Dienstag, Mai 29, 2007

Regel-Spiel oder Rollen-Spiel?

Immer wieder behaupten manche Rollenspieler, das der Gebrauch einer Regel ein Sakrileg gegen die Kunst des Rollen-Spiels sei. Das damit die Magie des Rollen-Spiels zerstört werde und Regeln nur die grässlichen Ketten der Banalität sind, die das kreative Genius des Rollenspielers beschmutzen. Wenn man meine überspitzte Formulierung mal aussen vor lässt, bleibt zumindest die Behauptung bestehen, das Regeln und Rollen-Spiel (in haarspalterischer Semantik hier als “das Spielen einer Rolle” definiert) unvereinbare Gegensätze sind. Das man entweder das eine oder das andere machen kann und eine gute Spielrunde lediglich gekonnt zwischen diesen beiden Polen hin- und herpendelt. Das Einige Regeln auch einfach nur mit Würfeln gleich setzen und dann ihre Shadowrun-Runde in der kein einziges Mal gewürfelt wurde, zum höchsten und besten, da 'regellosen' Rollenspielerlebnis verkünden, ist die traurige Konsequenz dieses Ammenmärchens.

Ammenmärchen? Heißt das, dass diese Leute sich nur einbilden Spaß gehabt zu haben und so hirngeschädigt sind, dass sie gar nicht mehr wissen, was es heißt Spaß am Rollenspiel zu haben? Nein. Aufs Entschiedenste nicht. Es geht mir nicht darum diesen Leuten ihre guten Rollenspielerfahrungen abzusprechen. Vielmehr geht es mir darum die Vorstellung das Rollen-Spiel und Regeln nicht vereinbar sind, als den Irrglauben zu benennen, der er ist. Es sind keine Gegensätze.

Rollen-Spiel und Regeln sind ein und dasselbe.

Sie müssen sogar dasselbe sein. Es darf keinen Unterschied geben zwischen dem was ein Spieler entscheidet und dadurch in die Fiktion einbringt und den Inhalten, die durch den Gebrauch einer Regel, der Fiktion hinzugefügt werden.

Das Rollen-Spiel erweitert die gemeinsame Fiktion durch das was der Spieler sagt, ggf. tut. Die Annahme, dass der Spieler völlig frei entscheiden kann und damit reine Kreativität an den Tisch bringt, ist schlichtweg falsch. Ob das Verzichten auf jegliche Regeln zur “reinen Kreativität” führt, ist eine rein kunst-philosophische Frage. Für mich interessant ist lediglich, ob das Fehlen von Regeln zu inhaltlich wertvollen Beiträgen führt. Das wird sowohl von mir als auch vom kunstwissenschaftlichen Diskurs mit einem klaren 'Nein' beantwortet. Aber in diesem Eintrag soll es um konkretere Dinge gehen. Während des Rollenspiels übernimmt jeder Spieler in der Regel die Vorgaben, die durch die bereits bekannte Fiktion an ihn gestellt werden. Diese Vorgaben haben viele Namen: Realismus, Plausibilität, Genre, Spielstil oder Stimmung (u.v.m.). Ihr Zweck ist immer der Gleiche: sie geben dem Spieler ein Gerüst nach dem er sich richtet, wenn es darum geht die Fiktion durch Rollen-Spiel zu erweitern.

Regeln hingegen haben den Zweck die Interaktion zwischen den Spielern zu strukturieren. Es geht darum die Spieler auf bestimmte Art und Weise miteinander kommunizieren zu lassen. Denn erst durch Regeln hat etwas in einer Rollenspielrunde Bedeutung. Der Sieg meines Charakters gegen einen Ork ist erst dann von Bedeutung, wenn ich es nicht einfach so in die Fiktion einfügen kann, sondern erst den reglementierten Ablauf von Angriff – Verteidigung – Schadenswurf – etc. durchlaufen habe. Erst wenn die Anforderungen, die durch die Regeln an mich gestellt werden, erfüllt sind, kann ich die Fiktion erweitern.

