Dienstag, Juli 29, 2008

The Art of Fighting 2: Electric Boogaloo

Im ersten Teil meiner Art of Fighting-Reihe habe ich mich vor allem damit beschäftigt, wie man als Spieler einen Rollenspielkampf hochwertig aufbereiten kann. Doch auch für den SL gibt es einige Richtlinien mit deren Hilfe aus einem Kampf mehr als eine reine Regelanwendungsübung wird.

1) Weniger ist in Wirklichkeit mehr

Gerade wenn man Hilfsmittel wie Karten und Figuren beim Spielen zu Hilfe nimmt, vergisst man schnell dass die Vorstellungskraft und nicht die Regeln oder Utensilien das Spiel formen. Schließlich verwandelt sich ein unterirdischer Höhlenkomplex nicht plötzlich in einen eigenschaftslosen Raum mit senkrechten Wänden und ebenen Böden, nur weil man auf der Karte diese Dinge nicht verzeichnet hat. Die Dinge auf dem Tisch sind immer nur ein Bruchteil dessen, was die Charaktere vor sich haben. Als SL sollte man das immer wieder aufgreifen und nutzen. Höhenunterschiede sind dabei die einfachste und offensichtlichste Erweiterung. Charaktere auf abschüssigen Flächen oder Vertiefungen können den Kampf um einiges dynamischer gestalten. Vorausgesetzt, dass sie für mehr als nur einen kurzfristigen Bonus genutzt werden. Statt einem kahlen, eigenschaftslosen Raum könnten sich die Abenteurer in einem von der Zeit gezeichneten Ort wiederfinden in dem Wände, Decke und Boden zum Beispiel Risse, Löcher oder ausgeprägte Vertiefungen aufweisen. Diese Dinge können und sollten sich auf den Kampf auswirken und sich dafür anbieten von den Spielern genutzt zu werden.

2) Alles bewegt sich, alles verändert sich

Kämpfe sind häufig dann eine langweilige Angelegenheit, wenn sie über einen längeren Zeitraum hin statisch und unverändert bleiben. Wenn eine Runde nach der anderen nur daraus besteht, dass man ewig gleiche Würfe wiederholt ohne irgend eine nennenswerte Veränderung zu bewirken, dann langweilt das. Darum sollte man sich unbedingt von der Vorstellung lösen, dass nur ein erfolgreicher Würfelwurf eine Veränderung der Spielsituation nach sich ziehen kann. Die Situation verändert sich immer dann, wenn etwas passiert was augenscheinlich Einfluß auf die Situation hat. Aber dass muss kein erfolgreicher Angriff oder Einsatz einer Fertigkeit sein. Ein Würfelwurf entscheidet nicht ob man die Situation beeinflusst, sondern ob man das erreicht, was man sich vorgenommen hat. Die Auswirkungen auf die Spielsituation wird in den meisten Fällen vom SL abgeschätzt und umgesetzt. Diese Aufgabe sollte man als SL nicht aus den Augen verlieren und schon gar nicht auf Würfelergebnisse abwälzen.

Es ist lediglich eine Frage der persönlichen Vorliebe ob man nun jede Aktion mit deutlichen Konsequenzen versieht und so einen ungestümen und wilden Kampf erspielt oder sehr sorgsam Veränderungen eintreten lässt um einen sehr authentischen oder realistischen Kampfverlauf zu erzielen.

3) Behalte das letzte Wort, gib den anderen das Erste.


In einem Rollenspielkampf ist es fast immer so, dass der SL die NSCs lenkt, die sich den Charakteren der Spieler in den Weg stellen oder ihnen nach dem Leben trachten. Der SL füllt in diesen Situationen die Rolle des Gegners. Oft kann das aber auch dazu führen, dass sich dieses Gegeneinander auf andere Bereiche des Spiels auswirkt - zum Beispiel wenn es um Beschreibungen und Umschreibungen geht. Aber gerade das Rollenspiel lebt von solchen Dingen und wenn nur einer am Tisch Inhalte einbringt, geht sehr viel verloren. Deshalb ist es wichtig auch bei den Beschreibungen der Spielwelt die Ideen und Erklärungen der Spieler einzubinden. Dabei muss man selbst entscheiden, ob man die Spieler wichtige Dinge frei erzählen lässt und mit der eigenen Beschreibung ihrem Vorgaben folgt oder ob man den Spielern konkrete Vorgaben gibt aus denen sie dann Einzelheiten ableiten können. Beides sind eher Extrembeispiele und die meisten Gruppen sind mit einem gesunden Mittelweg (d.h. einem ausgeglichenen Geben und Nehmen) am Besten beraten.

Wenn man diesen Mittelweg wählt, sollte man aber auch nicht vergessen, dass man als SL verpflichtet ist für eine in sich schlüssige und nachvollziehbare Spielwelt zu sorgen. Das heißt manchmal die Idee eines Spielers verändern oder sogar ablehnen, wenn sie partout nicht mit der Spielwelt vereinbar ist. Hier muss man sowohl als Vermittler (zwischen den Vorstellungen aller Beteiligten) wie auch als Bewahrer des Spielweltcharakters agieren.

