Mittwoch, März 18, 2009

Die 5 schlimmsten SL-Tipps

...und warum sie sich so hartnäckig halten

5) Solange ihr Spaß habt, spielt ihr richtig.
Warum ist der Tipp so schlimm:
Wie so oft, wird mit einem solchen SL-Tipp weniger Rollenspiel verdeutlicht oder vermittelt, sondern einfach nur counter-programming gestartet. Es wird versucht gegen ein Verhalten zu wirken, dass sich Rollenspieler erst aneignen, wenn sie sich diesen bescheuerten Tipp zu Herzen nehmen. Schlimmer noch, statt einem sich fragenden SL zu vermitteln, was im Mittelpunkt steht und welche Dinge das Spiel spielenswert machen... wird man mit einer Platitüde abgespeist, die einen alleine lässt.

Das Spiel läuft richtig, wenn es Spaß macht. Heißt das, wenn es keinen Spaß macht, spielen wir falsch?! Der Satz ist ein Minenfeld an schlechten Ideen und Bestätigung des überhöhten Egos von viel zu vielen Rollenspielern.

Warum er sich so hartnäckig hält:
Tief vergraben unter der geballten Stumpfsinnigkeit dieses SL-Tipps, liegt die Aufforderung seinen eigenen Vorlieben was Spielinhalte angeht zu vertrauen. Fragen des Realismus, der Glaubwürdigkeit oder was für Aktionen aufregend und cool und welche dümmlich und lahm sind... muss jeder am Tisch selbst beantworten, weil es eben keinen objektiven Maßstab dafür gibt, was "rockt" und was nicht. Es gibt nur die Leute am Tisch und die Dinge, die sie begeistern. Wer erfahren genug ist, das verstanden zu haben... der nickt diesen SL-Tipp häufig ab oder quatscht ihn sogar nach.

4) Sei [beliebige Eigenschaft] & Sei [völliges Gegenteil von vorheriger Eigenschaft]
Warum ist der Tipp so schlimm:
Weil er ein stupider Widerspruch ist, mit dem man sich als Sphinx inszeniert ohne irgendjemandem etwas erklärt zu haben. ("Oh.. he's terribly mysterious!"). Es reicht schließlich nicht, dass man einem SL zumutet Hunderte von Regeln im Kopf zu haben. Jetzt wird noch so getan als wäre Spielleiten eine mysteriöse Kunst, die sich nur durch das Entschlüsseln eines Koans in seiner Fülle begreifen lässt.

Warum er sich so hartnäckig hält:
Zum einen weil man mindestens ein durchschnittler Textschreiber sein muss, um der Versuchung widerstehen zu können Erklärungen als Koans zu schreiben. Zum anderen weil auch hier ein mikroskopisch kleiner Funken eines Bruchstücks eines kleinen Teils einer Wahrheit vergraben ist. Man sollte keine SL-Tipps blind befolgen oder ihr Umkehrung grundlegend ablehnen.

3) Hör auf deine Spieler
Warum ist der Tipp so schlimm:
Wieso sollten ausgerechnet die Leute, die vermutlich am wenigsten über die Regeln und so ziemlich gar nichts über die Spielwelt wissen, einem als SL weiterhelfen können? Was genau soll diese magische Einsicht in Rollenspiel sein, die Spieler dem SL mitteilen sollen? Selbst wenn es nur darum geht, dass man darauf hören soll was die Spieler wollen. Wie oft kommt es schon vor, dass man nicht nur weiß was man will und wie man es bekommt, sondern auch noch die richtigen Worte findet um es anderen mitzuteilen? Wenn das so einfach wäre, dann ließen sich so ziemlich alle Konflikte dieser Welt durch ein einfaches Gespräch lösen.

Warum er sich so hartnäckig hält:
Hier wird dem Satz weit mehr Aussagekraft und Bedeutung zugesprochen als tatsächlich darin steckt. Der Tipp erinnert an nichts weiteres als an die Tatsache das Rollenspiel ein kooperatives Spiel ist. Ein SL, der über den Spielern steht und bestimmt, ist für ein gutes Rollenspiel weit hinderlicher als ein SL der das Spiel als Dialog gleichwertiger Teilnehmer sieht, die gemeinsam spielen. Kurz: ein SL der sich so verhält wie man es bei jedem anderen Spiel eigentlich auch tun würde, wenn man vorhat irgendwann noch mal mit den gleichen Leuten zu spielen.

2) Wenn dir die Regeln nicht gefallen, ändere sie.
Warum ist der Tipp so schlimm:
Diese Aufforderung macht vor allem deutlich, dass der Ratgebende Regeln für beliebig, willkürlich und austauschbar hält. Mehr noch: die gekauften Regeln sind offenbar so einfach durch bessere, spaßfördernde Regeln zu ersetzen, dass man als Spieler lediglich keinen Spaß an ihnen haben muss, um umgehend eine passendere und nützlichere Regel finden zu können. Aber selbst wenn das so wäre, lässt dieser Tipp einen spätestens dann im Stich wenn man entscheiden muss was eine bessere oder nützlichere Regel ausmacht.

