Mittwoch, Juni 03, 2009

Wer darüber reden muss, hat schon verloren

Die vielen Blogs und Foren, in denen über Rollenspiele geredet wird, zeigen, dass Leute gerne zwischen Spielstilen unterscheiden. Manche tun das, um sich mit dem Spiel auseinanderzusetzen und es differenzieren zu können. Andere versuchen so die richtigen Worte zu lernen, um ihre Vorlieben ausdrücken zu können. Um am Tisch sagen zu können: "Ich mag X und wenn du auch X magst, dann lass uns zusammen spielen." All das ist geprägt von dem Wunsch mehr aus den Rollenspielrunden heraus holen zu können, weil man etwaige Inkompatbilitäten von vornherein ausgeschlossen hat. Aber nichts zerlegt die Lust am Rollenspiel schneller als diese Form der Absprache. Wer sich erst hinsetzt und diese Dinge mit Leuten bereden will, der hat das Rollenspiel eigentlich schon aufgegeben.

Rollenspiel ist ein kooperatives Spiel. Aber Kooperation heißt nicht, dass man den Charakter seines Mitspielers nicht aus dem Spiel werfen soll. Es heißt auch nicht, dass man sich danach richtet was der SL gerade von einem braucht, damit das Spiel weitergehen kann.

Rollenspiel ist kooperativ, weil man den Konsens mit den anderen Spielern sucht. Man sucht die gemeinsame Grundlage in der Spielwelt und Spielsituation. Jeder bringt seine eigene Vorstellungskraft, seine eigene Kreativität und sein eigenes ästhetisches Empfinden an den Tisch um zusammen mit den anderen eine Welt zu erschaffen, Charakteren Leben einzuhauchen und sie ins Abenteuer zu schicken.

Der Schlüssel zu einer guten Runde lautet nicht, seine eigene Spielvorlieben in irgendwelche Begriffe zu pressen und sich dann Leute zu suchen, die diese Begriffe auch toll finden.

Der Schlüssel zu einer guten Runde lautet:

Arbeit.

Arbeit an der eigenen Fähigkeit
...sich auf die Ideen anderer Menschen einzulassen.
...nicht nur dem eigenen Maßstab, sondern auch dem der Mitspieler gerecht zu werden.
...Dinge zu bemerken, die nicht ausgesprochen werden.
...seinen Mitspielern zu vertrauen und sich nicht jedes Mal zu wehren und zu verstecken, wenn der eigene Charakter mal Schwäche zeigt.

Aber auch Arbeit während des Spiels. Man muss den anderen Spielern zuhören. Man muss ihre Vorschläge abwägen. Nicht nur danach ob sie realistisch sind, ob sie von den Regeln her stimmen, sondern auch einfach ob sie das Spiel besser machen oder schlechter machen. Festigen sie die gemeinsame Spielgrundlage? Machen sie es attraktiver weiterzuspielen und in die Spielwelt abzutauchen? Machen sie einen heiß darauf zu sehen, was als nächstes passiert?

Diese Fragen sind es, die beantwortet werden müssen. Erzählspiel? Goldene Regel? Sandbox gaming? Herausforderungen? Völlig belanglos! Nebensächlich! Irreführend! Alles das sind Ausprägungen, Techniken und Stile, die man im Nachhinein vielleicht wahrnehmen oder benennen kann. Aber selbst dann sind sie nur von quasi-akademischem Interesse.

Das Rollenspiel zieht seine Dynamik, seine Unvorhersehbarkeit und auch seine Fähigkeit mitzureißen zu großen Teilen daraus, dass alle am Tisch Entscheidungen nach ihrem Bauchgefühl treffen. Danach, was sich richtig "anfühlt" und nicht was richtig benannt wurde. Rollenspiele sind deshalb so aufregend, weil man einen Moment lang glaubt, dass alles passieren kann und die Möglichkeiten endlos sind. Einfach nur weil man eben nicht schon vorher abgesprochen hat in welche Spielstil-Kerbe man schlagen wird. Weil man eben nicht schon im Vorfeld die Parameter festgelegt hat, nach denen man Entscheidungen treffen wird.

Jede Rollenspielrunde muss jedes Mal wieder ihren Stil finden, ihre Techniken wählen, um das Spiel spannend zu halten und ihren Regelumgang bestimmen, damit am Ende ein erinnerungswürdiges und begeisterndes Spielerlebnis entsteht.

Wer hier irgendetwas anderem als seinem Bauchgefühl folgt.... schlimmer noch... wer erst noch sein Bauchgefühl vor dem Spiel benennen und erklären muss, der hat schon verloren.

9 Kommentare:

TheClone hat gesagt…

Also zunächst einmal finde ich es ziemlich daneben, dass Du versuchst anderen vorzuschreiben, wie sie Ihr Hobby betrachten sollen. Wenn sie über Spielstile diskutieren wollen, kann Dir das doch herzlich egal sein, Du mußt ja nicht mitmachen.