Diese Anforderungen durch die Regeln und die Vorgaben, die aus der Fiktion entnommen werden, haben die gleiche Funktion im Spiel. Es sind beides Bedingungen, die es zu erfüllen gibt. Es sind beides Einschränkungen, die man benötigt um einen qualitativ wertvollen Spielbeitrag zu liefern. Man mag Vorlieben in die eine oder andere Richtung haben, aber Regeln und Rollen-Spiel als sich gegenseitig ausschliessende Ansätze zu sehen von denen nur einer Wert hat, ist nicht nur falsch, sondern nimmt dem Spiel eine seiner formgebenden Eigenschaften: die Verschmelzung dieser beiden Ansätze macht das Rollenspiel erst aus.

Sonntag, Mai 27, 2007

Selbstverständliches

Es gibt kein gutes Railroading. Es gibt nur legitime Spielleiterhandlungen, und solche, die den Spielern spielrelevante Entscheidungen wegnehmen. Wer natürlich nicht unterscheidet, was während einer Runde spielrelevant ist und was nicht, der wird jede SL Entscheidung als eine Form von Railroading sehen.

Würfeltabellen sind eine Bereicherung für jede Rollenspielrunde, so lange die Inhalte dieser Tabellen die Fiktion ausbauen und ergänzen. Womöglich der Hauptgrund weshalb die Charaktererschaffung bei Warhammer so viel Spaß macht, obwohl man kaum eine Entscheidung fällt. Wenn Würfeltabellen jedoch eine Vielzahl von spielrelevanten Inhalten bestimmen, dann verliert das Spiel dadurch an Reiz. Es sei denn man heisst Raymond Babbitt.

Jeder, der den Gebrauch von Regeln oder Würfeln als unvereinbares Gegenstück zum "eigentlichen/richtigen/etc." Rollenspiel sieht, hat weder verstanden was Rollenspiele sind noch wie sie funktionieren.

Donnerstag, Mai 10, 2007

Georgios Spielleiter-Typen

Die sieben Spielertypen von Robin Laws werden ja vielerorts als Meilenstein der Rollenspielhilfen verehrt, aber ich fand sie immer etwas zu lückenhaft. Vor allem da sie die Spielziele und Interessen des Spielleiters vollkommen außer acht liessen. Zugegeben, das Heftchen betrachtete Regeln zum „Good Game Mastering“, von daher waren die Hinweise für den Spielleiter bestimmt. Trotzdem habe ich mich mal daran gemacht die unterschiedlichen Zielsetzungen des Spielleiters zu umreißen, um Spielern auch ein wenig dabei zu helfen für eine gute und unterhaltsame Spielrunde zu sorgen.

Der Weltenbastler hat es sich zum Ziel gemacht eine Welt zu präsentieren, die sehr viel Tiefe besitzt. Die Spielwelt soll nicht einfach nur ein beliebiger Ort sein, in dem sich gesichtslose NSCs herumtreiben und in uninteressanten Gebäuden verschwiden. Die Spielwelt hat eine Geschichte. Die Landschaft ist aufregend und facettenreich. Die NSCs sind Teil einer lebendig anmutenden Welt, die nahezu unendliche Detailfülle bietet. Der Weltenbastler ist jemand, der sich mit vielen Quellenbüchern, Sachbüchern oder passender Literatur bedeckt, um aus der Fülle an Informationen schöpfen zu können, wenn es darum geht jede Ecke der Spielwelt mit Leben zu füllen. Wenn man so will ist die Spielwelt sein Kunstwerk und die Spieler sein Publikum.
Spielstil: Wer mit einem Weltenbastler spielt, der sollte sich die Mühe machen das Setting zu erforschen und sich an der Komplexität der Welt zu erfreuen. Gerade wenn der Weltenbastler einen vorgegebenen Hintergrund benutzt, gibt es viele Verweise (aber auch absichtliche Widersprüche) die es zu entdecken gibt.