Warum er sich so hartnäckig hält:
Hinter dem kurzsichtigen und unreflektierten Schwampf versteckt sich ein Hinweis darauf, dass man als SL früher oder später auf eine Situation stoßen wird, in denen die Regeln das eine und die Fiktion etwas anderes sagen. Irgendwie muss man sich dann entscheiden ob man sich für die eine oder die andere Richtung entscheidet. Beugt man die Fiktion, damit sie den Regeln entspricht oder spricht man sich gegen die Regeln aus um die Integrität der Fiktion zu wahren? Gerade als Anfänger neigt man dazu die Regeln als unantastbar zu verstehen und diese Vorstellung zu sprengen ist sinnvoll. Sie jedoch dermassen auszulöschen, dass die Fiktion zur höchsten und einzigen Instanz erhoben wird, birgt jedoch die Gefahr irgendwann doch wieder beim konsequenz-befreiten, risikolosen Geschichtenerzählen zu landen. Schlimmer noch beim freien Erzählen, dass vom lautesten und rücksichlosesten Spieler dominiert wird.

1) Show, don't tell.
Warum ist der Tipp so schlimm:
Es gibt Sätze, die entlarven den Sprecher als völlig ahnungslos und gleichzeitig zu eitel um es sich einzugestehen. Sätze wie "Er führt sich zwar wie die Axt im Wald auf, aber eigentlich hat er schon Recht." oder "Wer 10 cent klaut, der klaut auch 1000€." oder "Das ist halt meine subjektive Meinung, da kann man nicht von richtig oder falsch sprechen.". Oder eben "Die oberste Regel lautet ja 'Show, dont tell'." Dieser vermeintliche Tipp zum besseren Spielleiten ist nicht nur falsch, er ist vollkommen unsinnig und hält sich vor allem deshalb weil man jeden Einwand mit Ignoranz, Unverständnis oder Anspruchslosigkeit gleichsetzen kann.

Der ausschlaggebende Unterschied zwischen Zeigen (show) und Sagen (tell) besteht darin, dass man etwas Gezeigtes deuten und interpretieren muss. Etwas Gesagtes hingegen ist in der Regel eindeutig und unmissverständlich. Allein mit diesem Unterschied lässt sich der Aufruf rechtfertigen, denn wenn das Publikum deuten und mitdenken muss, dann erlebt man die Geschichte meist als angenehmer und interessanter als wenn alles vorgekaut bekommt. Spätestens hier sollte man bemerken, warum "show, don't tell" in einer Rollenspielrunde nichts verloren hat. (Und selbst in Buch und Film nicht uneingeschränkt befolgt werden sollte.) Beim Rollenspiel geht es nicht darum, dass der SL den Spielern eine Geschichte erzählt. Geschichten sind lediglich eine Eigenschaft, die das Rollenspiel annehmen kann (wenn auch eine die mir persönlich sehr wichtig ist), aber sie steht nicht im Mittelpunkt des Spiels. Den bildet die spielerische Interaktion. Dafür muss der SL sorgen. Er muss Interaktion ermöglichen, sie am Laufen halten und seinen Teil dazu beitragen um sie unterhaltsam und interessant zu gestalten.

"Show, don't tell" eignet sich wenn überhaupt, dann nur für den letzten der drei Punkte. Aber die ersten beiden Aufgaben werden durch stures Zeigen statt Sagen erschwert und im Extremfall sogar verhindert, Wenn die Spieler statt der beabsichtigten Interpretation eine alternative Deutung des Gezeigten übernehmen. Schlechte SLs verstecken sich dann hinter der Behauptung, dass man sich "ja denken konnte, was wirklich gemeint war" oder dass die Spieler sich halt dumm anstellen und "nicht mitdenken". In Wirklichkeit aber sind solche, die Spielinteraktion entgleisende Meinungsunterschiede immer dem SL anzulasten, wenn sie entstehen weil der SL lieber etwas zeigen wollte, statt es geradeheraus zu sagen.

Warum sie sich so hartnäckig hält:
So lange es immer noch Leute gibt, die überzeugt sind, dass das Spiel dazu da ist um eine Geschichte zu erzählen und nicht die Geschichte da ist, um ein Spiel zu spielen und so lange man glaubt, dass vor allem der SL diese Geschichte erzählt, wird es Irrlichter geben, die diesen Stuß von sich geben und immer wieder unsichere oder unerfahrene SLs dazu verdammen ihre Spielrunden mit den besten Absichten gegen die Wand zu fahren.