Donnerstag, Januar 18, 2007

Macht es gut

Bei Brettspielen ist es meist so das hübsche Figuren, aufwändige Spielbretter und ansprechende Karten merklich zum Spielspaß beitragen können. Attraktive Spielelemente machen ein Spiel fast immer unterhaltsamer. Ein Spiel dass nur aus grauen Pappe und vollgekritzelten Papierfetzen besteht, muss um einiges mehr Überzeugungsarbeit durch das Design leisten, um Spaß zu machen. Es ist kein Zufall das die Spiele von Days of Wonder oder Fantasy Flight Games, mit ihren hübschen, farbigen Aufmachungen bei meinem Spieleabenden oft und gerne ausgekramt werden.

Dieses Zusammenspiel zwischen Qualität der Spielelemente und Spielspaß findet sich auch im Rollenspiel wieder. Viel wichtiger als ein sauberer Charakterbogen, bemalte Zinnfiguren oder ein abwischbarer Bodenplan - die mit Sicherheit auch den Spaß an einem Spiel steigern können - sind jedoch die Beiträge der Spieler. Ein guter Beitrag macht aus einer etwas inhaltsleeren Freizeitbeschäftigung bei dem man über fiktive Dinge quatscht, ein spannendes und mitreissendes Spiel machen.

Die Frage ist jetzt natürlich: was macht einen guten Beitrag aus?

Zwar verabschieden sich die meisten hier mit der typischen Ausrede der persönlichen Vorlieben, aber es gibt einige mehr oder minder universale Richtlinien an denen man sich orientieren kann. Sie unterscheiden sich nur unwesentlich von den Prinzipien erfolgreicher bzw, befriedigender Unterhaltungen. (Bei den Kategorien habe ich mich bei der Sprachwissenschaft bedient, insbesondere Grices Kooperationsmaximen.)

Kompatibilität - Der Beitrag fügt sich ohne Schwierigkeiten in das bereits Erspielte ein und verweist falls möglich sogar darauf.
Das bereits Erspielte, das gemeinsam Vorgestellte kurz: die Spielfiktion muss in sich schlüssig sein und passen, damit das Spiel Spaß macht. Einfach nur Dinge die einem grad in den Sinn kommen in den Raum zu werfen, können zwar kurzzeitig amüsieren aber mehr auch nicht. Darum sollte man versuchen den eigenen Beitrag so zu formulieren, dass er dem bereits Erspielten nicht widersprecht. Zumindest nicht ohne eine gute Erklärung.

Information - Das Spiel wird durch den Beitrag vorangebracht und läuft nicht auf der Stelle.
Nichts untergräbt den Spielspaß mehr, als wenn viel geredet wird aber nichts passiert, was das Spiel vorantreibt. Man selbst mag sich zwar unglaublich daran erfreuen 20 Minuten lang über den Preis für eine Flasche Bier zu feilschen, aber wenn das Spiel nicht darauf ausgelegt ist die anderen Spieler damit zu beeindrucken, wie toll man schauspielerisch improvisieren kann, läuft sich das Ganze sehr schnell tot. Um einen guten Spielbeitrag zu leisten, sollte man das Ziel der Spielrunde niemals aus den Augen verlieren.

Klarheit - Die anderen Spieler können den Beitrag verstehen und darauf mit eigenen Spielbeiträgen reagieren.
Ein guter Spielbeitrag muss von den Mitspielern verstanden werden, sie müssen wissen was man mit seiner Spielhandlung zum Spiel beitragen will. Anders gesagt: man muss miteinander reden, statt an einander vorbei. Wenn die Mitspieler nicht verstehen, worauf man eigentlich hinauswill, dann hat man Mist gebaut. Ich erinnere mich noch mit Schrecken an Shadowrun-Runden in denen der Auftraggeber so stark in Euphemismen und ausschmückenden Vergleichen sprach, dass wir danach erstmal als Spieler untereinander debatieren mussten, was denn nun unser Auftrag war. Dem Spielspaß hat das überhaupt nicht geholfen.