Dienstag, Juli 22, 2008

The Art of Fighting

Kämpfe gehören zum Standardrepertoire einer jeden Rollenspielrunde. Eine Rollenspielrunde, in der es keine Kämpfe gibt, gilt als außergewöhnlich und wird oft als Beweis für besonders hohe oder besonders niedrige Spielqualität angesehen. Aber auch gute Kämpfe wollen im Rollenspiel gelernt sein. Man kann es zu Recht eine kleine Kunst oder zumindest ein eigenes Handwerk nennen Kämpfe in einem Rollenspiel gekonnt umzusetzen.

Hier nun Teil 1 meiner Art of Fighting Reihe in der genau dieses Handwerk beleuchtet werden soll. Zuerst für den typischen Spieler:

1) Sehen was der Charakter sieht

Gerade bei Rollenspielen mit etwas komplexeren Regeln oder einfach nur einer Vielzahl an durch Regeln differenzierten Handlungsmöglichkeiten verliert man als Spieler oft den Aspekt aus den Augen, der für viele Dreh- und Angelpunkt des ganzen Spiels ist: die Welt aus der Sicht des Charakters zu sehen. Dabei ist das der wichtigste Schritt um einen guten Kampf zu haben: die Situation mit den Augen des Charakters zu sehen. Das heißt sich vorzustellen welche Sinneseindrücke der Charakter hat. Nur weil der SL keine Geräusche oder Gerüche beschreibt, wird der Charakter diese Sinne nicht verloren haben. Die leeren Stellen in der Beschreibung des SLs sind gerade dafür da um vom Spieler aufgefüllt zu werden. Wenn man so die Welt für den Charakter bereichert, kann dieser sich umso differenzierter, glaubwürdiger und einfach ''echter'' verhalten.

2) Alles benutzen was sich irgendwie anbietet

Wenn man als Spieler angefangen hat die Welt um den Charakter zu verdichten und vertiefen, gilt es ebenso facettenreich mit ihr zu interagieren. Das Besondere am Rollenspiel ist, dass man den Charakter tun lassen kann was man selbst will und nicht was das Regelwerk einem anbietet. Auch in Kämpfen und vor allem da, lebt das Spiel von den Ideen und den Einfällen, die die Spieler durch ihre Charaktere ausleben. Gerade wenn man den Kampf aus den Augen des Charakters sieht und sich nicht allein auf die Eindrücke der Battlemap und der SL-Beschreibung beschränkt, lassen sich Aktionen finden, die in keinem anderen Spiel möglich wären.

3) Beschreiben wie etwas ge- oder misslingt

Nun hat man es geschafft sich in den Blickwinkel seines Charakters hinein zu versetzen. Man beginnt sogar sich der Dinge zu bedienen, die der Charakter wahrnimmt, um seine Entscheidungen zu fällen. All das trägt jedoch nur bedingt zur Steigerung der Spielqualität bei, wenn man es nicht nutzt um sich mit den anderen Spielern auszutauschen. Die Handlung seines Charakters in eigenen Worten zu beschreiben, ist eines der stärksten Werkzeuge um einen Kampf noch mitreissender zu machen. Dabei ist das Ziel nicht möglichst viel zu reden oder einen einfachen Schwertschlag möglichst ausschmückend und literarisch wertvoll zu umschreiben. Aber sobald die Würfel gelandet sind, hat man die Möglichkeit die anderen Spieler für einen Moment an der Welt des eigenen Charakters teilhaben zu lassen.

Diese Dinge muss man nicht zwingend dem SL überlassen. Solange man darauf achtet nicht zu weit zu gehen, ist es ein Gewinn für jede Spielrunde wenn jeder ein Stück seiner Vorstellung zum Spiel beiträgt.

Montag, Juli 14, 2008

Beobachtungen

In letzter Zeit habe ich vermehrt den Eindruck, dass manche Rollenspieler "Story" sagen aber eigentlich nur eine vorgestellte Situation meinen, deren Regeln und Eigenschaften nicht beliebig veränderbar sind.

Also kurz: jede Situation die nicht aus einer Laune heraus verändert und umgebaut werden kann, sondern gewissen Ansprüchen der Logik, Glaubwürdigkeit und einem bestimmten "Realismus" entspricht.

Das wird ein Problem, wenn jemand hinzustösst, der mit "Story" das meint, was einer Ereigniskette irgendeine Form von Bedeutung und Aussage zuspricht. Eine Rollenspielrunde braucht zwingend die obere "Rollenspieler-Story" und vielen Leuten sagt die normale "Story" ebenfalls zu. Leider stellen diese beiden Dinge unterschiedliche Anforderungen an SL und Gruppe, weshalb man sehr sorgfältig sein sollte welche Tipps, Techniken und Spielhandlungen welcher Art von "Story" dienlich sind.

