Montag, Oktober 19, 2009

Komplexität

Komplexität ist eine tolle Sache. Komplexität ist das was einen an ein Jugendhobby bindet, selbst wenn man das Jugendalter hinter sich gelassen hat. Wären Rollenspiele nicht in der Lage Komplexität zu bieten, würde ich mich nicht weiter damit beschäftigen, sondern hätte mir längst ein anderes Hobby gesucht.

Nun ist es aber so, dass diese Komplexität sich auf sehr unterschiedliche Art und Weise in einer Rollenspielrunde ausdrücken kann. Die Zwei für mich interessantesten und über die man vermutlich am ehesten im Internet reden kann, sind eng mit der Spielwelt gekoppelt.

Wobei man hier deutlich zwischen Komplexität und schierer Masse unterscheiden sollte. Eine Spielwelt kann gigantisch sein, eine ausführliche Geschichte besitzen und mit einer Wucht an Details glänzen. Komplexität erringt sie jedoch erst, wenn es innerhalb dieser Spielwelt Zusammenhänge gibt, die sich gegenseitig bedingen und beeinflussen. Komplexität hat ein Spiel erst, wenn es eine Wechselwirkung zwischen verschiedenen spielrelevanten Inhalten gibt. Das ist reizvoll. Die Auseinandersetzung mit diesen komplexen Wechselwirkungen, die Interaktion damit und die Weiterentwicklung davon empfinde ich als sehr spannend.

Nun gibt es, wie eben erwähnt, zwei grobe Stränge in der man Komplexität ausüben kann und über die man irgendwie sinnvoll reden kann. Die erste Richtung wäre die Komplexität der Ressourcen. Damit meine ich die Abbildung verschiedener, häufig an Ressourcen gekoppelter Zusammenhänge in das Spielgeschehen. Damit meine ich Zusammenhänge, die sich über zählbare und auswertbare Inhalte äussern, wie etwa Truppenstärken, Dauer eines militärischen Zugs, Kampfleistung, Versorgung, Geld, etc. Etabliert man diese in einem Spiel als beeinflussbare Grössen, die sich gegenseitig bedingen können. Wenn also die Truppe zu groß ist, damit die Versorgung reicht bis sie ans Ziel gelant, könnte die Kampfleistung darunter leiden und man muss mehr Geld dafür ausgeben, dass die Truppen stark genug sind um das Ziel des Zugs zu erreichen.... etc.... wenn man das also im Spiel etabliert und die Spieler durch ihre Charaktere darauf Einfluss nehmen können, so entfaltet das Rollenspiel automatisch eine Komplexität, die jeden anspricht der irgendwo an einem RTS-Computerspiel Gefallen finden kann. Dies ist eine Komplexitätslinie, deren Reiz ich zwar nachvollziehen kann, aber nicht nachempfinden. Es fehlt mir die Begeisterung mich mit diesen Dingen lange genug zu beschäftigen, um sie zu überschauen und auch dann fehlt mir die Motivation eine solche Richtung des Spiels weiter zu verfolgen.

Die Komplexität, die mir jedoch sehr viel mehr liegt und die mich auch stärker an Rollenspiele zu fesseln weiss, selbst wenn es mehr Zeit und Aufwand bedeutet, findet sich auf der Ebene wieder, die ich als Story bezeichnen würde. Auf der Ebene in der die Handlungen und Entscheidungen eines Charakters nicht deshalb etwas bedeuten weil sie für mich als Spieler so nützlich und gewinnbringend sind, sondern weil sie den Figuren und damit auch der Welt in der sie sich bewegen Tiefe verleihen. Ein Charakter, der seine facettenreiche Umwelt zu manipulieren weiß, um sein klar umrissenes Ziel zu erreichen, reizt mich nicht. Weder als Spieler, noch als Mitspieler. Aber ein Spiel in dem die Vielschichtigkeit oder Widersprüchlichkeit von Beweggründen eine Rolle spielt, ein Spiel in dem Handlungen Konsequenzen tragen, die nicht nur den Besitz des Charakters betreffen, sondern auch sein Wesen. Ein Spiel bei dem der Charakter Tragik und auch Komik durchlebt, weil das Leben nun mal eben nicht nach engen Genrekonventionen funktioniert, das finde ich spannend. Ein Spiel bei dem die Komplexität des menschlichen Verhaltens und des menschlichen Zusammenlebens sich entfalten kann, so glaubwürdig und authentisch wie man es sich nur vorstellen kann - egal wie fantastisch die Welt sein mag - so etwas finde ich spannend. Das ist die Art von Komplexität, die ich beim Rollenspiel geniesse.

Diese beiden Stränge sind natürlich nicht unvereinbar. Aber ich weiß, dass meine Vorliebe sehr stark in eine bestimmte Richtung neigt und ich mit Komplexität an Ressourcen nur wenig Spielgenuss verbinde. Selbstverständlich heißt das nicht, dass ich die eine Art von Komplexität ausschliesse. Wohl aber, dass ich sie weniger stark beachte als die andere. Ich vereinfache sie mir - dort wo ich es für vertretbar halte - um mich stärker mit der Komplexität zu beschäftigen, die mir zusagt. Jeder SL und jeder Spieler sollte das tun.

1 Kommentar:

Karsten hat gesagt…

Der Kommentar zu einem langen Abend...