Dienstag, Februar 24, 2009

[Abenteuerkonzepte] Teil 1 - Der Parcours

In den meisten Rollenspielen ist die Form, die ein Abenteuer nimmt weniger vom Regelwerk abhängig, als davon was ein SL damit macht. Eine dieser Abenteuerformen und die vermutlich am Weitesten verbreitete, will ich hier kurz umreißen. Und da alles knackiger und griffiger wirkt, wenn man einen Namen draufklatschen kann... nenne ich diese erste Form:

Der Parcours

Beim Parcours haben die Spieler ein klar umrissenes Ziel, das sie im Rahmen des Abenteuers verfolgen. Der SL hingegen platziert Hindernisse und Stolpersteine in ihren Weg.

So weit, so einleuchtend. Aber wie so oft gibt es viele kleine Unterschiede und Feinheiten, die aus einem solchen Parcours eine unterhaltsame und spaßige Angelegenheit oder eine unerträgliche und nervtötende Tortur machen können. Angefangen mit der Grundannahme, dass der SL den Parcours mit Hindernissen ausstattet, die bezwingbar sind. Wobei das Vermeiden oder Fliehen eine legitime Möglichkeit ist, mit solchen Hindernissen fertig zu werden. Man sollte den Parcours deshalb nicht als "der SL wird uns nur Gegner der angemessenen Stufe vorsetzen" verstehen. Jedes Hindernis auf dem Parcours erlaubt einen Ausweg, nicht unbedingt eine Möglichkeit zu siegen. Viele Abenteuer die für Paranoia erschienen sind, stellen genau diese Grundannahme auf den Kopf in dem sie unlösbare und unvermeidbare Hindernisse präsentieren.

Der nächste wichtige Punkt für ein Parcours-Abenteuer ist die Linearität. Ein schlechter Parcours ist linear und unflexibel aufgebaut. Oft wird diese Linearität Kaufabenteuern als solches vorgeworfen. Wenn die Konfrontation mit Hindernis #1 unweigerlich zu Hindernis #2 und anschließend zu Hindernis #3 führt, dann kann das Spieler frustrieren. Viele schlechte Spielleiter werfen das allen Kaufabenteuer vor und schwören auf Handlungsbäume oder faseln was von "sandbox"-spielen, wenn sie lediglich alle Hindernisse weit genug von einander aufbauen.

Der Irrtum besteht darin zu glauben, dass es die Reihenfolge ist, die die Qualität eines Parcours ausmacht und nicht die Abhängigkeit der einzelnen Hindernisse zueinander. Genaugenommen ist es nämlich egal ob die Spieler erst Hindernis #3, dann #1 und dann #2 angehen oder nicht. Es ist ein Hirngespinst zu glauben, dass ein Rollenspiel mehr Spaß macht, wenn man wählen kann durch welche der drei Türen man zuerst geht. Der Kern eines guten Parcours-Abenteuers liegt in den Konsequenzen, die jedes Hindernis auf den Verlauf des Abenteuers hat.

Viele Spiele erlauben es diese Konsequenzen auf die Spieler abzuwälzen statt auf das Abenteuer, in dem man ihnen knappe Spielressourcen (Hit Points, Spell Points/Slots, Proviant, Zeit, etc.) zur Hand gibt und sie irgendwie versuchen müssen mit immer niedriger werdenden Ressource an ihr Ziel zu gelangen. Aber ein fähiger Spielleiter, der seine Spielwelt richtig im Griff hat, kann diese Konsequenzen auch auf den Parcours übertragen. So kann das erfolgreiche Bestehen oder Umgehen eines Hindernisses die folgenden Hindernisse beeinflussen und etwa einfacher machen oder anderweitig verändern. Der Trick besteht natürlich darin diese Zusammenhänge nicht zu verschweigen oder geheim zu halten, sondern die Spieler nachvollziehen lassen wie ihr vorheriges Handeln ihre jetzigen Möglichkeiten beeinflusst hat. Wenn ihre erste Konfrontation mit der Diebesgilde statt mit Gewalt mit einem guten Deal für alle Beteiligten gelöst wurde, so kann dass das nächste Aufeinandertreffen positiv beeinflussen. Oder womöglich einen Verbündeten einbringen, wenn die Diebesgilde nur indirekt mit einem Hindernis in Verbindung steht.

Deshalb ist ein linearer Parcours, dessen Hindernisse sich gegenseitig beeinflussen immer mehr wert, als ein Parcours bei dem die Spieler die Hindernisse in beliebiger Reihenfolge angehen können, aber keine dieser Konfrontationen sich auf einander oder schlimmer noch auf die ursprüngliche Zielsetzung auswirkt. Die freie Wahl welches Problem man zuerst angeht, ist vollkommen wertlos, wenn die einzelnen Probleme im Vakuum existieren. Es liegt am Spielleiter selbst - und eben nicht am Regelwerk - diesen Umstand zu verhindern. Der Spielleiter muss hier die Welt spielen, in dem er die Hindernisse des Parcours also die einzelnen Situationen oder Herausforderungen des Abenteuers aufeinander wirken lässt, wenn die Spieler auf sie treffen.

Ein gelungener Parcours muss den Spielern deutlich machen, dass ihre Entscheidungen Dinge verändern und greifbare Auswirkungen auf das Abenteuer haben. Tun sie das nicht oder wird das den Spielern nicht deutlich, so ist das Abenteuer kein Parcours sondern ein Hamsterrad.

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