Montag, November 02, 2009

Odyssee 2009 - Nachbericht

Die Odyssee ist vorbei und es wurde wieder ausgiebig gespielt. Im Gegensatz zu den letzten 2 Jahren fiel der Termin nicht in den Sommer, sondern direkt zu Halloween, zur MMC und eine Woche nach der Spiel in Essen. Ich hatte den Eindruck, dass sich das auch auf die Besucherzahl ausgewirkt hat. Selbst während der Pause wirkte der grosse Saal nicht übermässig voll.

Das tat der Spielatmosphäre jedoch keinen Abbruch. Der mittlerweile zum dritten Mal angereiste Spielerenvoy aus Greifswald fuhr soweit ich erkennen konnte, zufrieden nach Hause. Die Runden waren von üblich hohem Unterhaltungswert, und das Online-Melde-System ist augenscheinlich die bisher beste organisatorische Neuerung seit langem. Allein einige Schönheitsfehler gilt es noch zu beseitigen. Denn durch Schwänzer und Mehrfachanmelder, kam es hier und da zu Verwirrung und zu enttäuschten Gesichtern, als man im Nachhinein hörte, dass die favorisierte Runde noch Platz gehabt hätte, auch wenn der Aushang anderes behauptete. Ich denke, das wird spätestens zur nächsten Odyssee ausgebessert sein.

Ich habe insgesamt 4 Runden angeboten, von denen 1 ausfiel und mir so erlaubte mich ein wenig mit Leuten zu unterhalten, die ich lange nicht mehr gesehen hatte. Dass ausgerechnet My Life with Master nicht stattfand, kam mir jedoch gelegen, da ich als ich am Freitag abend eintrudelte doch bemerkte, dass mir der Sinn nicht nach persönlichem Horror stand.

Meine beiden Runden am Samstag haben viel Spaß gemacht. Die Poison'd-Runde am Samstag vormittag, hatte nach anfänglichen Momenten der Grenzüberschreitung einen Tonfall gefunden, der uns allen gut gefiel. Es war laut und recht gewalttätig, aber das schien die Spieler nicht zu stören. Schnell nahmen sie den Kampf mit einem britischen Flagschiff auf. Der deutsche Gunnery Master konnte durch eine gelungene Geiselaktion das Schiff unter die Gewalt des Piratenkapitäns "Skinny Brute Sid" bringen. Aber als es zur Verteilung der Beute kam, machte sich Unmut breit und nach einigen wilden Reibereien zwischen den Figuren, kamen es zu einer kurzen und entscheidenden Schießerei. Am Ende hatte die Crew einen neuen Captain, und einen treu-loyalen Gunnery Master. Und Skinny Brute Sid wurde auf dem Wrack des alten Schiffs, der Dagger, zurückgelassen. Wie bei Einführungsrunden so häufig, habe ich ein klein wenig zu oft auf das Würfelsystem gegriffen um zu versuchen möglichst alle Facetten davon zu zeigen. Trotzdem denke ich, dass das Spiel zu unterhalten wusste.

Am Samstag abend wurde Cold City gespielt. Als internationaler Trupp machten sich vier Spieler auf den Weg (eigentlich 5, aber die oben erwähnten Doppelbeleger verhinderten erfolgreich, dass Yevgeny Chernyakovsky an dieser Mission teilnehmen konnte) um den etwas fragwürdigen Todesfall von Gunter Roth zu untersuchen. Das Abenteuer war stark auf Deduktion und ähnliches ausgelegt, dadurch trat das Regelsystem ein wenig in den Hintergrund. Stattdessen verbrachte man viel Zeit damit das Setting zu erforschen und ich bin immer wieder verblüfft, wie unglaublich viel Stil und Ambiente Berlin in den 50ern hat. Das Abenteuer endete mit einem Cliffhanger oder eher ohne eindeutige Lösung, in einem abgesperrten U-Bahn-Tunnel. Dort stellten die Spieler einen jungen, von etwas Unbekanntem besessenem Mann, der die um ihn herum verstreuten toten VoPos kontrollierte und gegen die Charaktere aufbrachte. Ein Charakter erleidete durch den auferstandenen Toten, der ihn anzugreifen versuchte einen Nervenzusammenbruch und Lt. Danvers war drauf und dran, das Ding voll Blei zu pumpen. Was danach geschah, wurde nicht mehr geklärt, aber ich denke das war auch nicht mehr von Bedeutung.