Konformität - Es ist ein Beitrag der gemäß der Regeln erfolgt und deren Wirkungsbereich nicht überschreitet.
Eine Weiterführung der vorherigen Richtlinie ist, dass die Spielhandlung regelkonform oder zumindest im Sinne der Regeln getroffen werden sollte. Wer in einem Spiel wie Primetime Adventures seine Entscheidungen danach fällt, wie er die meisten Karten erhält, wird nur selten einen guten Beitrag zum Spiel leisten. Genauso wie ein Spieler eine Dungeons & Dragons Runde nicht bereichert, wenn er wichtige Entscheidungen unabhängig von taktischen Gesichtspunkten fällt, sondern allein danach was zur Stimmung der Situation passt.

Hierbei handelt es sich um Richtlinien und nicht um unnachgiebige Regeln, die man nicht überschreiten darf. Manchmal kann das Nicht Beachten einer dieser Richtlinien ebenfalls zu sehr guten Spielbeiträgen führen. Der SL kann zum Beispiel häufig etwas zum Spiel beitragen, was nicht wirklich zum Erspielten passt und nichts damit zu tun hat und die Spielinhalte dadurch in eine vollkommen neue Richtung lenken. Vor allem im klassischen Rollenspiel wird das vom SL sogar erwartet. Manchmal kann es auch Spaß machen, etwas zu tun was durch die Regeln etwa nicht eindeutig abgedeckt ist, aber einfach richtig cool klingt. Man sollte diese Richtlinien trotzdem immer vor Augen haben, und nur mit triftigem Grund missachten, wenn man ein gut laufendes Spiel anstrebt.

Donnerstag, Januar 11, 2007

Einleitungen

Es ist nicht einfach ein neues Spiel einer Gruppe vorzustellen. Gerade bei Rollenspielen weiss man nie genau womit man zuerst anfangen soll. Der Hintergrundwelt? Den Regeln? Den Besonderheiten? Der Charaktererschaffung? Der Besprechung über den Stil und die Art der Rollenspielrunde?

Nachdem ich in den letzten Wochen oft genug Spiele erklären musste und Spiele erklärt bekommen habe, mal gut mal weniger gut, will ich hier die auffälligsten Beobachtungen festhalten.

Die erste wichtige Information, die man als Spieler haben muss, lautet: was tue ich in diesem Spiel? Ist es ein Spiel bei dem ich körperliches Geschick brauche? Oder ein Spiel, bei dem ich meine Mitspieler einschätzen muss? Vielleicht ist es ein Spiel, bei dem ich mir irgendwelche fremde Orte und unbekannte Wesen vorstellen muss oder zusammen mit meinen Mitspieler eine für uns mitreissende Geschichte erzähle? usw. usf.

Ohne diese wichtige Information, kann ich als Spieler mit keiner Beschreibungen des Spiels etwas anfangen. Das ist mein Einstieg, der mir dabei hilft das Spiel zu verstehen. Was nutzt es mir die sicherlich interessante und kreative Hintergrundgeschichte zu hören, wenn ich nicht weiss, was ich damit anfangen soll? Es ist auch häufig sehr verlockend, das Spiel durch einen Vergleich zu erklären und nur die wichtigsten Unterschiede anzusprechen. Das kann sehr schnell nach hinten losgehen. Eine Gruppe von z.B. leidenschaftlichen Dungeons & Dragons Spielern wird sich unter "TV Serie als Rollenspiel" etwas ganz anderes vorstellen als das was Primetime Adventures wirklich ist. Ein Spiel sollte immer als etwas eigenes behandelt werden. Die Vergleiche und Ähnlichkeiten, die die Spieler selbst erkennen, sind für sie meist besser und verständlicher, als die, die man ihnen vorsetzt.

