an ein notwendiges oder auch nur bequemes kleines Übel. Wenn man lernt solche Dinge zu akzeptieren, statt sich in die absolute Verneinung und Ablehnung zu steigern, spielt es sich gleich viel entspannter und gelassener.

6 Kommentare:

Jens hat gesagt…

Also ich denke mit "einfach nur eine Form von Eskapismus" untertreibst du ein wenig - viele Spieler die ich kenne, machen das weil sie die reale Welt eben abschalten können wollen und dann in ihrer Fantasie zumindest mal die großen Helden, die ihre Entscheidungen selber fällen. Anders als die meisten Menschen im realen Leben…

Du hast aber recht wenn du sagst "hier und da schadet es nicht". Ich denke in den Foren ist es vor allem so eine Art Grundsatzkrieg auf Extrempositionshügeln, den die Leute da ausfechten. Ihre Stellungen werden ständig demontiert und daher müssen sie bis in die Grundfesten der Welt einzemetiert werden. Meine Position ist da etwas gelassener: klar stehe ich auf freie Entscheidungen und freies Spiel, Interaktion mit der Welt etc. aber dann und wann eine gescriptete Szene versaut mir nicht den Abend. Es sind eher die unplausibel gescripteten Szenen mit Konsequenzen für die Gruppe oder Teile der Gruppe (vor allem: mich) die mir den Abend verderben und da liegt nicht nur Railroading vor, sondern auch schlechter Stil.

Und manchmal… da hat eine Situation einfach nur einen Ausgang, eine Konsequenz und eine Handlungsmöglichkeit. So lange das nicht überhand nimmt, ist das für mich persönlich in Ordnung.

Anonym hat gesagt…

Ich dachte, das wäre schon der Konsens. Wer auch immer die (momentan) alleinige Gewalt über das Spiel an sich reißt, sollte das mit den anderen Spielern absprechen.

Wenn das der SL ist, werden die Spieler meist großzügig sein, da er mehr Ahnung vom Abenteuer hat, als sie …

TheClone hat gesagt…

Scheint mir eine ganz passige These zu sein, auch wenn es meiner Ansicht nach keine klare Definition von Railroading gibt. Zumindest nicht klar genug um damit detaillierte Diskussionen zu führen. Ich hoffe aber, dass Leute die das wirklich so krass sehen, wie Du schreibst mit der Zeit immer weniger Unterstützer finden.

Marcus hat gesagt…

Mal wieder sprichst du mir genau aus der Seele. Um deine Position noch einmal zu unterstreichen: Es stellt sich nicht die Frage, ob Railroading okay ist oder nicht, es stellt sich die Frage, ob das Railroading Spaß gemacht hat oder nicht. Ich habe ebenso viele Spielrunden erlebt, in denen ich die komplette Entscheidungsfreiheit hatte, die ich total langweilig fand, wie ärgerliche Railroading-Situationen und umgekehrt.

Zu dem anderen Punkt in deiner Argumentation: Ich habe mich auch schon mehrfach gefragt, woher dieser Anspruch vieler Spieler kommt, die ultimativen Freiheiten in einer Rollenspielrunde einzufordern. Ich meine, dass es zum Wesen von Spielen gehört, sich in einem begrenzten Rahmen zu bewegen. Der ist von Spiel zu Spiel mal weiter und mal enger. Bei anderen Spielen, wie beispielsweise Brettspielen, bezahle ich das Mehr an Handlungsmöglichkeiten meistens mit einer zunehmenden Komplexität der Regeln.

Im Rollenspiel wird der Handlungsrahmen vom Spielleiter gesteckt. Je enger er ihn setzt, desto mehr muss er seine Autorität und vor allem das Vertrauen, das ihm die Spieler entgegen bringen, in die Waagschale werfen. So nach dem Motto: Ich nehme euch hier etwas weg (Freiheit), gebe euch dafür aber etwas anderes (Spielspaß).

Das Ganze funktioniert halt nur, so lange der Spielleiter die verlorene Freiheit durch mehr Spielspaß ersetzt. Die Spieler hingegen haben keine Regeln, keinen irgendwie objektivierten Maßstab, um sich an dieser Stelle abzusichern. Das macht meiner Meinung nach das Thema so heikel: Railroading ist etwas für Spieler, die ihrem SL vertrauen. Vertrauen lässt sich aber nicht in Regelbücher packen, sondern muss auf einem sozialen und psychologischen Prozess fußen. Und da haben halt manche Spielrunden ihre Defizite.

Marcus hat gesagt…

Mal wieder sprichst du mir genau aus der Seele. Um deine Position noch einmal zu unterstreichen: Es stellt sich nicht die Frage, ob Railroading okay ist oder nicht, es stellt sich die Frage, ob das Railroading Spaß gemacht hat oder nicht. Ich habe ebenso viele Spielrunden erlebt, in denen ich die komplette Entscheidungsfreiheit hatte, die ich total langweilig fand, wie ärgerliche Railroading-Situationen und umgekehrt.

Zu dem anderen Punkt in deiner Argumentation: Ich habe mich auch schon mehrfach gefragt, woher dieser Anspruch vieler Spieler kommt, die ultimativen Freiheiten in einer Rollenspielrunde einzufordern. Ich meine, dass es zum Wesen von Spielen gehört, sich in einem begrenzten Rahmen zu bewegen. Der ist von Spiel zu Spiel mal weiter und mal enger. Bei anderen Spielen, wie beispielsweise Brettspielen, bezahle ich das Mehr an Handlungsmöglichkeiten meistens mit einer zunehmenden Komplexität der Regeln.

Im Rollenspiel wird der Handlungsrahmen vom Spielleiter gesteckt. Je enger er ihn setzt, desto mehr muss er seine Autorität und vor allem das Vertrauen, das ihm die Spieler entgegen bringen, in die Waagschale werfen. So nach dem Motto: Ich nehme euch hier etwas weg (Freiheit), gebe euch dafür aber etwas anderes (Spielspaß).

Das Ganze funktioniert halt nur, so lange der Spielleiter die verlorene Freiheit durch mehr Spielspaß ersetzt. Die Spieler hingegen haben keine Regeln, keinen irgendwie objektivierten Maßstab, um sich an dieser Stelle abzusichern. Das macht meiner Meinung nach das Thema so heikel: Railroading ist etwas für Spieler, die ihrem SL vertrauen. Vertrauen lässt sich aber nicht in Regelbücher packen, sondern muss auf einem sozialen und psychologischen Prozess fußen. Und da haben halt manche Spielrunden ihre Defizite.

Georgios hat gesagt…

PiHalbe hat gesagt:
Ich dachte, das wäre schon der Konsens.

Es würde mich sicherlich nicht stören, sollte ich mit meiner Einschätzung eher eine laute Minderheit umschreiben, statt einer großen Masse an Spielrunden.