Der Duellant sucht den Wettstreit mit den Spielern. Er geht darin auf die Opposition zu den Charakteren der Spieler zu sein. Erst wenn Dinge aufeinander krachen, geht es für den Duellanten mit dem Spiel los. Was nicht heißen soll, dass der Duellant nur auf Kämpfe steht. Es ist vielmehr so, dass er die Spieler fordern will. Es ist ihm am liebsten, wenn der Sieg mit Schweiß und Tränen erreicht wurde oder um Haaresbreite entglitten ist. Aber wenn jemand große taktische Finesse an den Tag liegt, so verweigert der Duellant ihm nicht den wohlverdienten Erfolg. Darum ist es selbstverständlich für den Duellanten, dass er die Regeln hart, unnachgiebig aber fair einsetzt. Ansonsten ist jeder Sieg schal und bedeutungslos.
Spielstil:
Wer mit dem Duellanten spielt, darf keiner Herausfordererung aus dem Weg gehen oder eine Entscheidung aus einem anderen Grund als taktischer oder strategischer Überlegung fällen. Hier muss man sich die Hände schmutzig machen und sich immer wieder behaupten. Das Wort des Duellanten ist zwar Gesetz, aber es würde gegen seine Ehre als Spieler verstoßen parteiisch zu sein und irgendjemanden (geschweige denn sich selbst) zu bevorteilen.

Der Plotmeister
sieht sich als der Marionettenspieler bei dem alle Fäden zusammenlaufen. Er liefert dem Spiel einen komplexen und vielschichtigen Plot, den die Spieler zu entwirren haben. Die Spielwelt ist für ihn weniger ein Ort, als ein kompliziertes Netz aus Ursachen und Wirkungen, in dessen Mitte sich die Charaktere wiederfinden. Das führt dazu, dass selbst die einfachsten Abenteuereinstiege schnell in einem undurchsichtigen Meer aus überraschenden Wendungen und unerwarteten Entwicklungen enden. Der Plotmeister hat es sich zum Ziel gemacht die Spielgruppe immer wieder zu verblüffen und zu überraschen, aber dabei eine rückblickend nachvollziehbare und in sich schlüssige Plotentwicklung zu benutzen.
Spielstil: Beim Plotmeister sollte man immer extrem aufmerksam sein und kein noch so unwichtiges Detail aus den Augen verlieren. Er gibt den Spielern alle Puzzleteile in die Hand, es liegt jedoch an ihnen diese richtig zusammenzusetzen um das Gesamtbild zu erkennen. Als Spieler sollte man viele Notizen führen und die eigenen Theorien miteinander austauschen. Man sollte keine Annahme für selbstverständlich halten und sie immer erst im Spiel prüfen.

Dem Zeremonienmeister geht es darum durch sein Leiten ein stimmungsvolles und immersives Spielerlebnis zu liefern. Eine Runde beim Zeremonienmeister soll einzigartig sein und die Spieler in eine fremde Welt abtauchen lassen. Dafür benutzt er viele unterschiedliche Hilfsmittel, mit dem Ziel das Spiel noch plastischer zu machen. Darunter fallen Sachen wie Beleuchtung, Hintergrundmusik, sorgfältig erarbeitete Requisiten und ausgefallene Handouts. Auch ist es ihm wichtig, dass seine NSCs sowohl authentische Sprache als auch Verhalten an den Tag legen. Für den Zeremonienmeister ist Rollenspiel vor allem auch Eskapismus und Sinneserfahrung.
Spielstil: Das Spiel beim Zeremonienmeister setzt voraus, dass die Spieler gewillt sind ihre Skepsis und ihre Zwischenrufe im Zaum zu halten. Nichts macht einen beim Zeremonienmeister unbeliebter, als ein out-of-character Kommentar im falschen Moment, oder eine Spielentscheidung, die mit der Atmosphäre bricht. Gerade Metagaming (worunter manchmal auch taktisch/strategisches Spielen fallen kann) ist ihm verhasst.

Der Schauspieler legt seine Aufmerksamkeit vor allem auf die NSCs. Es geht ihm darum den Spielern möglichst viele unterschiedliche NSCs mit auffälligen Eigenschaften oder zumindest klar unterscheidbaren Charaktern zu liefern. Für den Schauspieler besteht die Spielwelt aus Charakteren mit ihren Vorlieben und Abneigungen, ihren Macken und Stärken. Für den Schauspieler kreist das Rollenspiel um die Interaktion der Charaktere miteinander. Das setzt natürlich voraus, dass die NSCs eine nachvollziehbare Persönlichkeit haben, die nicht irgendwelcher Regeln oder anderer Einschränkungen des Spiels unterworfen sind. Der Schauspieler will das die Charaktere und die Interaktionen mit ihnen den Spielern in Erinnrung bleiben.
Spielstil: Um mit einem Schauspieler zurecht zu kommen, braucht der Charakter nun.. Charakter. Genauso wie der Spieler die Möglichkeit hat mehr über die NSCs und ihre Beweggründe zu erfahren, möchte der Schauspieler durch das Spiel auch mehr über die Charaktere der Spieler zu erfahren. Wer sind sie? Warum sind sie so wie sie sind? Widersprüchliches Handeln der Figur muss aus einem inneren Konflik stammen. Es darf auf keinen Fall einfach nur daran liegen, dass es dem Spieler egal ist, ob seine Handlungen von jetzt mit denen von vorhin vereinbar sind.

