Montag, Mai 17, 2010

Es war ein wahrhaftes [Fiasco]

Am Freitag bin ich endlich dazu gekommen mal eine Runde Fiasco zu spielen. Das Spiel lag schon seit 2 Wochen ungespielt rum und so langsam musste sich ja mal was ergeben.

Fiasco ist ein Spielleiter-loses Rollenspiel, welches wirklich sehr frei angelegt ist. Ich würde es selbst über Spiele wie Prime Time Adventures oder Dread stellen, was die Einschränkung durch die Regeln angeht. Wie bei jedem Erzählspiel steht die Konsensbildung sehr stark im Mittelpunkt. Man einigt sich gemeinsam wie das Spiel weitergeht. Während bei den meisten Rollenspielen Regelmechanismen vorhanden sind, um einen Konsens zu erzwingen ("ich habe eine 6 gewürfelt, also bestimme ich jetzt was passiert" oder "der Wurf ist gelungen, also erreicht mein Charakter sein Ziel") fehlen diese bei Fiasco völlig. Deutlicher gesagt:

Es gibt keine Regeln, die einem die Entscheidung einschränken, was als nächstes passiert.

Fiasco ist ein Spiel, das mit dem erzählerischen Können der Gruppe steht und fällt. Ein klein wenig habe ich mich an Spiele wie Pandemie erinnert gefühlt, in der es ebenfalls keine verregelte Vorgehensweise gibt, wie man die Züge zwischen den Spielern zu koordinieren hat. Fiasco ist dahingehend recht ähnlich. Jeder Spieler bekommt über das Spiel verteilt 4 Szenen in denen sein Charakter im Mittelpunkt steht und während der Szenen gibt es lediglich einen Regelmechanismus, der dafür da ist zu signalisieren ob die laufende Szene einen guten oder schlechten Ausgang nimmt.

In unserer Runde wurde das anfänglich so interpretiert, dass man zuerst die möglichen Ausgänge konkretisierte, bevor man sich für einen der Würfel am Tisch (die den positiven/negativen Ausgang darstellten) entschied. Gegen Ende war ich zunehmend der Meinung, dass wir uns damit auf dem falschen Dampfer befanden. Je mehr ich den Ablauf der Spielrunde und die Entwicklung der Szenen überdenke, umso mehr bin ich davon überzeugt, dass dieses "Vorher erzählen" ein Fehler ist. Ich denke vielmehr dass der positive/negative Ausgang einer Szene erst nach der Wahl einer Richtung bestimmt werden sollte. (Ein ähnliches Phänomen gibt es auch bei Prime Time Adventures, in der bei der Bestimmung der Agenda oder des Konflikts, oft viel zu viel vorweggenommen wird und das Rollenspiel während der Szenen so überflüssig gemacht wird.) Dadurch entsteht ein gewisser Bruch im Spielfluß, der einen fast immer aus dem Spiel herausreißt und einen dazu zwingt Dinge in Worte zu fassen (d.h. alles was passieren könnte), die unausgesprochen sehr viel reizvoller sind.

Ein Kritikpunkt, der nach dem Spiel angesprochen wurde, war die empfundene Beliebigkeit des Abenteuers. Hier, denke ich, haben wir eine der wichtigsten Regeln für das Erzählrollenspiel vergessen: "Mit viel Freiheit, kommt viel Verantwortung." Im Laufe des Spiels sind wir schnell der Versuchung verfallen einzelne Szenen noch unterhaltsamer, noch lustiger, noch wilder zu machen (kurz: dem "Awesome" hinterher zu jagen) und haben dabei oft das Gesamtbild aus den Augen verloren. Oder besser gesagt: zu oft war uns der Gag in der Szene wichtiger, als die strikte Einhaltung der Charaktere, die Plausibilität der Story oder auch die Einhaltung eines weniger seichten Genrestils. Da das Spiel keine Regeln beinhaltete, um diese Dinge zu verhindern (wie auch?), ist man als Gruppe gemeinsam in der Verantwortung, das Spiel so schwer oder leichtfüßig zu halten, wie es sein muss, damit man am Ende zufrieden ist. Eine Aufgabe, die sonst meist vom SL übernommen wird, wird hier natürlich auf alle Spieler verteilt. Rückblickend ist das sicherlich offensichtlich, aber während des Spiels ging es in der Begeisterung für die Situationen und Charaktere verloren.

Das Interessante an Fiasco sind ohne Zweifel die sehr dezenten, aber dennoch spürbaren Einflüsse, die durch die Listen in das Spiel kommen. So sind die Listen für die Spielvorbereitung (The Set-Up), in denen Beziehungen zwischen Charakteren, Orte, Gegenstände und Motivationen ermittelt werden ein sehr guter Boden um auf die Schnelle ein unterhaltsames und interessantes Ausgangsszenario zu entwickeln. Auch die Liste, mit der der Auslöser ermittelt wird durch den die ehrgeizigen Vorhaben der Charaktere in ein Fiasko münden, fügen sich sehr gut in das Geschehen ein. Dass die Listen mit denen ermittelt wird, welcher Art die Auflösung der Geschichte sein wird (z.B. ein Schicksal schlimmer als der Tod, heftigst angeschlagen, leicht angeknackst, sauber, etc.), eher zufällig erscheinen, passt sicherlich auch zum Genre mit dem sich Fiasco augenscheinlich beschäftigt. Wobei ich hier wohl am ehesten Änderungen für die eigene Spielrunde einführen würde, falls man mal weniger bittere und tief-schwarze Runden spielen möchte.

Unter'm Strich ist es vor allem der Umgang mit der Erzählfreiheit, der Fiasco zu einem nicht ganz einfachen Rollenspiel macht. Ironischerweise glaube ich aber, dass man gerade in Runden, die schon ein paar Erzählrollenspiele kennen, vielleicht mehr Schwierigkeiten haben wird. Dafür sind einige Lektionen, die man mit anderen Rollenspielen macht, zu sehr verinnerlicht. Fiasco spielt sich mit einer sehr klassischen Vorstellung von Rollenspielabenteuern, vielleicht sogar einen Tick einfacher als ohne. Ganz alleine schon deshalb, weil mir dort die Genretreue sehr viel stärker vorhanden scheint, als bei Rollenspielen deren Genre allein durch die Gruppe bestimmt wird.