Am Sonntag dann habe ich Paranoia geleitet. Oder besser gesagt es versucht. Me and My Shadow Mark 4 ist zwar ein fantastisches und sehr unterhaltsames Abenteuer, aber ich war zum einen noch sehr übermüdet und zum anderen, hatten die Spieler genug eigene Ideen und Impulse, um keines der Ereignisse aus dem Abenteuer nach sich ziehen zu müssen. Womöglich hätte ich das Abenteuer etwas straffer geleitet, wenn ich mich besser hätte konzentrieren können. So geschah zwar am Tisch sehr viel.. der Alpha Complex wurde am Ende durch einen EMP ausgeschaltet.. aber ausser der legendären "Something falls off"-episode, trat keines der Ereignisse des Abenteuers ein. Allerdings habe ich auch den Eindruck, dass Odyssee-Besucher nicht unbedingt die Herangehensweise ans Rollenspiel nutzen, die man unter klassischen Rollenspielen und damit auch unter Paranoia voraussetzt. Mehr Problemlösung und knallharter Überlebenstrieb und weniger Spielwelterforschung und amüsierende Charakterinteraktion hätten besser in das Abenteuer gepasst. Ich denke, auf dem Burg-Con wird das Abenteuer eher das richtige Publikum und ich vor allem vorher ausgiebig Schlaf finden.

Sonntag, November 01, 2009

Spiel 2009 - Flut an Spielen (Teil 2)

Im Gegensatz zu den Rollenspielen war die Auswahl an interessanten Brett- und Kartenspielen überwältigend. Von daher werde ich meine Eindrücke hier etwas kürzer fassen. Manche der Spiele waren Neuerscheinungen auf der Spiel, manche habe ich bei meinem Gastgeber und seiner Spielrunde probieren dürfen.

The Adventurers: Sehr schnelles, einfaches und schön aufgemachtes Wettlaufspiel mit Pulpthematik. Man läuft vor einem immer schneller werdenden Felsbrocken davon, sammelt soviele Schätze wie möglich ein (die einen jedoch verlangsamen) und versucht lebend den Tempel zu verlassen. Am ehesten mit Talisman vergleichbar, wenn Talisman schnell und bunt wäre und vom Spieler ununterbrochen risikoreiche Entscheidungen fordern würde.

Aargh!Tect: Ein Partyspiel in dem ein Urzeitarchitekt einem Urzeitbauarbeiter erklären muss, wie man sein geplantes Gebäude aus den bunten Holzbausteinen des Spiels zu bauen hat. Dabei muss man zu wilden Gesten greifen um Farben anzusagen und sich einer vorgegebenen Urmenschensprache bedienen, um zu vermitteln wo der Stein wie aufgebaut werden soll. Versteht der Baurbeiter die Anweisungen falsch, haut man ihm zwei mal mit der aufblasbaren Keule auf die Rübe. Macht er es richtig, zieht man ihm nur ein Mal eins über. Ein alberner Spaß, der viel Gelächter und Gehampel zu verursachen weiß, aber ein wenig überteuert.

Chaos in der Alten Welt:
Ein konfrontationsreiches Brettspiel für vier Spieler, die als Chaosgötter die Alte Welt Warhammers an sich zu reißen versuchen. Als wahlweise Khorne, Nurgle, Tzeentch oder Slaanesh versucht man Länder zu beherrschen, durch Chaoseinfluss zu zerstören und seine Gegenspieler an den gleichen Dingen zu hindern. Das Spiel verläuft schnell, konfliktorientiert und taktisch. Jeder Chaosgott spielt sich mit einer anderen Vorgehensweise am Besten. Hier muss man immer und andauernd auf der Hut sein, sonst verschenkt man womöglich den Sieg, der nicht allein auf dem Schlachtfeld, sondern auch auf anderem Wege erreicht werden kann. Jeder Chaosgott hat eine persönliche Siegbedingung, die nach individuellen Regeln erreicht wird. So kommt es nicht selten vor, dass einer der Chaosgötter durch sein persönliches Ziel gewinnt, während der Rest noch darum ringt Kislev dem Erdboden gleichzumachen. Dass es in dem Spiel Bauernmarker gibt, die so gut wie keine andere Funktion haben als von den Kriegern der Chaosmächte dahingestreckt zu werden, ist nur eins von vielen Warhammer-typischen Details. Das Spiel war so reizvoll, dass ich mir am Samstag gleich die deutsche Übersetzung zugelegt habe.