Der zweite Puntk ist, dass Du, nach meinem Verständnis, die These aufstellst, dass das Beschäftigen mit Spielstilen die Vielfalt am Spieltisch einschränkt. Das kann ich so nicht teilen. Ich finde, es reduziert die Frustration. Ich habe z. B. bis vor kurzem in einer Gruppe gespielt, indem ein Charakter über seine Biographie eine Verwicklung mit einer großen Macht ins spie lgebracht hat. Von diesne wurdne wir dann gejagt. Ich persönlich hasse so etwas. Ich finde es blöd, wenn ich als Spieler in einen Plot mit einer übermächtigen Seite gezogen werden ,die mich dann quer durch die spielwelt jagt. Hätten wir uns vorher mit dem Spielstil der Gruppe beschäftigt, hätte das vermieden werden können.

Auf der anderen Seite hilft mir die Theorie als Spielleiter besser zu sehen, worauf ich achten sollte. In meiner aktuellen Kampagne kam ich so z. B. auf die Idee vorher die Spieler eine grobe Richtung ihrer "Gesinnung" (ohne dass es sowas direkt im Spiel nicht gibt, ist kein D&D) festlegen zu lassen, so dass nicht ein Spieler eine ganz andere Richtung erwartet und frustriert ist (s. Taysals Berichte von Firefly).

Kurz gesagt: Es gibt Leute die haben die begründete Ansicht, dass sich mit Rollenspieltheorie und der darin enthaltenen Diskussion über Spielstile ein Mehrwert erreichen läßt. Bitte akzeptiert das doch einfach.

Wenn jemand ankommt udn meint, sein Spielstil wäre besser oder alle Nicht-RPG-Theoretiker sind Deppen, dann verprügelt den Nazi. Aber macht die Methode nicht schlecht, denn die kann nichts dafür.

Anonym hat gesagt…

Unsere Gruppe hat viel Nutzen aus solchen Betrachtungen des Spiels von außerhalb gezogen. Natürlich muss man nicht bis ins kleinste Detail ausarbeiten, in welcher Situation man sich was für eine Handlung wünscht. Aber sich über Tendenzen klar zu sein, kann schon ungemein helfen.

Jemand, der tatsächlich nur klassisches Spiel mag, wird eben mit einer eingefleischten PtA-Gruppe nicht froh. Das kann man schon vorher absehen, wenn man darüber spricht. Und auch bei Dingen wie Charakterentwicklung, bei der man sich die Spieler schnell vergruseln kann, hilft eine explizite Absprache.

Ob man das dann über gängige Begriffe aus den Foren oder Blogs macht, oder selber beschreibt, was man meint ("so wie ne Fersehserie halt, mit allem drum und dran"), ist dann einerlei. Aber wie immer: Fachvokabular vereinfacht die Beschreibung von anderweitig komplizierten Sachverhalten.

Dr,Boomslang hat gesagt…

Was du beschreibst sieht für mich aus wie der Unterschied zwischen Versuchen und Können. Der Jedi-Meister würde zwar sagen versuche nicht, mach es einfach, aber die meisten Leute müssen ziemlich oft versuchen bis sie es können und der Versuch hilft ihnen auch beim Lernen. Man darf beides natürlich niemals verwechseln, das ist tatsächlich eine Gefahr, denn das kann einem am Erfolg hindern.

Die Theorie kann für das konkrete Rollenspiel nur ein Hilfsmittel zum Lernen sein. Die Techniken die darin beschrieben werden sind Verhaltensweisen die man verinnerlichen muss. Es geht nachher nicht darum die wie ein Programm auszuführen, oder gar während des Spiels weiter herum zu theoretisieren, das kann ein Fehler sein. Die Theorie gibt ja auch selten konkrete Anweisungen, sondern eher qualitative Aussagen die man erstmal verstehen und auf sein persönliches Spiel beziehen muss.

Jeder weiß dass das eigentliche Rollenspiel nicht darin besteht sich abzusprechen. Genauso wie Fussball nicht darin besteht im Kreis zu laufen oder Gummibänder zu dehnen. Trotzdem wird das gemacht um Fussballspieler zu trainieren.

Georgios hat gesagt…

@The Clone
Ich schreibe doch niemandem vor, wie er zu spielen hat. Man kann mir höchstens vorwerfen, dass ich Behauptungen in den Raum werfe ohne sie ausreichend zu belegen. Aber da es auch nicht mein Ziel ist irgendwen von meiner Meinung zu überzeugen, stört mich das auch nicht.

Vor allem geht es mir nicht um Vielfalt am Spieltisch. Mir ist es herzlich egal, wie facettenreich oder einseitig irgendjemand spielt. Ich wollte daran erinnern, dass es für den Spielspaß immens wichtig ist, sich auf das konkrete Spiel am Tisch einzulassen und sich nicht davon beirren zu lassen, was man für "sandbox gaming" oder für "old school" tun muss.