Der Regisseur sieht das Rollenspiel als Medium um gemeinsam mit den anderen Spielern eine Geschichte zu erschaffen. Damit dieser Erschaffen spannend und unterhaltsam wird, bedient er sich allen Mitteln des Rollenspiels (z.B. Abenteuerstruktur, große Herausforderungen, dramatische Konflikte, etc.) aber auch der ihm bekannten Erzählkunst (z.B. Drei-Akt-Struktur, Genrebindung, Filmsprache,etc.). Der Regisseur spielt nur das aus, was auch für die Geschichte „wichtig“ ist. Handlungen, die weder die Geschichte vorantreiben, noch die Charaktere voranbringen werden vom Regisseur umgangen oder gänzlich übersprungen.
Spielstil: Von den Spielern erwartet der Regisseur, dass sie ebenfalls daran arbeiten ihre eigene Vorstellung ins Spiel zu bringen. Das bedeutet, dass sie aktiv nach Situationen suchen, in denen sie die Geschichte voranbringen können. Anders gesagt, sie sollen in den einzelnen Situationen die Initiative ergreifen und die Geschichte in eine neue Richtung lenken. Der Regisseur will von den Spielern überrascht werden.

Der Versorger ist die Art von Spielleiter, die sich vollkommen aus dem Spiel nimmt. Er bezieht seinen Spaß daraus, das die restlichen Spieler Spaß haben. Viele Versorger erfreuen sich allein am gemeinsamen Beisammensein und sind nur deshalb Spielleiter, weil es sonst keiner machen will. Das Abenteuer setzt sich häufig aus den Vorlieben der Spieler zusammen und wird vom Versorger gemäß der Regeln umgesetzt. Er ist auch gewillt den Spielern mehr Einfluß am Spieltisch zu gestatten, wenn der Spieler dadurch mehr Spaß hat. Der Versorger sieht sich verpflichtet, den anderen Spielern mit seiner Spielleitung entgegenzukommen.
Spielstil: Eigentlich braucht es nicht viel um mit dem Versorger zurecht zu kommen. Darum gilt er bei vielen Spielern auch als die beste Art des Spielleiters. Es gibt jedoch zwei Punkte, mit der man selbst den Versorger aus der Gruppe vergraulen kann. Zum einen sollte man als Spieler zumindest ungefähr wissen, was einem an einer Rollenspielrunde Spaß macht. Nichts ist frustrierender für einen Versorger als Spieler die das eine sagen, aber etwas völlig anderes wollen. Ausserdem braucht der Versorger – mehr noch als die anderen SL-Typen - die Bestätigung, dass die Spielrunde Spaß gemacht hat. Eine Spielgruppe die ihrem Versorger nicht wissen läßt, dass er gute Arbeit leistet und sie Spaß an der Runde hatten, scheucht ihn geradezu in den Burnout.

Ich habe versucht die Beschreibungen positiv zu formulieren, bzw. so objektiv wie möglich. Selbstverständlich gibt es von diesen Typen auch Varianten die sehr negativ wahrgenommen werden. So kann der Duellant schnell zum Killer GM werden, wenn die Gruppe nicht dagegen hält. Der Zeremonienmeister kann schnell zum Erzählonkel abrutschen; manche Plotmeister sind auch zu faul um die nötige Arbeit in die Vorbereitung zu stecken und improvisieren alles frei und versuchen die Spieler irgendwie davon zu überzeugen, dass alles von Anfang so geplant war. Der wichtige Punkt, dass dieses die Schattenseiten der SL-Typen sind.