Die Frage, die als nächstes beantwortet werden muss und durch die man sich langsam an tatsächliche Regelbeispiele nähert, lautet: Warum? Was versucht man als Spieler zu erreichen, wenn man die Dinge tut, die man in diesem Spiel tut? Was ist das Ziel? Hier fällt erneut auf, das "Spaß haben" eine völlig nutzlose Antwort auf diese Frage ist. Man braucht eine konkrete Antwort. Etwas was ein mehr oder weniger faßbarer Teil des gesamten Spiels ist. Spielt man um Punkte zu erreichen? Spielt man um die Aufgabe, die einem vorgesetzt wurde, zu lösen? Spielt man um die anderen zu unterhalten? Wenn man nicht weiß worauf das Spiel hinauslaufen soll, dann versteht man auch nicht was man mit den einzelnen Regeln anfangen soll, bzw. muss sich irgendwie versuchen einen Reim darauf zu machen. Das kann furchtbar schief gehen.

Der letzte Punkt, der häufig der trockenste und längste ist, ist die Erklärung der Mittel mit denen die Spieler tun, was sie tun, um zu erreichen was sie erreichen sollen. Bei einem Brettspiel würde man hier den Spielablauf Schritt für Schritt und wenn möglich in der richtigen Reihenfolge durchgehen, wichtige Regeln und Sonderheiten erklären und falls möglich mit praktischen Beispiel das Spiel erläutern. Bei einem Rollenspiel geht man hier meist mehr oder weniger direkt zur Charaktererschaffung oder etwas Vergleichbarem über. Da viele Charaktererschaffungssysteme getrennt zum restlichen Spiel funktionieren, muss man häufig auch hier wieder die zwei vorherigen Punkte für diesen Teil neu erklären (Was tun wir? Warum tun wir es?). Ist das geklärt, kann man endlich anfangen die Spieler mit allen nötigen oder hilfreichen Informationen (z.B. die interessante und kreative Hintergrundgeschichte der Spielwelt) auszustatten, die sie brauchen um mit dem nötigen Wissen und Überblick in das Spiel einzusteigen.

Was tue ich in diesem Spiel?
Warum tue ich es?
Wie tue ich es und was muss oder kann ich beachten?

Nach diesen drei Fragen sollte jede gute Spieleinführung aufgebaut sein, denn sonst verbringt man mehr Zeit damit Mißverständnisse zu beheben, statt das Spiel zu spielen.

Donnerstag, Januar 04, 2007

Spielerfreiheiten

Spielerfreiheit macht kein gutes Rollenspiel aus. Es ist wahr. Wirklich. Es ist sogar so, dass Spielerfreiheit eine Idee ist, die den Diskurs zum Rollenspiel stört und verzerrt.

Das wird deutlich, wenn man genau betrachtet, wofür dieser Begriff eingesetzt wird und inwiefern er mit sorgfältigem Spieldesign vereinbar ist. Mit "Spielerfreiheit" wird in der Regel die Masse an Möglichkeiten bezeichnet mit der die Spieler das Spiel beeinflussen können. Vor allem gilt hier die Maxime: je weniger Einschränkungen es für den Spieler gibt, desto höher ist die "Spielerfreiheit". Folgt man diesem Konzept zu seinem logischen Ende: das vollkommen uneingeschränkte Spieler die größte Freiheit im Spiel geniessen und damit dann die höchste Spielequalität hätten, werden die Fehler in dem Ansatz deutlich.

Wenn die Entscheidungen der Spieler in keinster Weise eingeschränkt werden, so folgt daraus, dass sie auch keinen Vorgaben anderer Spieler oder des SLs folgen müssen. Jede Vorgabe ist auch eine Einschränkung. Es muss also jede Handlung der Spieler, vollkommen unabhängig von den Handlungen der anderen am Tisch, als spielrelevant gelten können. Das es sich hierbei nicht um ein unerreichbares Ideal handelt, das es wert ist angestrebt zu werden, sollte offensichtlich sein. Aber das ist lediglich ein Extremfall.