Descent:
Böse Zungen setzen Descent gerne mit D&D4 gleich, aber ich finde das stimmt nicht. D&D4 ist weit weniger friemelig und erschlägt einen nicht mit Markern, Zählern und Figuren. Ein Overlord steuert Horden von Monstern durch ein Szenario, d.h. einen Dungeon, den sie zu erforschen und zu überleben haben. Ich bevorzuge weiterhin Doom, sowohl vom Schwierigkeitsgrad wie auch von der Regelkomplexität. Und wenn mir der Sinn nach zeitintensiven Fantasyschlachten steht (was so etwa alle 8-10 Monate der Fall ist), kann ich immer noch zu D&D greifen. Nett, aber mir nicht die Zeit und Mühe wert, die eine Spielsitzung von einem abverlangt.

A Game of Thrones: Das Brettspiel zur ewig verschobenen und vermutlich niemals vollendeten Fantasyreihe. Ich hatte den Nachteil, dass ich ein nicht gerade einfaches Strategiespiel mit Leuten spielen durfte, die sich damit schon ausgiebig Schlachten geliefert haben und zu jedem Haus, dass man spielen kann, eine mehr oder minder qualifizierte Meinung hatten. So dauerte es gut drei Züge bis ich ansatzweise verstanden hatte, wie das Spiel ablief und noch mal drei bis ich mir zutraute die Absichten der Spieler einschätzen zu können. Das Spiel war im 7. Zug beendet. Ich habe den Eindruck, dass ein komplexes (aber nicht umständliches) Strategiespiel dahinter steckt, das man jedoch nur mit Leuten spielen sollte, die einem in Sachen strategisches/taktisches Können nicht haushoch über- oder unterlegen sind. Das Aufbauen von Truppen, das Verteidigen von Ländereien, das Ressourcenmanagement zum Unterhalt der Truppen, die unterschiedlichen Ereignisse, die auf das Spielfeld jede Runde wirken und die Abstimmungen über die beste Kampfeskraft und den höchsten politischen Einflluss und ähnliches, ergänzen sich und lassen ein spannendes, komplexes und sehr buchgerechtes Spiel entstehen, in dem dennoch viel allein von der Kunst der Verhandlung abhängt. Ich würde es sicherlich noch mal probieren wollen, aber wenn möglich mit Leuten, die das Spiel ebenso schlecht kennen, wie ich.

Hystericoach:
Am einfachsten zu umschreiben als das Trappatoni-Brettspiel. Ein Spieler muss durch wildes Gestikulieren und umständliche Anweisungen seinem Teamkollegen vermitteln, wie die Mannschaft sich aufzustellen hat. Der Clou ist, dass man die einzelnen Spieler nur mit ihrem umständlichen Namen aufrufen darf und Worte wie "vorne", "zurück", "rechts" und "links" nicht benutzen darf. Alles während die Gegenmannschaft ähnlich hektisch und laut das Gleiche tut. Das Spiel ist ähnlich komplex wie Aargh!Tect, aber sowohl preiswerter als auch aufgrund der Thematik mit ein klein wenig mehr Stil gesegnet.

Infinite City: Ein Kartenlegespiel der Carcassone-schule, das uns von den Supportern des AEG-Standes sehr empfohlen wurde. Ähnlich wie Carcassone ist das Spiel trocken, zufällig und wenig unterhaltsam, da man sich nur von Runde zu Runde Punkte weg nimmt. Infinite City kann zumindest Sonderaktionen mit jeder Karte aufweisen. Carcassone ist dagegen schön bunt. Sehr langweilig und bestenfalls an Leute verschenken, die Siedler von Catan für einen Geniestreich halten.

Mr Jack in New York: Die Fortsetzung von Mr Jack, dem überraschend lohnenswerten 2-Spieler-Spiel mit der freundlichen Aufmachung und der schaurigen Thematik. Jack the Ripper versucht immer noch der Polizei zu entkommen, und der Sergeant hat alle Hände voll zu tun ihn zu entlarven und dingfest zu machen. Durch sorgfältiges Manövrieren der Figuren, dem geschickten Einsatz ihrer Sonderfertigkeiten und der Eigenheiten der besonderen Spielfelder, versuchen Sergeant und Mr Jack ihre jeweiligen Ziele zu erreichen. Diesmal gibt es 8 fast ganz neue Rollen und das Spielbrett ist weniger statisch als beim Vorgänger, da es erst im Laufe des Spiels bebaut wird. Das Spiel setzt dadurch weniger auf Deduktion und mehr darauf kontrollierenden Einfluss auf die Spielflächen auszuüben. Wenn man nicht darauf achtet Jack den Fluchtweg abzuschneiden, ist das Spiel schnell gelaufen. Nur für Leute, die sich am Original bereits satt gespielt haben.