....oder auch nicht. ;)

Sonntag, Juli 06, 2008

Und ewig lockt die Hausregel

Es gibt Situationen, die treten bei so ziemlich jedem Spiel früher oder später auf. Irgendeine Regel führt dazu, dass man nicht das machen kann, was man vor hatte oder der Gebrauch einer bestimmten Regel hat zur Folge, dass man weit weniger Einfluss auf den Fortgang des Spiels hat, als man sich wünscht. Insbesondere bei Spielen, die stark auf Würfeln aufbauen, ergibt sich dieses „Würfel mal, ob das was du tust vollkommen wertlos ist“-Problem. Das sorgt für Frust. Sei es bei Spielen wie Doom: The Boardgame, bei Warhammer FRP oder (wie ich vor kurzem am eigenen Leib feststellen musste) bei Dungeons & Dragons 4E.

Wie nun mit solch einer Frustquelle umgehen? Die einfachste, aber auch radikalste Vorgehensweise wäre natürlich das Spiel einfach nicht mehr zu spielen. Sobald man jedoch den Kindergarten hinter sich gelassen hat, ist diese schmollende Spielverweigerung weder süss noch effektiv. Denn ausser nicht zu spielen, verändert sich nichts.

Bei Brettspielen werden solche Situationen mit Hausregeln behandelt. Die Zahl der Spiele, die sich Familien oder Freunde zurecht geschnitzt haben ist endlos. Gerade Spiele wie Zombies!!!, Fluxx oder Battle of the Bands eignen sich für solche Unterfangen perfekt und können so sehr viel Spaß bieten. (Wem diese Spiele nichts sagen der kann auch Monopoly, Scrabble oder Stadt, Land, Fluß dafür einsetzen.) Diese Vorgehensweise ist bei Brett- und Kartenspielen bewährt, aber lässt sie sich auch problemlos auf Rollenspiele übertragen?

Eine der Besonderheiten des Rollenspiel und in manchen Fällen sogar ein essentieller Bestandteil des Spiels, besteht darin, dass man die Spielsituation (bzw. die Fiktion) verändern und beeinflussen kann, bevor man die im Buch niedergeschriebenen Regeln darauf anwendet. Bei WFRP etwa ist es ein offenes Geheimnis, dass Charaktere zu Beginn des Spiels herzlich wenig Chancen haben in einem Zweikampf als Sieger hervor zu gehen. Die Chancen für einen solchen Charakter beim Gegner einen Treffer zu landen, sind oft sehr schlecht. Eine der ersten und wichtigsten Lektionen, die man bei WFRP lernt, ist sich niemals auf einen fairen Kampf einzulassen. Man sollte jede noch so kleine Chance nutzen, um sich in einem Kampf einen Vorteil zu verschaffen. In der Old World gilt, dass drei gegen einen nur unfair ist, wenn man alleine ist. Kein Trick ist zu dreckig, keine Aktion zu feige. Am Ende zählt immer nur, dass man nicht der Tropf ist, der am falschen Ende eines Krummsäbels hängt. Es hängt am Einfallsreichtum der Spieler, wie sie sich in jeder Situation verhalten um einen Vorteil für sich herauszukitzeln. Es ist diese Art der kreativen Auseinandersetzung mit der Spielsituation, die das Kernelement aller „traditionellen“ oder besser gesagt „old school“ Rollenspiele darstellt.

Jedoch ist genau das eine Herausforderung, die oft Gefahr läuft unbemerkt entwertet zu werden, wenn der SL freigiebig zu Hausregeln greift. Der vollkommen vernünftige und begrüssenswerte Versuch ein Spiel frustfrei zu machen, kann schnell darin enden, dass es keine Notwendigkeit mehr für die Spieler gibt sich mit der Spielwelt auseinander zu setzen. Anstatt das man versucht sich durch das Verhalten des Charakters Vorteile in Konflikten zu sichern, werden kurzerhand die Spielregeln umgeschrieben. Man umgeht die Spielwelt und verlässt sich auf die "auf Erfolg hin geschriebenen" Hausregeln. Gerade da das so einfach und schnell geht, verlockt es mal eben das Spiel mit einer "Hausregelung" weiterzutreiben, statt es seinen manchmal störrigen Weg gehen zu lassen. Anstatt dass die Spieler nach Wegen suchen, wie sie die Trefferwahrscheinlichkeit ihrer „Power“ steigern könnten, fällt man auf Hausregeln zurück, die das für einen erledigen.

Aber ein gutes Rollenspiel basiert nicht auf ad-hoc Regeln des Spielleiters, sondern auf die unparteiische Beurteilung durch den SL, welcher die bereits bestehenden Regeln anwendet. Ein Richter schreibt schließlich auch nicht mit jedem Urteil ein neues Gesetz; sondern muss gemäß der geltenden Gesetzen und nach eigenem Gewissen eine Entscheidung fällen, die für das Gemeinwohl am Besten ist. Der SL ist in dieser Hinsicht in einer identischen Position. Er spricht Urteile, aber sollte wenn möglich keine Gesetze schreiben. Goldene Regel hin oder her.

Hausregeln sind die Notbremse, die man erst im letzten Moment ziehen sollte. Sie sind nicht der Normalfall um zu einem guten Rollenspiel zu führen, sondern können schnell die Krücke für eine einfallslose und Brettspiel-belastete Spielergruppe werden.