In einer normalen, funktionierenden Spielrunde existieren Einschränkungen auf verschiedenen Ebenen. Sowohl die Regeln des Spiels, die Situationsvorgabe durch den SL oder durch andere Spieler in weniger klassischen Spielen, als auch die bereits erspielten Szenen und die damit etablierten Eigenschaften des gemeinsam Vorgestellten Spiels schränken die Entscheidungsfreiheit des Spielers ein. So kann man bei Paranoia nicht plötzlich einen Pool von 20-seitigen Würfeln benutzen und bei jedem Wurf den jeweils höchsten entnehmen. Die Regeln schränken die Spieler dabei ein, wie sie Spielhandlungen auflösen wollen. Auch kann man als Spieler nicht einfach Spielhandlungen ansagen, die den Vorgaben durch die anderen Spieler direkt widersprechen. Man kann bei Warhammer seine Figur nicht Essen kaufen lassen, wenn der SL die Gruppe in eine verdorrte und vollkommen vereinsamte Landschaft setzt. Dem gleichen Prinzip folgend, kann man auch bei einem Spiel wie Primetime Adventures nicht plötzlich die erspielten Ereignisse vorheriger Szenen ignorieren oder ihnen ohne Erklärung widersprechen. Wenn in einer vorherigen Szene davon gehandelt hat, wie ein Charakter seine Selbstkontrolle verloren hat und einen anderen verprügelte, so kann man in der anschliessenden Szene nicht so tun, als wäre das Gegenteil passiert. Zumindest nicht ohne filmerzählerische Tricks zu benutzen. Diese Einschränkungen müssen vorhanden sein, damit das Spiel den Grundzügen eines Rollenspiels entspricht. Wer Regeln, Situationsvorgaben und der "Geschichte des Spiels" keine Beachtung schenkt, spielt nicht mehr, sondern quatscht nur.

Diese Einschränkungen können jedoch womöglich verschieden stark, bzw. eng sein. Könnte man nicht von relativer Spielerfreiheit sprechen, wenn man diese verschieden setzt? Eigentlich nicht. Die Regeln müssen als oberste Instanz einer Spielrunde stehen, deshalb sind sie da. Die Einschränkungen, die durch die Regeln entstehen, bilden die Grundlage für das eigentliche Spiel. Ignoriert man diese, so untergräbt man das Spiel. Sind zu weit gefasst, ist das Spiel langweilig.
Die Situationsvorgabe, die oft durch den SL erfolgt und die ebenfalls ähnlichen Vorgaben unterliegt, wie die Entscheidungen der Spieler, lässt sich ebenfalls kaum variieren. Ein gut designtes Spiel steckt einen klaren Rahmen ab, in dem sich der SL austoben darf. Je klarer die Einschränkungen, desto spielbarer ist das Spiel. Setzt man diese Vorgaben zu weit oder setzt sich der SL über die Vorgaben hinweg, verfällt das Spiel eh dem Kult des SLs und ist damit nicht mehr diskussionswürdig. Auch hier ist viel Freiheit nicht gleichbedeutend mit hoher Spielqualität.
Wieviel Aufmerksamkeit man der "Geschichte des Spiels" zukommen lässt, ist letztendlich eine Frage der Gruppe. Allerdings habe ich hier oft die Erfahrung gemacht, dass die meisten Spieler es bevorzugen diese so selten wie möglich zu ignorieren. Vielmehr sucht man hier die Einschränkung durch die "Geschichte", statt sie zu meiden. Für viele Spieler ist das wichtiger als völlige Entscheidugsfreiheit.

Eine hoher Grad an Spielerfreiheit ist demnach kein Qualitätsmaßstab an sich. Es ist viel wichtiger, dass die Einschränkungen klar erkennbar sind (durch gutes Spieldesign), nicht während des Spiels verändert werden (vgl. SL-Kult oder "Hauptsache Spaß"-Stil) und sogar eine gewisse Enge benötigen um Spaß zu machen.

Deshalb ist es irreführend von Spielerfreiheit zu sprechen; sie sogar als hohes Ziel zu sehen. Vielmehr muss es klare Grenzen geben; aber die Entscheidungen von SL und Spieler müssen für das Spiel die gleiche Bedeutung haben.