Zu guter Letzt spreche ich mich nicht gegen Rollenspieltheorie aus. Wenn du meinen Blog schon länger liest, dann sollte dir klar sein, dass ich sowas gar nicht gemeint haben kann. Ich spreche mich dagegen aus, sich beim Spielen an Rollenspieltheorie zu klammern.

@pihalbe
Stell dir die Frage, warum du diese (durchaus komplizierten) Sachverhalte vor dem Spiel vermitteln willst. Ich sage nichts anders, als dass es unnötig ist, das zu tun. Ich sage, dass all die Dinge, die man durch so ein Besprechen zu verhindern versucht, zum normalen Rollenspiel gehören. Leute, die mit einem starken Fokus auf Charakterspiel nicht viel anfangen können, muss man nicht durch ein Gespräch aussortieren. Es geht darum, sich auf das Spiel einzulassen das mit diesen Spielern entsteht, statt zu versuchen einen bestimmten Stil zu treffen auf den man sich im Vorfeld geeinigt hat.

@Boomslang
Versuchen, das sage ich doch. Versuchen. Alles. Fehler machen. Daneben liegen und daraus lernen. Aber sich nicht die Chance nehmen Neues, Unerwartetes und Einzigartiges zu verpassen... weil man sich vorher auf "old school" geeinigt hat und deshalb keine thematischen Konflikte oder thematischen Überbau zulassen will. (Oder NAR spielen wollen und deshalb jegliche Kämpfe überblenden.)

Ich plädiere für mehr "Versuchen". Denn die einzige Möglichkeit wie man wirklich bessere Runden hinbekommt, ist in dem man lernt den Konsens mit den Mitspielern zu suchen und zu fördern. Und diese Arbeit kann man nicht umgehen, in dem man sich vorher in "sandbox gaming" einliest, diese magischen Worte vorher seinen Mitspielern sagt und solange alle nur "sanbox gaming" spielen, wird die Runde schon laufen.

Das ist eine Illusion. Das falsche Versprechen, dass eine gute Rollenspielrunde sich vorher auf einen Stil einigen muss und nicht im Spiel ihren eigenen Stil finden muss.

TheClone hat gesagt…

Hm, dann habe ich das wohl etwas anders verstanden als es gemeint war. Gegen versuchen spricht jedenfalls absolut nichts. Allerdings kann die Diskussion über und die Definition von Spielstilen und die RSP-Theorie auch dazu wertvolle Beiträge leisten. Z. B. indem sie es erleichtert herauszufinden in welche Richtung man versuchen sollte. Und auch innerhalb der Spielstile gibt es nicht viele Freiheiten zum Versuchen. Man muss sich ja auch nicht skalvisch an einen Stil halten (wie das GNS-Modell behauptet).

Unknown hat gesagt…

Georgios versucht da u.a. nach meinem Verständnis zu erklären, dass sich der präferierte Stil der Gruppe nicht zwingend aus der Schnittmenge der mutmaßlichen Einzelinteressen ergibt.

Ziel von Theorie ist das Verstehen, Erklären und Vorhersagen. Die Rollenspieltheorie beschränkt sich momentan noch auf die ersten beiden Punkte. Ob sich das jemals ändern wird oder kann, bezweifle ich aufgrund der komplexen Gruppendynamik bei Rollenspielen stark.

Deshalb ergibt es aber auch aus meiner Sicht einfach wenig Sinn, sich dessen ungeachtet dennoch anhand von Rollenspieltheorie an Vorhersagen zu versuchen.

Anonym hat gesagt…

Für OneShots und einzelne Abenteuer würde ich Dir recht geben. Aber wenn dann mal wieder eine Runde neu loslegt, ist es schon gut,sich über seine Erwartungen im Klaren zu sein und auch die anderen nicht im Trüben fischen zu lassen. Dass passiert häufig nicht über Absprache, sondern weil man sein Gegenüber schon kennt und schätzt, trotzdem kann es helfen, sein Spielerlebnis zu verbessern.

reaper hat gesagt…

Da muss ich greifenklaue mal beipflichten, wenn ich eine neue Kampagne mit neuen Spielern aufbauen will, dann kann es extrem hilfreich sein sich vorher über Stil und Setting zu unterhalten. Klar kann man Dinge zerreden, aber vorher zu wissen ob das Abenteuer dann Kampf-, Rätsel- oder Rollenspiellastig wird ob die Spieler eher Charakter- oder Casualplay betreiben wollen kann über das Überleben der OG überleben der Gruppe entscheiden. Anders ist das bei Oneshot, da kann man einfach mal ausprobieren ohne sich viel Gedanken zu machen.

Georgios hat gesagt…

Absprachen bevor man eine längerfristige Kampagne beginnt, ist mit Sicherheit sinnvoll.

Aber Absprachen sind eine Sache, sich nach Spielstilvorgaben und Spieltechnikdogmen richten eine andere.

Das Entwickeln eines gemeinsamen Spielstils, eines gemeinsamen Pools an Techniken und Abenteuerelementen und einem gemeinsamen Stil für das Setting gehört zum Rollenspiel dazu. Man kann und sollte es nicht vor das Spiel verlagern.