Freitag, Februar 08, 2008

Wie Fiktionsstile entstehen

Mit Fiktionsstil ist das Gesamtbild der Beschreibungen gemeint: die Stimmung der Rollenspielrunde oder die Art der kreativen Inhalte des Spiels. Wie jeder weiß ist ein schlüssiges und konsistentes Gesamtbild ansprechender als ein wildes Durcheinander voller Widersprüche und stilistischer Unstimmigkeiten. Eine Spielrunde in der die Beschreibungen, die Charaktere und die Ereignisse schlüssig und stimmig sind, ist einfach interessanter als etwas das willkürlich, zufällig und lieblos zusammengeschustert wirkt.

In Rollenspielrunden sind mir bisher drei unterschiedliche Vorgehensweisen begegnet, wie Gruppen sich daran machen ihrer Spielwelt einen klare stilstische Linie zu geben. Diese lassen sich wie folgt umreißen:

1) Der Auteur

Hier nimmt sich ein einzelner Spieler (häufig der SL) der Aufgabe an, die verschiedenen Beiträge und Handlungen der anderen Spieler stilistisch unter einen Hut zu bringen. Das hat zur Folge, dass dieser "Auteur" z.B. die Beiträge der anderen Spieler anpasst, bevor sie Teil der Spielwelt werden oder sie gänzlich ablehnt, sollten sie mit seiner Vorstellung nicht vereinbar sein. Solange die Authorität des "Auteurs" nicht angezweifelt wird, können sich die restlichen Spieler zurücklehnen und die konsistente Spielwelt und damit ihren Spaß an einer stringenten Fiktion dem "Auteur" anvertrauen. Da hier so gut wie nichts von den anderen Spielern gefordert wird, hat diese Herangehensweise viele Anhänger.

2) Die Textauslegung

Hier geht die Gruppe von einem (unausgesprochenen) platonischen Ideal der Spielwelt aus, dem man sich durch das Spiel annähert. Dieses Ideal wird vor allem in Hintergrundtexten (sog. Fluff) ausgedrückt und es liegt an der Gruppe diese richtig und vollständig umzusetzen. Manche greifen hierbei nicht nur auf Hintergrundtexte des Rollenspiels zu, sondern auch zu Sachbüchern und anwendbarem Fachwissen des Spielers. Hier ist es nicht die Vorstellung eines Einzelnen, die formgebend für die Fiktion ist, sondern die "harten Fakten der (gewählten) Realität". Diese Herangehensweise ist vor allem bei den Spielern beliebt, für die eine objektive Spielrealität wichtig ist und die einen unüberwindbares Hindernis darin sehen, von einem anderen Spieler Objektivität zu erwarten.

3) Die Basisdemokraten

Hier wird der Fiktionsstil durch alle Teilnehmer geformt. Im Laufe des Spiels wird ausgehandelt was für ein Stil und was für eine Stimmung die Fiktion besitzt. Damit diese Vorgehensweise gelingt, müssen die Spieler sich neben dem Inhalt der Fiktion auch mit ihrer Form befassen. Sie müssen kritikfähig und entscheidungsstark sein. Vor allem aber müssen sie in der Lage sein, sich dem Konsens zu beugen statt sich den Konsens gefügig machen. Wenn das gelingt, entsteht eine sehr dynamische Fiktion, die trotz ihrer Unvorhersehbarkeit schlüssig wirkt. So als hätte sie ein Eigenleben. Misslingt es, so landet man häufig in einem offen oder verdeckt ausgetragenen Machtkampf zwischen den Spielern, in dem einzelne nach der von der Gruppe legitimierten Rolle des "Auteurs" buhlen.

Jede der Vorgehensweisen hat ihre Stärken und Schwächen. Es hilft jedoch wenn jeder am Tisch sich im Klaren darüber ist, wie man diese Dinge zu handhaben gedenkt. Das erspart einem unnötig Frust und Konflikte.

1 Kommentar:

Athair hat gesagt…
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